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Regelmäßig eine Portion Nüsse: Sie liefern viele ungesättigte Fettsäuren und gelten als wirksamer Schutzfaktor für die Nervenzellen und das Herz-Kreislauf-System.
In Deutschland leiden viele Senior*innen unter Mangelzuständen in der Ernährung. Mit einem altersgerechten Speiseplan ließe sich dieser Problematik begegnen. Dabei können Nüsse eine wesentliche Rolle spielen:
- Nüsse sind eine ergiebige Mineral- und Vitaminquelle.
- Sie eignen sich laut Studienlage zur Vorbeuge alterstypischer Erkrankungen wie Hirnleistungsstörungen, Diabetes und Bluthochdruck.
- Nüsse visieren auch ein Funktionsdefizit im Alter an, das wesentlich zur Mangelernährung beiträgt: den Verlust von Geschmack und Appetit.
Schaut man in gängige Ernährungsratgeber für Senior*innen, findet man dort Quark, Kartoffeln, Obst, Gemüse und Fisch, aber nur selten die Nuss. Was möglicherweise daran liegt, dass sie geradezu als Synonym für „knackig“ und „bissfest“ gilt, was den Kaufähigkeiten eines Seniors zu widersprechen scheint. Tatsache ist jedoch, dass gerade er von Nüssen im Speiseplan profitieren würde. Denn sie enthalten – im Unterschied zu „saftigen“ Obstsorten wie Kirsche oder Apfel – nur wenig Wasser, was sie nicht nur länger haltbar macht, sondern auch die Konzentration vieler Vitamine und Mineralien nach oben treibt. Das macht sie zu einer ernsthaften Alternative zu den Nahrungsergänzungen, die gerade von Senior*innen – meist ohne Abstimmung mit dem Arzt – in großen Mengen konsumiert werden.
Ergiebige Vitamin- und Mineralquellen
So enthalten Nüsse überdurchschnittlich viel Vitamin E sowie große Mengen der bei Senior*innen oft defizitären B-Vitamine [1]. Spitzenreiter beim Riboflavin (Vitamin B 2) sind die Mandeln. Bei Folsäure und Pyridoxin fallen eher Wal- und Haselnüsse auf. Interessanterweise geht es mit diesen Werten auch nach dem Verarbeiten, beispielsweise nach dem Rösten, kaum bergab. Für die meistens hitzeempfindlichen B-Vitamine ist das ziemlich überraschend, doch offenbar werden sie durch die Schalen und Begleitstoffe der Nuss ausreichend stabilisiert. Laut einer indischen Studie hat Niacin (Vitamin B 3) beispielsweise in einer Erdnuss selbst nach dem Rösten noch eine Bioverfügbarkeit von fast 90 Prozent [2].
An der Sahmyook University in Seoul [3] bestätigten sich die Nüsse als ergiebige E- und B-Vitamin-Quelle. Zudem fielen Pistazien mit 8,9 mg/100 g und Pinienkerne mit 6,6 mg/ 100 g durch hohe Eisenwerte auf, die deutlich über dem Niveau von Schweinefleisch liegen, dessen Eisen für den Organismus allerdings besser verwertbar ist. Pistazien schnitten mit durchschnittlich 6,7 mg/100 g auch beim Zink am besten ab, während beim Kupfer die Walnuss (2,5 mg/100 g) dominierte.
Ungesättigte Fettsäuren und Polyphenole
Dass die Nuss viele ungesättigte Fettsäuren liefert, ist schon länger bekannt. Sie gelten wirksamer Schutzfaktor für die Nervenzellen sowie das Herz-Kreislauf-System.
Auch Polyphenole sind in Nüssen enthalten: Sie schützen das Blutgefäßsystem und bestimmte Hirnareale, wie etwa den für die Gedächtnisleistung besonders wichtigen Hippocampus, vor oxidativen Schäden.
Besonders auffällig ist in dieser Hinsicht – mit 1,5 bis 2,5 Milligramm auf 100 Gramm – die Walnuss. Sie enthält damit deutlich mehr Polyphenole als Rotwein, Apfelsaft und Schokolade, die weithin als „Polyphenol-Bomben“ gehandelt werden [4].
