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Trockene Augen gehören zu den häufigen Symptomen beim Sjögren-Syndrom.
Kurz gefasst
Das Sjögren-Syndrom hat sehr verschiedene Facetten. Es kann unterschiedliche Bereiche des Körpers befallen. Leitsymptome sind Xerostomie und Xerophthalmie, die in nahezu allen Fällen auftreten. Deswegen sollten Sie bei therapieresistenten Erkrankungen im Bereich des zentralen Nervensystems, des peripheren Nervensystems, des Gastrointestinaltrakts, Atmungstrakts oder Nieren, die mit Mundtrockenheit einhergehen, differenzialdiagnostisch an ein Sjögren-Syndrom denken.
Eine erfolgversprechende naturheilkundliche Behandlungsstrategie kombiniert verschiedene therapeutische Elemente wie Ernährung, Mikronährstoffe, Ausleitung und anthroposophische Heilmittel im Sinne einer personalisierten Medizin.
Das Sjögren-Syndrom wurde erstmals 1933 in der Dissertation des schwedischen Augenarztes Henrik Sjögren (1899–1986) beschrieben. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen, die in ein primäres bzw. sekundäres Sjögren-Syndrom unterteilt wird. Das primäre Sjögren-Syndrom kommt zwar selten vor, ist aber trotzdem die zweithäufigste entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankung nach der rheumatoiden Arthritis [1]. Das sekundäre Sjögren-Syndrom kann als Komorbidität bereits bestehender Grunderkrankungen wie AIDS, Hepatitis C, Amyloidose, Sarkoidose, Graft-versus-Host-Syndrom, IgG4-assoziierte Erkrankungen (z. B. Autoimmunpankreatitis Typ I) oder anderen Autoimmunerkrankungen auftreten, wie beim systemischen Lupus erythematodes (SLE).
Epidemiologie und Pathophysiologie
In den meisten Fällen sind Frauen im Alter zwischen dem 20. und 60. Lebensjahr betroffen, der Höhepunkt liegt zu Beginn der Wechseljahre, also bei Frauen über 50 Jahren.
Vom primären Sjögren-Syndrom spricht man, wenn es in Form einer Kollagenose mit langsamer Zerstörung exokriner Drüsen auftritt, bei der vor allem Speichel- und Tränendrüsen betroffen sind. Deswegen leiden auch die meisten der betroffenen Patienten unter Xerophthalmie bzw. Xerostomie. Letztere geht in 50 % der Fälle mit einer Parotitis einher. Neben der Trockenheit von Mund und Augen kann es im Rahmen eines primären Sjögren-Syndroms auch zu Beschwerden in anderen Körperregionen kommen. Diese werden durch die für diese Erkrankung typische Trockenheit der Schleimhäute verursacht, weswegen man auch vom „Sicca-Syndrom“ spricht. Bei Beteiligung der Atemwege, dies betrifft etwa 20 % der Fälle, kommt es zu trockenem Husten und belegter Stimme. Ist der Gastrointestinaltrakt betroffen, dann können Schluckstörungen, Sodbrennen, chronisch-atrophische Gastritis mit Übelkeit, Magenschmerzen und allgemeinen Verdauungsstörungen auftreten, was bei etwa 25 % der Betroffenen zu beobachten ist. In selteneren Fällen (bis 10 %) kommt es zu einer Beteiligung der Niere im Sinne einer interstitiellen Nephritis bzw. membranproliferativen Glomerulonephritis. Neben Splenomegalie, Vaskulitiden, Fatigue und sekundärem Raynaud-Syndrom sind 3 Krankheitsbilder für die tägliche Praxis von Bedeutung:
Die Lymphadenitis, die bei etwa 25 % der Betroffenen zu beobachten ist und aus der sich im Krankheitsverlauf ein Non-Hodgkin-Lymphom entwickeln kann – zumindest liegt das Risiko bei Sjögren-Patienten um den Faktor 40 höher als in der Normalbevölkerung.
Myalgien bzw. Arthralgien, die bei etwa der Hälfte der Betroffenen auftreten. Anders als bei der rheumatoiden Arthritis gehen die Gelenkbeschwerden nicht mit Knorpel- bzw. Knochenschädigungen einher.
