
Entwickeln Sie eine Routine für regelmäßige Gymnastik. Ihr Herz wird es Ihnen danken!
Immer mehr Menschen leiden an den Folgen von Bewegungsmangel, immer höher steigen die Kosten in der Gesundheitsversorgung und immer mehr sinkt dennoch oft in der eigenen Wahrnehmung die Lebensqualität. Dabei ist es eigentlich so einfach, sich im Alltag regelmäßig zu bewegen, und es muss auch nichts kosten.
Herzerkrankungen und Bewegung
Eine Herzkrankheit ist immer ein einschneidendes Erlebnis. Die Verunsicherung gegenüber der körperlichen Belastbarkeit ist anschließend hoch, egal wie sportlich oder weniger sportlich man bis zu diesem Ereignis war. Doch nicht nur die Frage nach der Belastbarkeit stellt sich häufig; es können auch körperliche und psychische Beschwerden hinzukommen. Ist der Antrieb gehemmt und es kommen Schmerzen dazu, sind ein motiviertes Training oder auch nur alltägliche Belange eine Herausforderung. Im Krankenhaus oder in einer Rehaklinik ist man irgendwie immer gut überwacht und die Umgebung einer Klinik vermittelt Sicherheit.
Um zur Ruhe zu kommen, ist ein regelmäßiges moderates Ausdauertraining genau das Richtige. Der Körper wird insgesamt in Bewegung gesetzt, die Muskulatur wird stärker durchblutet und wir bekommen
die Möglichkeit, Stress zu regulieren. Über den natürlichen Schwung der Arme wird die gesamte Wirbelsäule in Rotation versetzt und zusätzlich trainiert. Und die Zeit während einer Walking-Runde
im Park lässt sich wunderbar füllen mit Momentaufnahmen, wenn man sich nicht in Gedanken verliert, sondern seine Umgebung achtsam im Blick behält.
In der Bewegungstherapie, sowohl in der Kardiologie als auch in der Psychosomatik, verfolgen wir meistens einen ganzheitlichen Ansatz. Zwischen einzelnen Trainingsarten darf aber unterschieden werden: Ausdauertraining, Krafttraining und Gymnastik. Wir versuchen, Zusammenhänge begreifbar und erlebbar zu machen, wie z. B. das Einnehmen einer aufrechten Körperhaltung und deren Wirkung auf das eigene Wohlbefinden. Daher steht die Wahrnehmungsförderung, das Beobachten der eigenen Körperreaktion – ohne diese zu bewerten, immer im Mittelpunkt. Doch auch das Erlernen und Üben von Bewegungsabläufen, das Trainieren von Atemübungen und die Sensibilisierung für Körperwahrnehmungen sind wichtige Inhalte.
3 einfache Übungen bei Herzerkrankungen
Starten Sie mit einem einfachen Programm, dass Sie nicht zu sehr unter Druck setzt. Diese kurzen Bewegungsübungen können Sie morgens nach dem Aufstehen oder abends nach dem Ankommen zu Hause, während der Nachrichten im Fernsehen oder vor dem Abendessen durchführen. Wichtiger als ein hohes Pensum ist es, eine Routine zu entwickeln sodass die Übungen Teil Ihres Alltags werden.
Übung 1
- Legen Sie sich auf den Rücken.
- Ziehen Sie als Erstes den Bauchnabel zur Wirbelsäule. Stellen Sie sich dabei vor, eine enge Hose anzuziehen (= Bauchspannung aktivieren).
- Kippen Sie dabei das Becken nach vorn.
- Denken Sie daran, den Atem gleichmäßig durch die Nase fließen zu lassen. Die Atmung nicht anhalten (und auch nicht pumpen oder pressen), sondern den Atem fließen lassen.
- Die Spannung halten, die rechte Hand und das linke gebeugte Bein bei der Ausatmung aufeinander zubewegen.
- Bringen Sie beim Einatmen Arm und Bein wieder in die Ausgangsposition zurück.
- Machen Sie 3 Serien mit je 15 Wiederholungen auf jeder Seite im Wechsel. Dazwischen pausieren Sie 30 Sekunden.
- Wechseln Sie dann die Seiten, Sie führen also die linke Hand zum rechten Knie.

Achten Sie darauf, dass Sie ihren Bauchnabel zum Boden ziehen.
Übung 2
- Legen Sie sich auf den Rücken.
- Aktivieren Sie die Bauspannung.
- Kreisen Sie nun das rechte Bein leicht gebeugt nach außen.
- Machen Sie 3 Serien mit je 15 Wiederholungen auf jeder Seite im Wechsel.

Beugen Sie das angehoben Bein leicht an und lassen es kreisen.
Übung 3
- Legen Sie sich auf den Rücken.
- Aktivieren Sie die Bauchspannung.
- Strecken Sie das rechte Bein ca. 1 cm über dem Boden, den linke Arm ebenso.
- Halten Sie die Position 20 Sekunden und wiederholen Sie sie 10mal.
- Wechseln Sie dann die Seiten.

