RückenbeschwerdenDie Alexander-Technik bei chronischen Rückenschmerzen

Die Alexander-Technik ist eine ganzheitliche Methode zur Schulung von Körperwahrnehmung und Bewegungskoordination. Sie hilft, muskuläre Verspannungen zu lösen und Rückenschmerzen zu reduzieren.

Inhalt
Frau sitzt am Schreibtisch mit Rückenschmerzen.
sebra/stock.adobe.com - Stockphoto. Posed by a Model.

Die Alexander-Technik ist eine pädagogische Methode, keine Therapie – Ziel ist eine natürlich Aufrichtung und Koordination.

Kurz gefasst

Menschen mit Rückenschmerzen können von der Alexander-Technik profitieren. Sie lernen dabei Innehalten und eine bewusste Neuausrichtung. In dieser Weise finden sie zu einer natürlichen Aufrichtung. Grundsätzlich gilt: Das Natürliche ist in der Regel das Richtige. Dies auszuführen, ist jedoch häufig eine Herausforderung. Eine Studie aus England zeigt Effekte dieser pädagogischen Methode bei Schmerzpatienten.

Hintergrund

„Wenn wir aufhören, das Falsche zu tun, geschieht das Richtige von ganz allein“ – Dieser Satz stammt von F. M. Alexander, dem Begründer der Alexander-Technik. So einfach er klingt, so weitreichend sind seine Implikationen und so schwer ist es, diesem Ratschlag zu folgen. Warum ist das so? Was ist das „Falsche“, auf das Alexander anspielt, was ist das „Richtige“? Und was hat all das mit Rückenschmerzen und unserer inneren Einstellung zu tun? Diesen Fragen geht der folgende Beitrag nach.

Die Alexander-Technik ist keine Therapie. Sie ist eine pädagogische Methode mit therapeutischen Effekten. Menschen kommen mit einem Anliegen zur Alexander-Technik: Manchmal sind es Nackenschmerzen, manchmal Stimmprobleme, manchmal chronische Verspannungen, hervorgerufen durch das Spielen eines Musikinstruments – und nicht selten sind es Rückenprobleme.

Was immer es ist, der Unterricht beginnt damit zu verstehen, was das „Falsche“ ist und was das „Richtige“. Mit diesem Verstehen, das weniger ein intellektuelles ist als ein auf Erfahrung gegründetes Begreifen, wächst das Vermögen, das ungünstige „Falsche“ zu lassen und das Günstige ungestört geschehen zu lassen. Dies Günstige ist zugleich das Natürliche. Deshalb geschieht es und muss nicht „gemacht“ werden.

Hierin liegt eine der Schwierigkeiten, denen wir beim Erlernen der Alexander-Technik begegnen. Marjory Barlow, die Nichte Alexanders, beschrieb die Arbeit ihres Onkels mit dem Satz: „It’s simple, but not easy“ – also einfach, aber nicht leicht umzusetzen.

Alexanders Entdeckung

„Simple, but not easy“, vermutlich hat niemand dies so eindringlich erfahren wie Alexander selbst. F. M. Alexander (1869–1955) wuchs auf in Tasmanien, einem Land der Pioniere. Als ein unbequemer Schüler wird er geschildert, der gerne den Dingen auf den Grund ging, als ein Schüler, der fragte, wenn andere nur nickten. Neben dem Forscher- und Pioniergeist trieb ihn seine Liebe zur Bühne, als er 1889 nach Melbourne ging. Rezitator wollte er werden, das war sein Traum. Doch gerade, als sich dieser Traum zu erfüllen schien, stellten sich Alexander scheinbar unüberwindliche Hindernisse in den Weg. Er wurde zunehmend von Heiserkeit auf der Bühne geplagt. Nichts schien zu helfen, außer die Stimme konsequent zu schonen und tagelang nicht zu sprechen.

Auf der Suche nach einer Lösung zog Alexander sich zurück und begann sich mithilfe dreier Spiegel genau beim Sprechen zu beobachten. Wochenlanges Experimentieren zeigte ihm, dass er vor allem beim Rezitieren den Hals anspannte, den Kopf nach hinten zog und seinen Körper als Ganzes zusammenzog.

Erfreut über diese Entdeckung, vermutete er die Ursache für seine Heiserkeit gefunden zu haben, stellte aber bald schon fest, dass er das beobachtete Spannungsmuster nicht grundlegend verändern konnte, selbst die Position des Kopfes änderte sich beim Sprechen, ohne dass er anfangs Einfluss darauf nehmen konnte.