Bei Befall des ZNS spricht man vom Neuro-Sjögren, der laut einer Studie der Medizinischen Hochschule Hannover sehr viel häufiger vorkommt als allgemein angenommen [2]. Dabei handelt es sich um eine ausgeprägte Polyneuropathie mit massiven motorischen Störungen bzw. Paresen der oberen und unteren Extremitäten, wobei auch Fälle beschrieben wurden, bei denen Tetra- bzw. Paraparesen ohne Parästhesien vorlagen. Zur Differenzialdiagnose zwischen Polyneuropathie und Neuro-Sjögren eignet sich die Bestimmung der des Aquaporin-4-Autoantikörpers im Serum. Er ist sowohl bei Neuro-Sjögren als auch bei NMO-Syndrom (Neuromyelitis-optica-Syndrom) nachweisbar, nicht aber bei Polyneuropathie.
Viren als Auslöser?
Kreuzreaktionen mit verschiedenen Viren werden als Auslöser des Sjögren-Syndroms vermutet, diskutiert werden Coxsackie-Viren bzw. das Epstein-Barr-Virus (EBV). Bei den Coxsackie-Viren besteht eine molekulare Mimikry zwischen einer viralen Peptidesequenz und dem Autoantigen Ro60 kd, das sich auf den B-Zellen befindet [3].
Das EBV befindet sich in der Latenzphase u. a. in den Speicheldrüsen, wobei Sjögren-Patienten dort weitaus größere Mengen viraler DNA als Gesunde aufweisen. Das bedeutet, dass sich bei diesen Betroffenen entweder mengenmäßig viele EBV in den Speicheldrüsen aufhalten oder dass es dort zu häufigeren viralen Reaktivierungen kommt. In jedem Fall zeigt dieser Umstand, dass die T-Zell-Kontrolle in den Speicheldrüsen nicht ausreichend effizient funktioniert [4]. Die Betroffenen exprimieren große Mengen an HLA-DR-Antigenen auf den Oberflächen ihrer epithelialen Speicheldrüsenzellen, auf denen gleichzeitig vermehrt EBV-assoziierte Antigene präsentiert werden. Das ist eine äußerst ungünstige Kombination. Bei Vorliegen einer entsprechenden genetischen Disposition liegt nahe, dass ein Bystander-Effekt bzw. die daraus resultierende Kreuzreaktion mit viraler DNA die perfekte Erklärung für die Rolle des EBV in der Pathogenese des Sjögren-Syndroms ist, zumal fast alle Betroffenen über Trockenheit im Mundbereich klagen [5].
Für die Beteiligung des EBV sprechen aber noch weitere Argumente: die mit dem Sjögren-Syndrom assoziierte Lymphadenopathie bzw. der Übergang in ein Hodgkin-Lymphom, das immerhin bei 4–5 % der Patienten mit primärem Sjögren-Syndrom auftritt (beim Hodgkin-Lymphom wird eine Beteiligung des EBV diskutiert), das Auftreten einer Splenomegalie, die Assoziation des sekundären Sjögren-Syndroms mit anderen Autoimmunerkrankungen, v. a. SLE (hier spielt das EBV ebenfalls eine Hauptrolle), und die bei etwa 80 % der Betroffenen beklagte Fatigue. Letztere ist das mit Abstand häufigste Symptom bei akuten bzw. reaktivierten Infektionen mit EBV. Last but not least sieht man bei Betroffenen mit Sjögren-Syndrom im Lymphozytentransformationstest (LTT-Test) häufig Hinweise auf eine reaktivierte Infektion mit EBV [6].