Nüsse als Schutz vor Altersbeschwerden
Diverse Studien geben zumindest deutliche Hinweise darauf, dass die hohen Nährstoffwerte der Nuss nicht nur von theoretischem Wert sind. Sie bauen auch einen Schutz vor typischen Altersbeschwerden auf, z.B. bei Hirnfunktionsstörungen.
Pakistanische Wissenschaftler*innen entdeckten im Experiment an Ratten, das Mandeln den Botenstoffwechsel anregen und mehr Acetylcholin im Gehirn kursieren lassen [5]. Die Nager zeigten außerdem deutlich bessere Ergebnisse in Gedächtnistests, wenn man ihnen 4 Wochen eine Mandel-Diät kredenzt hatte.
In einer aktuellen Übersichtsarbeit haben Forschende der iranischen Mashhad University of Medical Sciences zusammengetragen, inwieweit der Verzehr von Walnüssen einen neuroprotektiven Effekt für menschliche Gehirne hat [6]. Demnach dämpfen sie dort den oxidativen Stress, die entzündlichen Prozesse und die Bildung der berüchtigten Amyloid-Plaques. Umgekehrt entfalten diverse Botenstoffe eine bessere Aktivität.
Die Forschenden zitieren außerdem eine originelle Studie der US-amerikanischen Andrews University: Darin konnten die Proband*innen nach einer 8-wöchigen Walnussdiät eine unvollständige Geschichte deutlich besser und schlüssiger weiterspinnen als eine Kontrollgruppe, der man Bananenbrot serviert hatte [7]. Die Dosis lag bei einer halben Tasse zerkleinerter Walnüsse pro Tag, was sich problemlos im Alltag problemlos integrieren lässt.
Es wäre durchaus ein Experiment wert, ob man mit dieser knackigen Erweiterung des Speiseplans besser das Ende des Krimis erraten kann als mit Chips und Bier.
Gute Hirngesundheit bei regelmäßigen Nussessern
Dass regelmäßige Nussesser*innen insgesamt durch gute Hirngesundheit auffallen, zeigt eine Untersuchung des Brigham and Women's Hospitals in Boston [8]. Das amerikanische Forscherteam begleitete 6 Jahre lang rund 15.000 über 70-jährige Frauen. In Interviews wurden ihre Ernährungsgewohnheiten, Gesundheitsdaten und auch die kognitiven Fähigkeiten abgeklopft. Die Probandinnen unterzogen sich dazu unterschiedlichen Tests zu Gedächtnis und Aufmerksamkeit. Es zeigte sich:
- Die Frauen, die mindestens 5 Nussportionen pro Woche verzehrten, nahmen seltener Antidepressiva ein und zeigten ein höheres kognitives Leistungsvermögen.
- Sie litten zudem seltener unter Bluthochdruck und Übergewicht, rauchten weniger und bewegten sich mehr, was ihren Gehirnen vermutlich auch gut getan haben dürfte.
Möglich also, dass der fleißige Nussverzehr dem Gehirn nicht direkt nützt, sondern indirekt. Beispielsweise durch seinen günstigen Einfluss auf die Blutgefäße. Denn sie enthalten einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, deren senkende Effekte auf das Blutcholesterin schon länger bekannt sind. Hinzu kommen diverse andere Inhaltstoffe, die ebenfalls Einfluss auf den Blutfettspiegel nehmen, wie etwa Phytosterole und Vitamin E.
Ein Forscherteam der Tufts University in Boston hat kürzlich 61 Studien für eine Meta-Analyse ausgewertet: Demnach senken 28,4 g Nüsse pro Tag den totalen Cholesterinwert durchschnittlich um 4,7 mg/dl und den LDL-Cholesterinwert um 4,8 mg/dl, bei einer Anwendungsdauer von 3 bis 26 Wochen [9].
Günstig für Appetit und Geschmack
Dass die Senior*innen den Appetit an Nüssen verlieren werden, ist nicht zu befürchten. Denn im Unterschied zu Nahrungsergänzungen entfalten Nüsse offenbar auch eine kulinarische Überzeugungskraft. Ihr Geschmack ist kräftig und nachhaltig, führt zu keinen abstumpfenden Gewöhnungseffekten.