Er stand vor einem grundlegenden Problem, und grundlegend war seine Lösung, der er sich im Laufe einiger Monate Stück für Stück annäherte. Sein Rezitieren war ein unbewusstes Reagieren auf seinen Wunsch zu sprechen. Solange er diesem Wunsch folgte, hatte er kaum Einfluss auf die entstehende Reaktion.

Es ist einfach, aber nicht leicht.

Daher lernte Alexander mit der Zeit das Innehalten, er lernte, auf den Reiz zu sprechen zunächst einmal nicht zu reagieren. In dem Raum, der sich dadurch auftat, übte er sich darin, seinen Körper bewusst auszurichten. Diese Ausrichtung war einfach das Gegenteil dessen, was er anfangs beim Sprechen im Spiegel gesehen hatte.

  • Er hatte beobachtet, dass er den Hals anspannte – also dachte er: „Hals frei.“
  • Er hatte beobachtet, dass er den Kopf nach hinten und unten zog – also dachte er: „Kopf nach vorn und oben.“
  • Er hatte beobachtet, dass er den Rücken zusammenzog – also dachte er: „Rücken lang und weit.“

Diese Direktiven (Anweisungen) stehen in einem Zusammenhang, der manchmal so formuliert wird: „Der Hals ist frei, damit der Kopf nach vorne und oben gehen kann, damit der Rücken lang und weit sein kann.“

Doch selbst diese Zusammenfassung der 3 Anweisungen stellt eine starke Vereinfachung der bewussten Ausrichtung dar, die Alexander bei seinen Experimenten gefunden hatte und die der Alexander-Lehrer heute im Unterricht mit seinen Händen vermittelt.

Natürliches Geschehen

Das Besondere an Alexanders Vorgehen war, dass er keine Stimmübungen machte. Er tat nichts, um sein Sprechen in aktiver Weise zu beeinflussen. Vielmehr lernte er durch sein Vorgehen nach und nach, das Störende zu lassen, damit ein natürliches Geschehen – sein Sprechen – ungestört ablaufen konnte. Als das störende Zusammenziehen von Hals und Rücken nicht mehr auftrat, war auch Alexanders Heiserkeit verschwunden.

Zu seiner eigenen Überraschung stellte er fest, dass nicht nur sein Spannungsmuster, sondern auch sein Vorgehen exemplarischen Charakter hatte: Er sah, dass viele Menschen den Kopf nach hinten und unten zogen und dass dieses Muster nicht nur beim Sprechen auftrat, sondern bei unzähligen Gelegenheiten, vor allem dann, wenn sich Menschen anstrengen oder etwas gut machen wollen.

Wie bei seinem Experimentieren vor den 3 Spiegeln erkannte er, dass viele natürliche Abläufe unseres Körpers durch solche Muster gestört werden. Hatte ihm beim eigenen Experimentieren seine Stimme gezeigt, ob er auf dem richtigen Weg war, so diente ihm bald der Atem als Richtschnur, an der er sich orientierte.

Nähe zur Medizin

Alexander begann als Stimm- und Atemlehrer zu arbeiten und traf damit den Nerv einer Zeit, in der man durch Atemübungen versuchte, Lungenerkrankungen wie Tuberkulose vorzubeugen, die vor dem Einsatz von Penicillin Anfang der 40er-Jahre kaum heilbar waren. Ärzte wurden auf seine Unterrichtsmethode aufmerksam und schickten ihm ihre Patienten. Eine Entwicklung, die sehr zur Verbreitung der Alexander-Technik beigetragen, allerdings auch zu Missverständnissen geführt hat. Denn – wie eingangs bereits erwähnt – Alexander-Technik ist eine pädagogische Methode, keine Therapie.

1904 reiste Alexander mit Empfehlungsschreiben australischer Ärzte nach London, von wo aus Alexanders Methode die Reise um die Welt fortsetzte. Alexander selbst brachte sie in die USA, später erreichte sie Israel und den europäischen Kontinent. Heute gibt es Ausbildungsschulen für Alexander-Lehrer in vielen Ländern Europas, in Amerika, Australien, Israel und Japan.

Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts sah Alexander seine Methode als eine Hilfe für eine Vielzahl von Erkrankungen. Sein Unterrichten, das für einen neuen Schüler nicht anders als mit einem täglichen Unterricht von 30 Minuten begann, führte zu einer umfassenden Verbesserung der Gesamtverfassung eines Menschen. Berühmte Schüler wie die Schriftsteller Aldous Huxley und George Bernard Shaw sowie der amerikanische Philosoph John Dewey haben diese grundlegende Veränderung am eigenen Leib erfahren. Vor allem Huxley und Dewey haben über die Methode geschrieben. Viele andere haben über ihr Erleben während der dreißig Unterrichtsstunden, die sie von Alexander über einen Zeitraum von 6 Wochen erhielten, geschrieben.