Naturheilkunde beim Sjögren-Syndrom
Die wichtigsten Ziele einer naturheilkundlichen Therapie sind:
- Stopp der Krankheitsprogression
- Verhinderung weiterer Autoimmunerkrankungen
- Verbesserung der beklagten Beschwerden soweit möglich, was i. d. R. mit einer Regeneration betroffener Gewebe bzw. zellulärer Strukturen einhergeht
Die klassische Schulmedizin behandelt vor allem symptomorientiert (z. B. mit Pilocarpin bei Xerostomie) bzw. immunsupprimierend (z. B. mit Cyclosporin oder MTX). In der Praxis treffe ich immer wieder Menschen, die im Rahmen eines solchen Regimes zwar eine symptomatische Besserung erlebten, bei denen sich aber im Verlauf zur primären Grunderkrankung weitere Autoimmunopathien einstellten. Das bedeutet im Rückschluss, dass die Autoimmunität – als Zeichen eines chronisch dysregulierten Immunsystems – mit diesen Maßnahmen nicht normalisiert werden konnte.
Nach meiner Erfahrung und festen Überzeugung ist zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen eine personalisierte Medizin notwendig, die sowohl eine Restitution des gestörten Immunsystems als auch Kofaktoren des jeweiligen Krankheitsbilds einbezieht, um daraus eine individuelle Therapie abzuleiten. Zu den Basics gehören die Ernährung, die Beseitigung einer möglichen Permeabilitätsstörung der Dünndarmmukosa (Leaky Gut) bzw. einer Dysbiose, die Optimierung des Mikronährstoffstatus und die Behandlung hormoneller Dysbalancen (adrenerge Schwäche bzw. Östradioldominanz).
Autoimmunität und Ernährung
Bei Autoimmunität existiert kein pauschales Ernährungsmodell, das für alle Betroffenen gleichermaßen Allgemeingültigkeit hat. Ich habe in 28 Praxisjahren Menschen mit derselben Indikation kennengelernt, die mit höchst unterschiedlichen und z. T. gegenläufigen Diätmodellen Verbesserungen ihres Gesundheitszustands erreichen konnten.
Wenn bei Patienten mit einem Sjögren-Syndrom IgG-vermittelte Immunreaktionen gegen Lebensmittel nachweisbar sind [7], dann ist eine strikte Karenz für eine Stabilisierung des weiteren Krankheitsverlaufs hilfreich. In den meisten Fällen muss diese individuelle Diät mit einer Behandlung der dahinterliegenden Störung, einem Leaky-Gut-Syndrom (Permeabilitätsstörung der Dünndarmschleimhaut) bzw. einer Schwäche der TReg-Zellen, kombiniert werden. Für Ersteres hat sich in meiner Praxis seit Jahrzehnten das Präparat Colibiogen „Laves“ (3 × 1 Teelöffel unverdünnt 30 min vor dem Essen) bestens bewährt. Eine Funktionsverbesserung der TReg lässt sich mit Propionat, dem Salz der Propionsäure, erreichen (Tagesdosis 1000 mg) oder einer entsprechend hochdosierten Vitamin-D-Therapie.
Liegt nur ein Leaky-Gut-Syndrom vor, ohne dass eine IgG-Immunreaktion beim Patienten nachzuweisen ist, dann ist eine Blutgruppendiät nach D’Adamo nach meiner Erfahrung oft erfolgversprechend. Allerdings sollten bei diesen Betroffenen zusätzlich darauf geachtet werden, dass Brot und Backwaren aus alten Getreidesorten (vornehmlich Dinkel) mit langer Teigruhe gebacken sind, damit bestimmte mukosaschädigende Lektine (z. B. ATI), durch die enzymatischen Prozesse während der Teigruhe zerstört werden.
Gehärtete und gebleichte (Junk-)Fette, wie sie z. B. in frittierter Nahrung vorliegen, sollten wegen der darin enthaltenen hochproblematischen Transfettsäuren gänzlich gemieden werden, da Transfette deutlich proinflammatorisch wirken.