An der University of Otago (Neuseeland) verabreichte man 48 Testpersonen einen Monat lang täglich 30 Gramm Haselnüsse, und zwar entweder gemahlen, geschnitten oder als ganze Stücke. Die Studie [10] war im Crossover-Design aufgebaut, das heißt, jede*r Proband*in musste hintereinander alle 3 Diäten durchführen. Zwischendurch gab es lediglich eine 2-wöchige Wash-out-Phase, in denen man auf Nüsse verzichten durfte. Dann ging es weiter zur nächsten Nusskur. Insgesamt dauerte die Haselnuss-Studie also 4 Monate.
Trotzdem verloren die Proband*innen keineswegs ihre Lust auf Haselnüsse. Im Gegenteil. Ihre Compliance, also ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit, lag durchweg bei fast 100 Prozent. In einer Fragebogenaktion stellte sich außerdem heraus, „dass sich ihr Bedürfnis nach Nüssen nicht abschwächte, obwohl sie ja immerhin 3 Monate täglich davon aßen“.
Selbst lange Haselnussdiäten verderben also den Konsument*innen nicht den Geschmack, und das ist keinesfalls selbstverständlich. So verloren in anderen Tests herzhafte Nahrungsmittel wie Hühnersuppe und Fleischgerichte deutlich an Attraktivität, wenn sie den Proband*innen monatelang täglich vorgesetzt wurden. Das australisch-neuseeländische Forscherteam kommt daher zu dem Schluss, „dass Nüsse geschmacklich eine Resistenz gegenüber Monotonie besitzen.“
Das gilt übrigens nicht nur für Haselnüsse: Forschende der US-amerikanischen Purdue University bestätigen eine ähnliche Appetitstabilität auch für Mandeln, Macadamia, Erdnüsse, Pistazien sowie Wal- und Pekannüsse. Denn auch sie bewährten sich in längeren Studien am Menschen, ohne dass es zu einem sonderlichen Widerwillen gegen sie gekommen wäre. Die Wissenschaftler*innen beobachteten die gleiche Appetitstabilität bei Testpersonen, die 19 Wochen lang auf Erdnuss-Diät gesetzt wurden [11].
- vgl. US Department of Agriculture National Nutrient Database for Standard Reference. Release 23, 2010
- Chaturvedi A. Bioavailability of niacin from processed groundnuts. J Nutr Sci Vitaminol 1986; 32: 327-334
- Keun Hee Chung et al. Chemical composition of nuts and seeds sold in Korea. Nutr Res Pract 2013;7(2): 82-88
- Sánchez-González C et al. Health benefits of walnut polyphenols: An exploration beyond their lipid Profile. Crit Rev Food Sci Nutr 2017; 57(16): 5 3373-3383
- Batool Z et al. Repeated administration of almonds increases brain acetylcholine levels and enhances memory function in healthy rats while attenuates memory deficits in animal model of amnesia. Brain Res Bull 2016; doi: 10.1016/j.brainresbull.2015.11.001
- Rhabardar M et al. Neuroprotective effects of walnut (Juglans regia L.) in nervous system disorders: A comprehensive review. Iran J Basic Med Sci 2024; 27(12): 1492-1505
- Pribis P et al. Effects of walnut consumption on cognitive performance in young adults. British Journal of Nutrition 2011; doi: 10.1017/50007114511004302
- O’Brian J et al. Long-term intake of nuts in relation to cognitive function in older women. J Nutr Health Aging 2014; doi: 10.1007/s12603-014-0014-6
- Del Gobbo C et al. Effects of tree nuts on blood lipids, apolipoproteins, and blood pressure: systematic review, meta-analysis, and dose-response of 61 controlled intervention trials. Am J Clin Nutr 2015;102(6):1347-56. doi: 10.3945/ajcn.115.110965
- Tey SL et al. Current guidelines for nut consumption are achievable and sustainable: a hazelnut intervention. Br J Nutr 2011; doi: 10.1017/80007114510005283
- Tan SY et al. A review of the effects of nuts on appetite, food intake, metabolism, and body weight. Am J Clin Nutr 2014; 100 Suppl 1:412S-22S
Autor
Jörg Zittlau arbeitet als freier Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Ernährung, Medizin und Psychologie. Zusammen mit dem Tübinger Hirnforscher Niels Birbaumer schrieb er „Dein Gehirn weiß mehr, als du denkst“, es wurde 2015 zum „Wissenschaftsbuch des Jahres“ gewählt.
Dr. phil Jörg Zittlau
www.joergzittlau.de
joerg.zittlau@gmail.com