Wer solche Zeugnisse liest, den wundert es nicht, dass selbst chronische Rückenschmerzen im Zuge dieses Unterrichts verschwanden. Verwundern mag es hingegen, dass selbst deutlich weniger Unterricht zu spürbarer Linderung von Rückenproblemen führt.

Wirksamkeit von Alexander-Technik bei chronischen Rückenschmerzen

In den Jahren 2002–2004 wurde in England eine Studie mit 579 Patienten durchgeführt, die unter chronischen (bzw. rezidiven lumbalen) Rückenschmerzen litten. Die Ergebnisse wurden im British Medical Journal veröffentlicht [1].

Die 579 Teilnehmer der Studie wurden in 4 etwa gleich große Gruppen eingeteilt:

  • Die Kontrollgruppe bekam die übliche medizinische Behandlung.
  • Eine Gruppe bekam 24 Alexander-Technik-Stunden.
  • Eine Gruppe bekam 6 Alexander-Technik-Stunden.
  • Eine Gruppe bekam 6 klassische Massage-Einheiten.

Je die Hälfte der Teilnehmer jeder Gruppe bekam zusätzlich ein Bewegungsprogramm mit individueller Beratung.

Nach einem Jahr wurde in den 4 Gruppen Folgendes festgestellt:

  • keine signifikante Veränderung in der Kontrollgruppe
  • Die 24 Stunden Alexander-Technik hatten die größte Wirkung: eine Verringerung der Schmerztage um 86 % und eine Verminderung der Tätigkeitseinschränkung um 42 %. Ein zusätzliches Bewegungsprogramm ergab keine weitere Verbesserung.
  • Die 6 Stunden Alexander-Technik kombiniert mit dem Bewegungsprogramm ergaben 72 % der Wirkung, die durch 24 Stunden Alexander-Technik erreicht wurden.
  • Die 6 Massage-Einheiten kombiniert mit dem Bewegungsprogramm ergaben eine Reduzierung der Schmerztage um 33 %, jedoch keine Verbesserung bei der Tätigkeitseinschränkung.

Paul Little, der Leiter des Forscherteams der Universität Southampton, kam zu dem Schluss: „Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Alexander-Technik Rückenschmerzen lindern kann. Dem Anschein nach geschieht dies durch eine Verringerung der Muskelspannung, Stärkung der Aufrichtungsmuskulatur, verbesserte Koordination und Beweglichkeit sowie Druckentlastung der Bandscheiben. Für die Patienten bedeutet es, dass sie in ihren Aktivitäten oder Aufgaben weniger durch Schmerzen eingeschränkt sind“ [1].

Stütz- oder Aufrichtungsmuskulatur

Das Studienergebnis liefert wichtige Anhaltspunkte, die zu verstehen helfen, warum der eingangs zitierte Satz Alexanders die Wirkungsweise seiner Methode bei Rückenproblemen erklärt. Das „Richtige“, von dem Alexander spricht, ist das Ungestörte, Natürliche. Es ist ein „natürliches Geschehen“, das genau dann ablaufen kann, wenn es nicht gestört wird.

Die natürliche Aufrichtung im Sinne der Alexander-Technik geschieht wie folgt:

Balanciert der Kopf ungestört auf dem Kopfgelenk, so hat der Kopf eine Neigung, nach vorn zu fallen. Dieses Übergewicht regt, wenn der Kopf nicht festgehalten wird, in der tiefen Nackenmuskulatur (Musculi suboccipitalis) eine leichte Dehnung an. Alexander war die ungestörte Balance des Kopfes so wichtig, dass er in diesem Zusammenhang von „Primärkontrolle“ sprach. Zusammen mit einer winzigen Neigung des gesamten Oberkörpers, nach vorn zu fallen, regt diese leichte Dehnung der tiefen Nackenmuskulatur ein reflexartiges Geschehen im Rücken an, das die an der Wirbelsäule verlaufende tiefe Rückenmuskulatur aktiviert.

Interessanterweise kann diese Stützmuskulatur nicht direkt durch das Wollen angeregt werden. Ihr Arbeiten ist die natürliche Antwort auf die Schwerkraft.

Betrachten wir noch einmal den Satz: „Wenn wir aufhören, das Falsche zu tun, geschieht das Richtige von ganz allein.“ Seine Bedeutung im Fall der Aufrichtung wird jetzt klar.

