Inhalt
Unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten versteht man nachteilige reproduzierbare Reaktionen auf Lebensmittel [18]. Diese Nahrungsmittelreaktionen können immunologisch und nicht immunologisch bedingt sein sowie durch akute Intoxikationen oder psychosomatische Reaktionen ausgelöst werden [6], [27], [38]. Dieser Beitrag fokussiert sich auf vorkommende nicht immunologische Reaktionen auf Nahrungsmittel.
Was heißt „nicht immunologisch bedingt“?
Nicht immunologisch bedingte Reaktionen auf Nahrungsmittel treten ohne Beteiligung des Immunsystems auf und zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch Lebensmittel oder eine Lebensmittelkomponente in einer normalerweise verträglichen Dosis ausgelöst werden [12], [40]. Es wird geschätzt, dass ca. 15 % der erwachsenen Bevölkerung in der westlichen Welt unter solchen Nahrungsmittelunverträglichkeiten leiden [23], [45], wobei mehr Frauen als Männer betroffen sind [1]. Dabei ist die Eigeneinschätzung zum Auftreten von Lebensmittelintoleranzen noch höher und führt zu unnötigen Einschränkungen bei der Nahrungsmittelzufuhr. Als Auslöser werden am häufigsten Laktose, gefolgt von Weizen und Früchten beschrieben [17], [38]. Dabei besteht die Herausforderung darin, aus der Vielzahl der aufgenommenen Nahrungsmittelinhaltsstoffe den Auslöser der Reaktion zu ermitteln [38].
Nahrungsmittelunverträglichkeiten können zum einen auf Malassimilationen von Kohlenhydraten zurückzuführen sein (Beispiel Laktoseintoleranz). Typische Symptome manifestieren sich dann vorwiegend, aber nicht ausschließlich am Gastrointestinaltrakt [11]. Zum anderen zählen z. B. Pseudoallergien zu den Unverträglichkeiten. Hier werden Reaktionen auf die Zufuhr bestimmter Nahrungsmittelinhaltsstoffe beobachtet, die denen allergischer Reaktionen gleichen, wobei jedoch keine spezifischen Antikörper nachweisbar sind. Symptome reichen von Juckreiz und Hautrötungen bis hin zu Magen-Darm-Störungen, Kopfschmerzen und Migräne, Müdigkeit und Verhaltensänderungen [38], [41].
Für die Ernährung bei nicht immunologischer Nahrungsmittelunverträglichkeit gilt, dass die Zufuhr des die nachteilige Reaktion auslösenden Stoffes vermindert oder vermieden wird. Anders als bei Nahrungsmittelallergien ist meist eine strikte Karenz nicht erforderlich, vielmehr müssen individuelle Toleranzen ermittelt werden.
Bei Verdacht auf eine Unverträglichkeit sollte eine spezifische Diagnostik erfolgen, die durch Ernährungsanamnese und -symptomprotokolle unterstützt wird [20]. Des Weiteren kann eine diagnostische Diät hilfreich sein, bei der zunächst die Zufuhr der verdächtigen Nahrungsmittel bzw. Nahrungsmittelinhaltsstoffe sehr stark eingeschränkt wird. Tritt eine Besserung auf, ist eine Unverträglichkeit wahrscheinlich und kann dann durch eine gezielte Provokation, ggf. unter Beobachtung, bestätigt werden. Danach kann die Zufuhr der auslösenden Nahrungsmittel langsam in Auswahl und Menge schrittweise erhöht werden, um die individuelle Toleranz festzulegen.
Bei jeder Eliminationsdiät besteht die Gefahr, dass die Zufuhr essenzieller Nährstoffe eingeschränkt wird. Je extremer die Restriktionen umgesetzt werden, umso höher ist das Risiko eines Nährstoffmangels. Ziel ist daher die Zusammenstellung einer alternativen Lebensmittelauswahl unter Reduktion des auslösenden Lebensmittels bei adäquater Nährstoffversorgung [2], [6], [12], [20].
Kohlenhydratmalassimilation
Kohlenhydrate werden beim gesunden Menschen fast vollständig im Dünndarm resorbiert. Kommt es zu einer beeinträchtigten Aufspaltung oder Resorption, gelangen osmotisch wirksame Kohlenhydrate in den Dickdarm. Die Dickdarmmikrobiota fermentiert nicht absorbierte Kohlenhydrate, wodurch Gas, Laktat und kurzkettige Fettsäuren entstehen. Die Folgen können Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall sein [11]. Ursache für solche Kohlenhydratverwertungsstörungen kann ein Mangel an Enzymen sein oder ein Überangebot an zugeführten Kohlenhydraten bei gleichzeitig eingeschränkter Kapazität der jeweiligen für die Resorption verantwortlichen Nährstofftransporter im Dünndarm.