Kofaktoren des Sjögren-Syndroms
Radikale Stickstoffspezies (RNS)
Naive CD4-Zellen von Sjögren-Patienten weisen häufig Polymorphismen bei der Gen-Methylierung auf, die mit einer Limitation des Methylierungszyklus einhergehen [8]. Dies führt in Folge zu 2 Problemen: 1. einer eingeschränkten Gen-Transkription und 2. einer limitierten Kontrolle über radikale Stickstoffspezies (RNS, frühere Bezeichnung „nitrosativer Stress“). Inflammation und ROS bzw. RNS sind über die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFkB eng miteinander verknüpft [9]. Eine Schlüsselrolle bei der Kontrolle über RNS kommt den Cobalaminen zu, allen voran Methylcobalamin [10]. Bei Patienten mit Sjögren-Syndrom findet sich aus diesem Grund häufiger ein absoluter Vitamin-B12-Mangel [11] bzw. eine erhöhte Methylmalonsäure im Serum als Zeichen eines funktionellen Vitamin-B12-Defizits.
In der Praxis setze ich bei diesen Betroffenen initial eine Injektionsserie mit 5000 μg Methylcobalamin bzw. 500 μg 5-Methyltetrafolhydrat 2 × pro Woche über 5 Wochen ein. An den injektionsfreien Tagen und als Nachbehandlung verordne ich einen Vitamin-B-Komplex, bei dem die B-Vitamine in aktiver Form vorliegen, zusätzlich 1000–1500 mg Trimethylglycin (TMG) pro Tag in oraler Form. Damit soll einerseits RNS neutralisiert werden, andererseits liefern sowohl die aktivierte Folsäure als auch das TMG Methylgruppen für den Methylierungszyklus [12].
Bitte beachten Sie: Es geht bei dieser Therapie ausdrücklich nicht um eine Substitution von Vitamin B12, sondern darum, Kontrolle über RNS zu erhalten bzw. den Methylierungszyklus in seiner Funktionalität zu unterstützen. Die wichtigste Kontraindikation (neben einer Allergie gegen die Inhaltsstoffe) ist nach meiner Erfahrung eine akute Belastung mit anorganischem Quecksilber, das meist aus Amalgamfüllungen stammt. Das Methyl-B12 würde in diesem Fall zur Methylierung des Quecksilbers führen, was dessen Giftigkeit potenziert. Zunächst sollte die Quecksilberquelle entfernt bzw. Hydroxocobalamin als B12-Quelle eingesetzt werden, da dieses im Körper zunächst in Glutationylcobalamin als Depotform umgewandelt wird.
In der Praxis sieht man, dass zumindest ein Teil der Betroffenen mit einer Reduzierung der Trockenheitsbeschwerden reagiert, speziell im Mundbereich.
Vitamin-D-Mangel
Wenn Sie Sjögren-Patienten untersuchen, dann werden Sie feststellen, dass die meisten dieser Betroffenen ein zu niedriges Serum-Calcidiol aufweisen. Je niedriger der Vitamin-D-Spiegel, desto aggressiver der Krankheitsverlauf – so meine Erfahrung aus 28 Praxisjahren. Allerdings sehe ich ebenfalls Patienten, die Vitamin D in einer Wochendosis, meist 20 000 IE, einnehmen, und nicht von einem Benefit berichten. Der Grund dafür liegt im freien Vitamin D: Für die Genregulation über die Aktivierung des Vitamin-D-Rezeptors (VDR) in den Zellkernen des adaptiven Immunsystems ist die freie Form von Vitamin D maßgeblich, die in den ersten 24 Stunden nach der Einnahme eines Vitamin-D-Präparats an das Vitamin-D-bindende Protein (VDP) gebunden wird. Diese gebundene Form steht dann primär dem Knochenstoffwechsel zur Verfügung, aber nicht mehr der Immunregulation. Deswegen ist die Verabreichung einer Wochendosis Vitamin D bei Autoimmunität nicht zielführend.
Patienten, die an einer Autoimmunerkrankung wie dem Sjögren-Syndrom leiden, sollten Vitamin D vielmehr täglich einnehmen. Nach meiner Erfahrung liegen die aktuellen Grenzwerte in Deutschland (50–150 nmol/ml bzw. 20–75 ng/ml) zu niedrig, um bei Autoimmunerkrankungen eine Wirkung zu zeigen. Aus diesem Grund setze ich in meiner Praxis seit vielen Jahren Vitamin D in höheren Tagesdosierungen ein (wenigstens 3000–10 000 IE täglich), allerdings unter regelmäßiger Kontrolle der folgenden Laborparameter alle 2 Monate:
- Parathormon
- Kalzium, Phosphat anorganisch, Kreatinin, Harnsäure, Harnstoff, Gesamteiweiß oder Albumin
- Kalzium und Phosphat im 24h-Urin
Die Erfahrung in meiner Praxis ist gut bis sehr gut, vor allem was die Verhinderung der Krankheitsprogredienz und das Auftreten weiterer Autoimmunerkrankungen angeht.