Das Falsche, das die natürliche Aufrichtung verhindert, besteht vor allem aus 3 Anteilen:

  • einem Anspannen und Zusammenziehen des Rückens, auch wenn es in der Absicht, gerade sein zu wollen, geschieht,
  • einem Nach-hinten-Lehnen des Oberkörpers, oftmals hervorgerufen durch den Versuch, locker zu stehen, und
  • einem Nach-hinten-Ziehen des Kopfes, das die „Primärkontrolle“ und damit viele reflexartige Abläufe im Körper stört.

Aufgrund der genannten Störungen kann der Körper die Schwerkraft nicht mehr in natürlicher Weise erfahren. Durch die Spannungen, die beim bewussten Versuch entstehen, aufrecht zu sein, steckt er in einem Korsett.

Nur eine Verringerung von störender Muskelspannung und ein Beenden des Nach-hinten-geneigt-Seins ermöglicht es dem Körper, in natürlicher Weise mit der Schwerkraft zu spielen.

Leichtigkeit lernen

Der letzte Abschnitt schloss mit dem Wort „spielen“. Wer denkt schon beim Aufrecht-Sein an Spielen? Viele von uns haben in ihrer Kindheit Aufforderungen wie „Sitz doch mal gerade!“ gehört. Mit Spielen hat das nichts zu tun, oder?

Eine erzwungene Aufrichtung hat wahrlich damit nichts zu tun. Sie ist das Gegenteil, führt zu Anspannungen und nicht selten zu Rückenschmerzen.

Eine natürliche Aufrichtung, die über die ermüdungsfrei arbeitende Stützmuskulatur geschieht, fühlt sich hingegen leicht und mühelos an. Sie hat etwas so Feines und Spielerisches, dass sie den ganzen Menschen in einen anderen Zustand versetzt. „Leichtigkeit lernen“ ist eine gerne verwendete Formel, um die Arbeitsweise der Alexander-Technik zu beschreiben. Sie verdeutlicht, worum es dabei geht: Es gilt etwas zu lernen, was wir über Jahrzehnte verlernt haben, nämlich Leichtigkeit.

Eigentlich müsste es heißen „Leichtigkeit wieder lernen“, denn die Leichtigkeit, um die es geht, ist die Leichtigkeit, die sich bei kleinen Kindern beobachten lässt und auch bei wilden Tieren. Es ist etwas, das wir alle einmal hatten, aber im Laufe der Jahre verloren haben. Leichtigkeit ist also das Ziel, aber Leichtigkeit ist in gewissem Sinne auch der Weg.

Kopfbalance

Ein schönes Beispiel dafür ist die Kopfbalance. In dem Moment, da wir darüber lesen und denken, dass mit unserer Kopfbalance etwas nicht stimmt, haben wir uns fast schon verirrt. Wer sich dann noch bemüht, die Anweisungen „Hals frei, Kopf nach vorn und oben“ zu befolgen, wird vermutlich erleben, dass sein Hals fest wird und er sich unwohl fühlt.

Erinnern wir uns: „It’s simple, but not easy.“ – Was ist da los?

Das Vorgehen in der Alexander-Technik wird oft als indirekt beschrieben. Ein solches Vorgehen hat einen guten Grund. Beim direkten Vorgehen (die Kopfhaltung zu verbessern) geraten wir ins Tun, oft ohne es zu bemerken.

Wie sieht nun aber das indirekte Vorgehen in diesem Fall aus?

Zunächst einmal ist es wichtig, nichts verändern zu wollen. Ein offenes, interessiertes Schauen in die Umgebung bietet dafür eine gute Grundlage. Als Nächstes können wir untersuchen, wo eigentlich unser Kopfgelenk ist, die Stelle also, auf der der Kopf auf dem oberen Halswirbel (dem Atlas) balanciert. Die meisten Menschen, die ich frage, vermuten ihr Kopfgelenk zu weit hinten und unten.

Hier einige Hinweise für die richtige Vorstellung:

  • Das Kopfgelenk befindet sich auf Höhe der Nasenspitze.
  • Hinter jedem Ohrläppchen lässt sich ein nach unten spitz zulaufender Knochen (der Processus mastoideus) tasten. Genau zwischen der vorderen unteren Kante dieser Knochen sitzt der Kopf mit 2 daumennagelgroßen Flächen auf dem oberen Halswirbel.
  • Weil das Kopfgelenk so weit vorn und oben ist, ist hinter der Halswirbelsäule viel Raum im Hals. Diesen Raum können wir uns offen und weit vorstellen.