Laktoseintoleranz
Die Laktoseintoleranz ist die häufigste Form der Nahrungsmittelunverträglichkeit [12]. Laktose, ein Disaccharid aus Glukose und Galaktose, kommt in Milch und Milchprodukten vor. Sie kann aber auch in weiteren Produkten versteckt sein, da sie als Hilfsstoff (z. B. bei der Wurstherstellung) oder als Trägerstoff von Aromen und Geschmacksverstärkern verwendet wird.
Die intestinale Resorption von Laktose erfordert eine Hydrolyse in ihre Monosaccharide durch das Bürstensaumenzym Laktase. Kann das Disaccharid durch eine eingeschränkte Laktaseaktivität nicht aufgespalten werden, verbleibt es im Darmlumen, gelangt in untere Darmabschnitte und den Dickdarm. Im Dickdarm wird die Laktose durch Mikroorganismen des Mikrobioms zu kurzkettigen Fettsäuren und Gasen (CO2, H2, Methan) verstoffwechselt. Es treten Krämpfe, Blähungen und Durchfälle auf. Die häufigste Form des Laktasemangels ist die primäre genetische adulte Hypolaktasie (primäre Laktoseintoleranz) [5], [12]. In jedem Fall besteht der diätetische Ansatz darin, die Laktosezufuhr so weit zu reduzieren, dass keine Symptome mehr auftreten. Viele Betroffene vertragen durchaus bis zu 12–15 g Laktose am Tag [13], [35]. Dies entspricht der Menge, die in 250 ml Vollmilch enthalten ist. [ Tab. 1 ] zeigt eine Übersicht zu in Milch und Milchprodukten enthaltenen Mengen an Laktose.
Für die Verträglichkeit bei Laktoseintoleranz spielen – neben der Restmenge der produzierten Laktase – die in einer bestimmten Zeiteinheit aufgenommene Laktosemenge, die Zusammensetzung der zusammen mit der Laktose aufgenommenen weiteren Nahrungsbestandteile, die Dauer der Darmpassage sowie auch eine mögliche Dünndarmfehlbesiedelung oder die Zusammensetzung des Mikrobioms eine Rolle [25]. So kann z. B. die Zufuhr von kleinen Mengen Naturjoghurt, eingebunden in vollständige Mahlzeiten, wie es in der mediterranen Ernährung üblich ist, verträglicher sein als die isolierte Gabe als Zwischenmahlzeit.
Es wird daher empfohlen, die Zufuhr an Milch und Milchprodukten zu reduzieren, jedoch nicht vollständig darauf zu verzichten. Milch ist eine gängige Zutat in vielen verarbeiteten Lebensmitteln wie Kuchen oder Wurstwaren. Betroffene Personen sollten daher nicht nur den Laktosegehalt in Milch und Milchprodukten abschätzen, sondern auch typische verarbeitete Produkte, denen Milch bzw. Milchzucker zugesetzt ist, erkennen können [10].
Fermentierte Milchprodukte und lang gereifte Käse enthalten häufig nur noch sehr geringe Mengen Laktose und sind besser verträglich. Inzwischen gibt es auch ein breites Angebot an laktosefreien Milchprodukten im Lebensmittelhandel. Wer vollständig auf Milch und Milchprodukte verzichtet, sollte auf die ausreichende Zufuhr alternativer Kalziumquellen achten: Ein völliger Verzicht auf Milch und Milchprodukte bei Laktoseintoleranz geht mit einer geringeren Zufuhr an Kalzium einher und kann die Entwicklung einer Osteopenie oder Osteoporose begünstigen [7], [15]. Zu beachten ist, dass das Kalzium aus pflanzlichen Lebensmitteln weniger gut resorbiert wird, da es z. T. an Ballaststoffe, Phytat oder Oxalat gebunden vorliegt. Alternativ eingesetzte Milchersatzprodukte sollten mit Kalzium angereichert sein [10].