Bein und Fuß sind nur ganz leicht vom Boden abgehoben.
Bewegung nutzt Körper und Seele
Regelmäßiges Ausdauertraining und Kraft-/Ausdauer-Training gehören zu den wirksamsten Möglichkeiten, sein Herz-Kreislauf-System zu schützen und zu stärken. Ausdauertraining beugt der Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit vor oder kann helfen, diese zu bessern. Das Training normalisiert Blutdruck und Stoffwechselwerte und verbessert die Lebensqualität, z. B. auch bei Herzschwäche.
Muskeltraining verbessert zusätzlich die Fähigkeit der Muskulatur, Sauerstoff aus dem Blut aufzunehmen. Gerade wenn das Angebot an Sauerstoff beschränkt ist – wie bei einer schweren Herzschwäche – führt dieser Effekt zu einer deutlich besseren Kondition. Umgekehrt führt Inaktivität bei Patienten mit Herzinsuffizienz zu einem schnellen Nachlassen der Kondition und zur Einschränkung des Bewegungsspielraums.
Allerdings sollte das Muskeltraining bei Herzinsuffizienz richtig dosiert sein. Lassen Sie sich daher von Ihrem Kardiologen beraten. Praktische Anleitung finden Siez. B. in einer Herzsportgruppe. Weniger bekannt ist, in welch starkem Maße Bewegung auch der Seele guttut und als Heilmittel bei psychischen Erkrankungen eingesetzt werden kann. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass bei einer Depression dreimal 45 Minuten Ausdauertraining pro Woche genau so effektiv sind wie die regelmäßige Einnahme eines Antidepressivums. Ein Problem ist jedoch, dass die Depression oft den Antrieb lähmt, sodass es den Betroffenen nicht möglich ist, mit dem zu starten, was ihnen eigentlichguttut. In diesem Fall bedarf es der Begleitung durch Freunde oder Angehörige, ambulanter Sportprogramme oder der
Be wegungstherapie in einer RehaKlinik, um diese anfängliche Barriere zu überwinden.
Regelmäßige Bewegung hilft aber auch, bei herzbezogenen Ängsten wieder Vertrauen in den eigenen Körper aufzubauen. Sie ist der natürlichste Weg, Stress und Spannung abzubauen, und hilft damit
bei chronischen Schmerzkrankheiten (z. B. Rückenschmerz, Spannungskopfschmerz oder Fibromyalgie-Syndrom) langfristig meist besser als Schmerzmittel. Und selbst bei der Vorbeugung gegen eine Demenz haben Ausdauerund auch Kraft training ihre Wirksamkeit bewiesen.
Wie viel Bewegung ist gut für mich?
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt:
- Erwachsene sollten möglichst mindestens 150 Minuten pro Woche ausdauer orientierte Bewegung mit moderater Intensität oder
- mindestens 75 Minuten pro Woche ausdauerorientierte Bewegung in höherer Intensität durchführen.
- Ebenso sinnvoll ist ausdauerorientierte Bewegung in entsprechenden Kombinationen beider Intensitäten.
- Zusätzlich sollten muskelkräftigende körperliche Aktivitäten an mindestens zwei Tagen pro Woche (ca. 30 Minuten) durchgeführt werden.
- Diese Empfehlungen gelten zudem für Erwachsene mit chronischen, aber die Mobilität nicht einschränkenden Erkrankungen, bei denen keine spezifischen Kontraindikationen vorliegen.
Wie kann die praktische Umsetzung aussehen? Hier einige Beispiele:
- Machen Sie morgens oder abends 10 Minuten Übungen nach Wahl.
- Steigen Sie zwei, drei Stationen früher aus dem Bus aus und gehen Sie zügig den Rest des Weges zu Fuß.
- Sie können vielleicht auch mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.
- Falls sich etwas anbietet, können Sie sich zu einem Sportkurs anmelden, z. B. an der Volkshochschule oder bei einem Verein.
- Benutzen Sie die Treppe und nicht den Aufzug.
Ihr Herz und Ihre Seele machen stets gemeinsame Sache – wussten Sie das? Eine Depression, Einsamkeit oder schlecht verarbeitete Traumata können das Risiko für einen Herzinfarkt ähnlich stark erhöhen wie klassische Risikofaktoren, z.B. das Rauchen. In dem Buch "Mein Herz & Meine Seele" geben die Autoren Tipps, wie Sie mit Selbstfürsorge und einem aktiven und bewegten Lebensstil nicht nur Ihrer Psyche, sondern auch Ihrem Herzen etwas gutes tun.
Autoren
Prof. Dr. med. Volker Köllner ist Leiter der Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Seit 2015 ist er Chefarzt der Abteilung Verhaltenstherapie und Psychosomatik und ärztlicher Direktor des Reha-Zentrums Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund in Teltow bei Berlin. Mit Dr. med. Eike Langheim leitet er dort die Abteilung für Psychokardiologie, in der Menschen mit Herzkrankheiten und seelischen Erkrankungen interdisziplinär behandelt werden.
Dr. med. Eike Langheim ist Chefarzt der Abteilung Kardiologie des Reha-Zentrums Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund in Teltow an der südlichen Berliner Stadtgrenze. Sein Schwerpunkt liegt auf kardiologischer Rehabilitation bei Erkrankungen der Herzkranzgefäße, bei Herzrhythmusstörungen und bei Herzschwäche sowie nach Herztransplantation. Gemeinsam mit Prof. Dr. Volker Köllner hat er die interdisziplinäre Abteilung für Psychokardiologie aufgebaut.
Judit Kleinschmidt ist Sport- und Bewegungstherapeutin (DVGS) im Reha-Zentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund in Teltow. Ihr Schwerpunkt ist die Psychokardiologie. Sie hat das Konzept der Bewegungstherapie in diesem Bereich dort mit entwickelt. Sie leitet seit über zehn Jahren ambulante Herzsportgruppen und hat zudem auch Erfahrung mit Gruppen für COPDPatienten und für Patientinnen mit Brustkrebs. Seit vielen Jahren praktiziert sie Yoga.