Nicht-Tun

Diese ersten Hinweise zu Alexanders „Primärkontrolle“ waren eine Annäherung an die Alexander-Welt. Wie wir gesehen haben, erfordert das Arbeiten mit der Alexander-Technik ein indirektes und auch ein spielerisches Vorgehen. Unsere Neigung, etwas zu wollen und dann zu viel zu tun, ist einfach zu groß.

Wir stoßen hier auf eine interessante Parallele zur Lehre vom Tao. Auch hier geht es kurz gesagt darum, das Störende nicht zu tun und das Natürliche ungestört geschehen zu lassen. Im Tao Te King finden sich wunderbare Sprüche, die klingen, als wären sie für die Alexander-Technik geschrieben:

„Der große Weg ist sehr einfach, doch die Menschen lieben die Umwege“ (Spruch 53).

Erinnern wir uns: „It’s simple, but not easy.“ Woran liegt das?

Das Einfache und Natürliche, um das es geht, liegt versteckt unter einem Berg von Gewohnheiten: Gewohnheiten der Haltung, der Bewegung, aber auch Gewohnheiten des Denkens und Handelns. Sich anzustrengen, um Hindernisse zu überwinden, ist eine solche Gewohnheit, die viele Menschen zudem noch als Glaubenssatz verinnerlicht haben: „Wenn ich etwas erreichen will, muss ich mich anstrengen und gegen Widerstände ankämpfen.“ Ein erfahrener Musiker weiß, dass dies nicht stimmt. Jemand, der versucht, durch Wollen und Anspannung aufrechter zu sein, lernt mit der Zeit, wie wenig erfolgreich sein Bemühen ist.

Was hilft?

Innehalten

Alexander hatte zuerst versucht, seine Kopfhaltung beim Sprechen durch aktives Tun zu verbessern. Erst als er lernte, innezuhalten, änderte sich sein Experimentieren grundlegend. Zuvor war er Sklave seiner Gewohnheiten, war ein Gefangener seiner eingeübten Reaktionsmuster. Erst durch Innehalten entstand der Raum, in dem er sich bewusst neu ausrichten konnte.

Das Innehalten, das wir durch Alexander-Technik lernen können, hilft uns zugleich, mehr im Moment zu sein. Es lenkt unsere Aufmerksamkeit von einem Ziel, das in der Zukunft liegt, auf den gegenwärtigen Moment – auf die geeigneten Mittel, durch die sich das Ziel erreichen lässt.

In unserer beschleunigten Welt sind Innehalten und Im-Moment-Sein wichtiger denn je. Glücklicherweise hat sich nicht nur die Alexander-Welt dieses Themas angenommen. Achtsamkeits- und Meditationskurse sind genauso im Aufwind wie die Bücher von Eckhart Tolle und anderen, die sich mit dem Thema beschäftigen.

Innehalten ist so gewinnbringend wie freudespendend. Alexander nannte unsere Art, ohne Innehalten aufs Ziel loszugehen, „Zielstreben“. Und er äußerte bereits in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts: „Das Zielstreben hat solche Ausmaße angenommen, es ist schlimmer als eine Droge.“

Folgen wir seiner Sicht, so könnten wir ergänzen: „Und diese Droge beschert uns manche Probleme, nicht zuletzt Rückenprobleme.“

Unterricht

Alexander-Technik wird vorwiegend im Einzelunterricht vermittelt, meist 1-mal pro Woche. Lehrerinnen und Lehrer führen Menschen durch den Einsatz ihrer Hände aus gewohnten Mustern heraus. Das sind nicht nur körperliche Muster, sondern auch Muster des Wollens und Bemühens. Alexander entwickelte durch seine Erfahrung beim Unterrichten eine ganzheitliche Sicht. Er betonte immer wieder, dass Physisches vom Psychischen nicht zu trennen ist und dass es nur psychophysische Aktivitäten gibt. In diesem Sinne nannte er sein 3. Buch „Der Gebrauch des Selbst“.

Die Berufsverbände in Deutschland, Österreich und der Schweiz führen nach Postleitzahlen geordnete Listen von Alexander-Lehrern, die eine dreijährige Ausbildung von 1600 Stunden durchlaufen haben.

Berufsverbände:

Helmut Rennschuh 
ist gelernter Physiker, Alexander-Lehrer und Hobby-Pianist. Er bildet Lehrerinnen und Lehrer der Alexander-Technik in Leipzig aus. Zu den Themen Alexander-Technik, Präsent-Sein, Nicht-Tun, Zen und Klavierspielen hat er mehrere Bücher verfasst.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

  1. Little P, Lewith G, Webley F. et al Randomised controlled trial of Alexander technique lessons, exercise, and massage (ATEAM) for chronic and recurrent back pain. BMJ 2008; 337: a884