Fruktosemalabsorption
Bei einer Fruktosemalabsorption sind die Resorptionskapazitäten im Darm begrenzt. Fruktose kommt natürlicherweise in Obst, Gemüse und Honig vor. Darüber hinaus wird Fruktose als Fruktose-Glukose-Sirup z. B. aus Mais gewonnen [3]. Es ist ein attraktives Monosaccharid, da es unter den Zuckern die stärkste Süßkraft aufweist und daher auch gerne bei der Herstellung von verarbeiteten Lebensmitteln eingesetzt wird. Dies führt dazu, dass die Fruktosezufuhr in der westlichen Ernährung in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen ist. Dabei hat der Konsum von Süßwaren und Süßgetränken wesentlichen Anteil an diesem Trend [37], [42]. Bei einer Fruktosemalabsorption ist die Resorptionskapazität für Fruktose gering, der nicht resorbierte Zucker verbleibt im Darm, wirkt dort osmotisch und wird in unteren Darmabschnitten unter Gasbildung durch die Mikrobiota verstoffwechselt [11].
Die Absorption der Fruktose erfolgt in den Enterozyten und wird durch GLUT-5-Transporter vermittelt [3]. Die Fruktoseresorptionskapazität dieses Transporters im Dünndarm ist generell limitiert, bei einer Malabsorption jedoch besonders niedrig (< 25 g Fruktose). Die Expression des Transporterproteins wird durch Zufuhr von Fruktose stimuliert. Es ist also sinnvoll, auch bei einer Malabsorption nicht komplett auf Fruktose zu verzichten [3], [34]. Die gleichzeitige Zufuhr von Glukose ermöglicht, über einen weiteren glukose- und galaktosespezifischen Transporter (GLUT-2), einen verbesserten Transport der Fruktose als Co-Transport mit der Glukose. Demgegenüber verringert die gleichzeitige Anwesenheit von Sorbit die Absorption der Fruktose [3], [11]. Dies kann man diätetisch nutzen, indem z. B. Obstsorten mit einem Verhältnis von Glukose zu Fruktose von mindestens 1:1 gewählt werden. Leider enthalten regionale Obstsorten wie Birnen und Äpfel mehr Fruktose als Glukose und sind daher zu meiden. Demgegenüber haben beispielsweise Aprikosen, Bananen, Kirschen oder Pflaumen ein Glukose-Fruktose-Verhältnis von > 1 und werden daher eher gut vertragen [3], [11], [44].
Menschen mit Fruktosemalabsorption sollten ein Ernährungstagebuch führen. Ziel ist es, die Lebensmittel mit Fruktosegehalt zu identifizieren und die Verträglichkeitsgrenze in einer zu planenden, zeitlich begrenzten Eliminationsphase zu ermitteln. In einer zweiten Phase sollte die Fruktosezufuhr wieder gesteigert werden, um die individuelle Toleranzschwelle zu bestimmen. Hier sollte die Lebensmittelauswahl erweitert und es sollten verschiedene Obstsorten aufgenommen und die individuellen Verträglichkeiten dokumentiert werden. Die sich anschließende Dauerernährung soll sicherstellen, dass der Nährstoffbedarf bei Symptomfreiheit gedeckt ist. Dabei sollen auch Speisenkombinationen mit ihrer jeweiligen Fett- und Proteinzufuhr Berücksichtigung finden, die die Verträglichkeit der Fruktose verändern kann [11], [34].
FODMAP-Unverträglichkeit
Als FODMAPs (engl. fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols) werden fermentierbare Nahrungsinhaltsstoffe der Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole bezeichnet. Sie finden sich in Früchten, Gemüsen, Hülsenfrüchten, Milchprodukten, Zuckeralkoholen und Getreiden [11]. Eine Übersicht zu Nahrungsmitteln mit hohem Gehalt an FODMAP zeigt [ Tab. 2 ]. Allen diesen Nahrungsinhaltsstoffen ist gemein, dass sie osmotisch aktiv sind, schlecht absorbiert und vom Darmmikrobiom fermentiert werden können. Dabei entstehen neben kurzkettigen Fettsäuren verschiedene Gase, die Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall verursachen können [44]. Vor allem bei gastrointestinalen Beschwerden unterschiedlichster Ursache wird eine schlechtere Verträglichkeit der FODMAP-reichen Lebensmittel beobachtet [40]. Lebensmittel gelten als FODMAP-reich, wenn sie mehr als 4 g Laktose, 0,3 g Mannitol, Sorbitol, Galaktooligosaccharide oder Fruktane pro Mahlzeit enthalten [44]. Eine FODMAP-arme Ernährung hat sich bei Reizdarmsyndrom [24] sowie bei Zöliakie [31] bewährt.