Für eine optimale Wirkung sollten parallel die folgenden Mikronährstoffe substituiert werden:
Magnesium (300–600 mg/d)
→ Alle Hydroxylasen, die am Vitamin-D-Stoffwechsel beteiligt sind, benötigen Magnesium für ihre Funktion!
Vitamin K2MK7 (400 μg/d)
→ Durch eine erhöhte Dosis Vitamin D wird intestinal mehr Kalzium aufgenommen, dessen Verstoffwechselung von Gla-Proteinen gesteuert wird. Ausreichend carboxylierte Gla-Proteine sorgen für die Aufnahme von Kalzium im Knochen und verhindern eine unerwünschte Kalzifikation von Geweben. Diese Carboxylierung ist von Vitamin K2MK7 abhängig.
Vitamin A (bis 10000 IE täglich) und Zink (25 mg täglich)
→ Die Wirkung von Vitamin D am VDR ist wesentlich von Vitamin A und Zink abhängig. Vitamin A und Vitamin D bilden ein Heterodimer und nutzen denselben Transporter (RXR), um von der Zellmembran zum Zellkern zu gelangen. Die intrazelluläre Zinkkonzentration beeinflusst die Aktivierung einiger VDR-abhängiger Gene (N-terminale Zinkfinger-DNA-Bindungsdomäne).
Epstein-Barr-Virus (EBV)
Viren aus der Herpesfamilie verbleiben nach der Primärinfektion lebenslang im Wirt und werden normalerweise von darauf spezialisierten T-Zellen überwacht. Man kann diese also – anders als Bakterien, Pilze oder Parasiten – nicht vollständig aus dem Körper entfernen.
Ziel einer naturheilkundlichen Therapie ist es, das Immunsystem dabei zu unterstützen, wieder Kontrolle über das Epstein-Barr-Virus (EBV) zu bekommen.
Da die Schäden bei viralen Belastungen im Kontext von Autoimmunopathien/Sjögren-Syndrom wahrscheinlich von einer Bystander-Reaktion verursacht werden, liegt nahe, dass die Immunreaktion von T-Effektorzellen gegen virale Antigene wesentlich zur Zerstörung von körpereigenen Geweben beiträgt. Hier gilt es also mit Fingerspitzengefühl zu arbeiten, damit es nicht zu einer überschießenden Immunreaktion oder gar zu einem Krankheitsschub kommt. Dafür hat sich in meiner Praxis eine Therapiekombination hervorragend bewährt, die sich aus 3 Komponenten zusammensetzt:
- Schwächung der viralen Aktivität
- Stimulation der Funktion von TReg-Zellen
- sehr vorsichtiger Einsatz einer EBV-Nosode
Durch die Schwächung der Virusaktivität bzw. die Verbesserung der Aktivität der TReg wird der Einsatz der EBV-Nosode (speziell dann, wenn dies sehr umsichtig vorgenommen wird) für den Patienten hinsichtlich einer ungewollten Stimulation von T-Effektorzellen (und damit eines Krankheitsschubs) sehr viel risikoloser.
Schwächung der viralen Aktivität
Quentakehl D5 Tropfen „Sanum“ – morgens nüchtern 8 Tropfen unverdünnt perlingual.
Olivenblattextrakt 500 mg mit 40 % Oleuropin-Anteil (z. B. von Sunday Naturals) – 1–2 × am Tag je 1 Kapsel nach dem Essen.
Lysin-Kapseln 500 mg (z. B. von Sunday Naturals) – vormittags und nachmittags je 2 Kapseln. Bei einer Hochdosisbehandlung mit Vitamin D sollten Sie mit Lysin vorsichtig sein, weil es einen Einfluss auf die Kalziumbilanz hat, ebenso bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) oder arterieller Verschlusskrankheit (AVK) als Komorbidität, weil L-Lysin als Antagonist von L-Arginin dosisabhängig möglicherweise einen limitierenden Einfluss auf die NO-Synthese haben könnte.