FODMAPs treten vergesellschaftet mit anderen gesundheitsförderlichen Nährstoffen und sekundären Nahrungsinhaltsstoffen auf. Eine Ernährungsweise, bei der die Zufuhr von FODMAP weitgehend vermieden wird, fördert die unzureichende Zufuhr von Nährstoffen wie Ballaststoffe und Kalzium [44]. Eine Ernährungsform mit strikter Reduktion von FODMAP sollte daher nur begleitet durch eine individuelle Ernährungsberatung durchgeführt werden [14], [20], [39].
Die Umsetzung einer FODMAP-armen Ernährung sollte einem 3-phasigen Prozess folgen. In der 1. Phase, die zum Ziel hat, die Symptome weitgehend zu reduzieren, soll komplett auf alle Lebensmittel mit hohem FODMAP-Gehalt verzichtet werden. In der darauffolgenden 2. Phase werden diese Lebensmittel schrittweise und nur langsam in der Menge steigend wieder eingeführt. Dabei wird für einzelne Lebensmittel, aber auch für deren Kombinationen die individuelle Verträglichkeit dokumentiert. Die 3. Phase dient der Festlegung der individuellen Ernährungsweise, die die Verträglichkeiten aus den ersten beiden Phasen zusammenführt [28], [44].
Pseudoallergien
Pseudoallergien zeichnen sich dadurch aus, dass die auftretenden klinischen Symptome denen einer Nahrungsmittelallergie entsprechen, aber nicht durch Antikörper vermittelt sind. Die Wirkmechanismen sind noch nicht vollständig verstanden. Typisch ist jedoch, dass die auslösenden Substanzen die Reizschwelle für die IgE-abhängige Mastzelldegranulation senken und diese aktivieren [22], [29].
Als Auslöser von Pseudoallergien sind verschiedene Lebensmittelinhaltsstoffe beschrieben. Auslösend können biogene Amine, Salizylsäure, Aromastoffe in Gewürzen, Alkohol, aber auch Lebensmittelzusatzstoffe wie Sulfite oder Azofarbstoffe sein [6], [12], [40], [43]. Als Antagonisten wirken verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe wie u. a. Quercetin und Resveratrol [22]. Die Symptome sind unspezifisch, treten oft erst Stunden nach der Nahrungszufuhr auf und können Tage andauern, was die Diagnostik erschwert [40], [41].
Typische Symptome sind Quaddeln mit Juckreiz und Angioödeme im Gesicht [20]. Diese Nahrungsmittelunverträglichkeiten kommen sehr viel seltener vor als von den Betroffenen angenommen, wobei darunter die Reaktionen auf biogene Amine relativ häufig beschrieben werden [20], [38].
Salizylsäure
Pseudoallergische Reaktionen werden auch als Reaktion nicht steroidaler Entzündungshemmer (NSAR) beobachtet. Native Salicylate finden sich in pflanzlichen Lebensmitteln ([ Tab. 3 ]). Als sekundärer Pflanzenstoff wirkt Salizylsäure präventiv, wahrscheinlich durch die Hemmung der Produktion von potenziell neoplastischen Prostaglandinen, die aus der COX-2-vermittelten Katalyse von Arachidonsäure entstehen [8]. Eine Salizylsäureintoleranz ist demgegenüber eine pseudoallergische Überempfindlichkeitsreaktion auf Salizylsäure, ihre Derivate oder andere verwandte organische oder anorganische Säuren [29]. Hier stimuliert die Salizylsäure die Mastzellen zur verstärkten Produktion von Leukotrienen, was in der Folge Entzündungen und pseudoallergische Symptome auslöst, z. B. Symptome der Atemwege bis hin zum Asthma, aber auch Symptome des Magen-Darm-Trakts [29].
Früchte | Gemüse | Kräuter und Gewürze | Getränke |
Ananas Granny-Smith-Apfel Beeren Erdbeeren Rosinen Kiwi Pfirsich Nektarine Zitrusfrüchte | Spargel Mais Tomate Zwiebel | Kreuzkümmel Kurkuma Paprika Thymian Minze Fenchel Ingwer | Kaffee Ananassaft Cidre Schwarztee Tomatensaft Apfelsaft Wein Rum |
Obwohl die salicylatarme Ernährung als unterstützendes Vorgehen im Rahmen einer Therapie keine Empfehlung hat [21], geben neuere Forschungsergebnisse interessante positive Hinweise für ein solches Vorgehen. Hier zeigte sich, dass eine Eliminationsdiät unter individueller Ernährungsberatung die Salizylsäurezufuhr signifikant senkte und die typischen Symptome signifikant reduziert werden konnten [19]. Eine Eliminationsdiät kann sich allerdings als kompliziert erweisen, da die Salicylatgehalte der pflanzlichen Lebensmittel abhängig von Pflanzensorte und Anbaumethode sind und daher stark schwanken können. Salizylsäure kann aus Benzoesäure gebildet werden. Daher ist bei einer Eliminationsdiät auch auf die geringe Zufuhr verarbeiteter Produkte zu achten [19].
Biogene Amine
Die im Rahmen von Lebensmittelunverträglichkeiten relevanten biogenen Amine entstehen beim Abbau von Aminosäuren in Lebensmitteln. Hier sind auch fermentierte Lebensmittel von Bedeutung. Sie finden sich damit insbesondere in lang gereiften Lebensmitteln, treten aber auch beim Lebensmittelverderb auf [32]. Die Konzentration der in Lebensmitteln gebildeten Amine schwankt und ist abhängig von der Art der vorhandenen Mikroorganismen, des Reifegrades, der Lagerdauer und -bedingungen und des Verarbeitungsprozesses [32]. Dies führt dazu, dass dasselbe Lebensmittel einmal besser und einmal weniger gut vertragen wird. Diese Amine sind sehr hitzebeständig und werden durch Kochen und Braten nicht inaktiviert. Typische Symptome einer Pseudoallergie gegen biogene Amine sind Urtikaria, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen [38].
Wichtige Amine sind Histamin, Tyramin, Tryptamin und Cadaverin. Durch ihre vasoaktiven, psychoaktiven und toxikologischen Eigenschaften stellen sie ein potenzielles Gesundheitsrisiko dar. Hier spielen vor allem Histamin und Tyramin eine Rolle [9]. Die Zufuhr der verschiedenen Amine kann vergleichbare Symptome verursachen [6].
Tyramin ist für seine blutdrucksteigernde Wirkung bekannt, die sich insbesondere unter der Einnahme von Monoaminooxidase-Hemmern (MAOI) als Antidepressivum zeigt [4]. Hohe Dosen können aber auch Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerz und Migräne auslösen [4]. Bei gesunden Erwachsenen jedoch kann ein toxischer Effekt über die Ernährung mit den besonders tyraminreichen Lebensmitteln wie Bier, Käse und fermentierten Wurst- und Fischprodukten kaum verursacht werden.
Für alle biogenen Amine gilt, dass der hygienische Umgang und Einhalt der HAACP-Regeln beim Umgang mit Lebensmitteln den Gehalt an biogenen Aminen reduziert bzw. gering hält [4], [9].
Histaminunverträglichkeit
Histamin ist das biogene Amin, das in der höchsten Konzentration in Lebensmitteln zu finden ist [4]. Histamin wird aber auch endogen gebildet. Es wird in Mastzellen und basophilen Immunzellen gespeichert und ist ein wichtiger Mediator IgE-, aber auch nicht-IgE-abhängiger Reaktionen [44]. Histaminunverträglichkeit wird symptomatisch deutlich, wenn die Histaminbildung bzw. Aufnahme des Histamins über die Nahrung die Abbaurate überwiegt. Ursache kann eine verminderte Aktivität des abbauenden Enzyms, der Diaminoxidase, sein [12], [16]. Die Enzymaktivität kann genetisch beeinflusst sein, wird aber auch durch Alkohol, Medikamente sowie das Vorkommen von entzündlichen Darmerkrankungen beeinflusst [16], [30]. Diese Faktoren müssen bei einer Histaminunverträglichkeit genauso berücksichtigt werden wie die orale Zufuhr über Lebensmittel [6].