5000 mg Methylcobalamin und 500 μg 5-Methyltetrafolhydrat 2 × wöchentlich zur Kompensation von RNS.
Stimulation der Aktivität der TReg-Zellen
Propital Propionsäure-Kapseln 500 mg (z. B. von Navimol) – 2 × täglich je 1 Kapsel zum Essen.
Einsatz von Vitamin D.
Vorsichtige(!) Nosodenbehandlung
Vor Beginn der Therapie bitte ich den Patienten, einige Tage seine basale Körpertemperatur bzw. die Körpertemperatur nach 12 Stunden mit einem Fieberthermometer oral oder rektal zu messen und diese Ergebnisse zu notieren.
Ich starte i. d. R. mit EBV in der Potenz C200 und lasse den Patienten eine „Stammlösung“ aus 5 Globuli auf 100–200 ml Wasser herstellen. Davon nimmt er anfangs nur 1 Teelöffel und wartet dann 4 Tage auf eine Reaktion.
Typische Reaktionen sind:
- Erhöhung der Körpertemperatur
- kurzfristig reversibles Aufflackern von Symptomen des Sjögren-Syndroms
- Lymphknotenschwellungen
- Gefühl einer leichten Erkältung bzw. Halsentzündung
- verstärkte Müdigkeit
- Haut: Ekzem, vermehrter Schweiß, veränderter Schweißgeruch
- Leber/Darm: vermehrter Stuhlgang, kurzfristige Veränderung von Stuhlbeschaffenheit bzw. -geruch
- Schleimhäute (z. B. Magen, HNO-Bereich): kurzfristige Entzündungssymptome, Schnupfen, „Ausscheidungsgastritis“ usw.
- Niere: vermehrte Urinausscheidung
Meist geschieht bei einer einmaligen Anwendung nichts, der Patient steigert dann alle 4 Tage um einen weiteren Teelöffel und wartet jedes Mal volle 4 Tage bis zur nächsten Dosissteigerung.
Kommt es zu einer Reaktion, dann sollten Sie dem Immunsystem ausreichend Zeit geben, wieder einen Normalzustand zu erreichen. Sie erkennen dies durch einen vollständigen Rückgang der Ausleitungssymptome. Ist das geschehen, dann sollten Sie noch einmal diejenige Dosis einsetzen, bei der es zu einer Reaktion kam. Diesmal sollte das Immunsystem nicht mehr oder viel schwächer reagieren. Bei einer abgeschwächten Reaktion sollten Sie wieder abwarten, bis diese vollständig abgeklungen ist, und dann die Dosis wiederholen. Kommt es zu keiner weiteren Reaktion, dann kann nach 4 Tagen die Dosis wieder um 1 Teelöffel gesteigert werden. Bei manchen Patienten mit Sjögren-Syndrom braucht es längere Abstände zwischen den Nosodengaben, z. B. alle 7 Tage.
Oft ist es notwendig, die Ausleitungsversuche des Körpers zu unterstützen. Dies kann z. B. mit 16/8-Intervallfasten, Einläufen, heißen Leberwickeln, Schwitzbädern (sofern verträglich) oder mit einer begleitenden spagyrischen Entgiftungskur geschehen. Für Letztere haben sich mir seit vielen Jahren die Mittel der PEKANA-Spagyrik bewährt.
Bitte bedenken Sie, dass Sie unter allen Umständen einen Krankheitsschub verhindern sollten. Dieser kann eintreten, wenn der gesetzte Reiz bzw. eine Reizsummation die Fähigkeit der TReg-Zellen zur Kompensation übersteigt.
Anthroposophische Medizin bei Xerostomie
Speziell zur Behandlung der Mundtrockenheit beim Sjögren-Syndrom nutze ich Heilmittel der anthroposophischen Medizin im Sinne einer adjuvanten Begleitbehandlung der bisher aufgeführten Therapiemaßnahmen.