Die typischen Symptome gleichen denen einer IgE-vermittelten allergischen Reaktion (Hautrötungen, Juckreiz, Übelkeit, Blähungen = häufigstes Symptom, Diarrhö, Blutdruckabfall, Schwindel oder Tachykardie) [16], [30], [38]. Inzwischen deuten Studien darauf hin, dass auch das Mikrobiom einen Einfluss haben könnte: Einzelne Bakterienstämme bilden signifikante Mengen Histamin im Darm, und ein Vergleich des Mikrobioms zwischen Menschen mit und ohne Histaminunverträglichkeit zeigte eine veränderte Alpha-Diversität in der Gruppe mit Histaminunverträglichkeit sowie höhere Mengen Zonulin im Stuhl, was ein Hinweis auf eine veränderte Darmbarriere sein kann [16], [33].
Bei Histaminunverträglichkeit ist eine 3-stufige Ernährungsumstellung empfehlenswert: Sie beginnt mit einer ca. 2-wöchigen Karenzphase mit Ernährungsumstellung auf Lebensmittel mit niedrigem Histamingehalt. [ Tab. 4 ] gibt einen Überblick über besonders histaminarme und potenziell -reiche Lebensmittel. Danach folgt eine Testphase mit einer Erweiterung der Nahrungsmittelauswahl und der Wiedereinführung verdächtiger Lebensmittel. Hier soll die individuelle Toleranz einzelner Lebensmittel, unter Berücksichtigung individueller Einflussfaktoren (Medikamente, Stress etc.), ermittelt werden. Dem folgt eine Dauerphase, die individuelle Ernährungsempfehlungen enthält und das Ziel hat, eine dauerhafte bedarfsdeckende Nährstoffzufuhr zu sichern [16], [30]. Die Aktivität des histaminabbauenden Enzyms der Diaminoxidase hängt auch von Kupfer, Vitamin C und Vitamin B6 ab. Unter Berücksichtigung des Ernährungsstatus des Patienten kann eine Supplementation mit diesen Vitaminen und Spurenelementen unterstützend in Betracht gezogen werden [16].
Lebensmittel mit geringem Histamingehalt | Lebensmittel mit hohem Histamingehalt |
Wasser, Tee Brot, Gebäck, Kartoffeln, Reis, Nudeln, Getreide, Hirse, Buchweizen, Mais Milch, Joghurt, Frischkäse Salat, Gurke Gemüse (vorzugsweise gegart): Artischocke, Blumenkohl, Brokkoli, Chicorée, Karotte, Kürbis, Zucchini Apfel, Birne, Kirsche, Pfirsich, Aprikose, Wassermelone, Heidelbeeren Gewürze, Kräuter Pflanzenöl, Butter, Margarine frisches oder sofort gefrorenes Fleisch frischer oder sofort gefrorener Fisch: Kabeljau/Seelachs, Forelle, Zander, Heilbutt | Fleisch: Wurstwaren, Salami, luftgetrocknetes Fleisch und Schinken Fisch: getrockneter und gesalzener Fisch wie Hering, Thunfisch, Makrele, Anchovis, Fischsoßen Käse: alle Sorten Weichkäse, Hartkäse, Blauschimmelkäse Gemüse: fermentiertes Gemüse wie Sauerkraut; Kohlsorten, Aubergine, Avocado, Paprika, Spinat, Rettich, Tomaten, Tomatensoßen und Ketchup Getränke und Spirituosen: Rotwein, Bier, Champagner, Whiskey, Cognac Essig |
Schlussfolgerung
Lebensmittel sollen den Menschen ernähren, können beim Verzehr aber durchaus nachteilige Wirkungen haben. Dies wirkt sehr verunsichernd auf den Betroffenen und führt nicht selten zu unerwünschtem einseitigen Ernährungsverhalten, unter Vermeidung ganzer Lebensmittelgruppen. Unter den nicht immunologisch bedingten Überempfindlichkeiten verbergen sich Intoleranzen, Malabsorptionen bis hin zu Pseudoallergien, deren Symptome unspezifisch sind und die zeitlich verzögert auftreten und damit nicht eindeutig zuordenbar sein können.
Wichtig für die Ernährungstherapie ist eine sichere Diagnose der Überempfindlichkeit. Meist ist eine Reduktion der Zufuhr der auslösenden Stoffgruppe bzw. der entsprechenden Lebensmittel angeraten. Eine strikte Karenz ist meist nicht erforderlich und auch nicht sinnvoll, vielmehr sollte im Rahmen einer Ernährungstherapie die individuelle Toleranzschwelle ermittelt werden. Dies kann eine vollwertige Ernährung bei Symptomfreiheit und bestmöglicher Lebensqualität ermöglichen.
Autorin
Prof. Dr. oec. troph. Petra Römmele
Ökotrophologin
Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
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