Als Basis dienen Thymus/Mercurius-Ampullen WALA, Reticuloendotheliales System RES Gl D30 Ampullen WALA und Glandula parotis Gl D5 Ampullen WALA.
Der Patient zieht von jeder Sorte den Inhalt einer Ampulle in eine Spritze auf und nimmt von dieser Mischung 1 ml zur Nacht oral – vor dem Hinunterschlucken einige Zeit im Mund behalten.
An anderer Stelle habe ich bereits die kurmäßige Anwendung von 5000 mg Methylcobalamin bzw. 500 μg 5-Methyltetrafolhydrat 2 × wöchentlich beschrieben, auf die Sjögren-Patienten in manchen Fällen ebenfalls von einer Besserung der Xerostomie berichten. Beide können gut miteinander kombiniert werden.
Weiterführende Literatur
Sie möchten sich intensiver mit dem Themenkomplex der Autoimmunität beschäftigen? Mehr dazu lesen Sie hier:
Autoimmunerkrankungen: Verstehen – Erkennen – Behandeln. Stuttgart: Haug; 2021
Autor
Dirk-Rüdiger Noschinski
eröffnete 1994 nach seiner Vollzeitausbildung zum Heilpraktiker an der Hessischen Heilpraktikerschule Hochheim/Main eine Naturheilpraxis in Bad Soden am Taunus und erwarb Zusatzqualifikationen u. a. in den Fachbereichen Osteopathie und Orthomolekularmedizin. Er ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft für Chiropraktik/Osteopathie und Neuraltherapie Deutscher Heilpraktiker ACON e. V. und im Bund Deutscher Heilpraktiker BDH e. V. Sein Wissen gibt er seit vielen Jahren als Autor und Referent sowie in Seminaren in Deutschland und der Schweiz weiter.
Interessenkonflikt: Der Autor hat 2022 an einem Gesprächskreis der Firma WALA Heilmittel GmbH als Referent teilgenommen.
- Deutsche Rheumaliga. Sjögren-Syndrom. Im Internet: Zugriff am 17. August 2022 unter: www.rheuma-liga.de/rheuma/krankheitsbilder/sjoegren-syndrom
- Seeliger T, Prenzler NK, Gingele S. et al. Neuro-Sjögren: Peripheral neuropathy with limb weakness in Sjögren’s syndrome. Front Immunol 2019; 10: 1600
- Stathopoulou EA, Routsias JG, Stea EA. et al. Crossreaction between antibodies to the major epitope of Ro60 kd autoantigen and a homologous peptide of Coxsackie virus protein. Clin Exp Immunol 2005; 141 (01) 148-154
- Onuora S. Epstein-Barr virus in Sjögrens‘s syndrome salivary glands drives local autoimmunity. Nature Rev Rheumatol 2014; 10: 384
- Harley JB, Zoller EE. What causes all these troubles, anyway? Epstein-Barr virus in Sjögren’s syndrome re-evaluated. Arthr Rheumatol 2014; 66 (09) 2328-2330
- Noschinski D-R. Autoimmunerkrankungen: Verstehen – Erkennen – Behandeln. Heidelberg: Haug; 2021
- Martin M, Noschinski D-R, Reglin F. Immunreaktionen gegen Nahrungsmittel. Köln: Reglin; 2007
- Altorok N, Coit P, Hughes T. et al. Genome-wide DNA methylation patterns in naive CD4 + T-cells from patients with primary Sjögren’s syndrome. Arthr Rheumatol 2014; 66 (03) 731-739
- Friedrichsen H-P, Gröber U. Der Transkriptionsfaktor NFkB: Bindeglied zwischen oxidativem Stress und Inflammation. Z Orthomol Med 2022; 20: 22-28
- Pall M. Explaining unexplained illness. Milton Park, Abingdon: Routledge; 2007
- Wegelius O, Fyhrquist F, Adner PL. Sjögren’s syndrome associated with vitamin B12 deficiency. Scand J Rheumatol 1987; 16 (01) 184-190
- Lynch B. Schmutzige Gene. Kandern: Narayana; 2018