HeilpflanzenporträtSorbus torminalis (L.) Crantz – die Elsbeere

Die Frucht- und Blattdrogen der Elsbeere, Sorbus torminalis (L.) Crantz (Rosaceae), werden seit Langem volksmedizinisch bei Dysenterie, Verdauungsproblemen, Durchfall und Cholera sowie als Herzmittel angewendet.

Inhalt
Früchte und Blätter von S. torminalis.
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Früchte und Blätter von S. torminalis.

Die Elsbeere gehört in Deutschland zu den seltenen Baumarten. Im Jahr 2011 wurde die Elsbeere von der Dr. Silvius Wodarz Stiftung zum Baum des Jahres in Deutschland [26] und im darauffolgenden Jahr vom österreichischen Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus und dem Kuratorium Wald zum Baum des Jahres in Österreich gewählt [17]. Neben der forstwirtschaftlichen Verwendung des Holzes wurden und werden die Früchte von S. torminalis auch als Lebensmittel verzehrt. Früher fanden die Früchte und Blätter dieses Baumes arzneiliche Verwendung. In dem vorliegenden Beitrag wird der Kenntnisstand zu den Blättern und Früchten der Elsbeere unter Berücksichtigung von historischen, taxonomischen und phytochemischen und pharmakologischen Aspekten zusammengefasst.

Name und Geschichtliches

Die möglicherweise erste Beschreibung der Elsbeere stammt von Theophrast (371–285 v. Chr. ), der laut einer Übersetzung eine Pflanze als „Kratägon“ mit Blättern wie bei Mispeln und mit Früchten wie beim Ölbaum erwähnte. Die Gattungsbezeichnung „Sorbus“ wurde erstmals von dem römischen Schriftsteller Cato Censorius (234–149 v. Chr. ) verwendet. In einem Werk von Aulus Cornelium Celsus, „De rustica“ (ca. 25–35 n. Chr. ), wird eine Pflanze als „sorbum torminale“ bezeichnet. Die erste grundlegende Beschreibung von Früchten von Sorbus-Arten jedoch stammt von Plinius d. Ä. (23–79 n. Chr. ): In einem Kapitel in seinem Werk „Naturalis historia“ zu den „Arlesbeeren“ werden 4 Arten beschrieben, darunter auch „Sorbus torminalis“, in einer Übersetzung als „Grimmbeere“ bezeichnet. Darin werden zwar die Früchte nicht erwähnt, jedoch die Form der Blätter mit einem Ahornblatt verglichen. Die Römer verwendeten die Früchte als Heilmittel, entweder eingelegt in Wein oder auch getrocknet [13],[30].

Der Baum war lange Zeit unter verschiedenen lokalen Namen bekannt. Die heute gängige Bezeichnung „Elsbeere“ wurde nach heutigem Kenntnisstand erstmals von Martin Luther in einem Brief 1526 verwendet, in dem er einen Theologen, Johannis Agricola, um Elsbeerenfrüchte für seine Frau Katharina von Bora bat. Die Elsbeere wurde Mitte des 16. Jahrhunderts in den Kräuterbüchern von u. a. H. Bock, Matthiolus und Gessner abgebildet. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde S. torminalis taxonomisch unterschiedlich eingeordnet: So stellte Carl von Linné 1753 die Elsbeere nicht zur Gattung Sorbus, sondern zur Gattung Crataegus (als Crataegus torminalis), d. h. zu den Weißdornen. Die Elsbeere ist auch unter der alten botanischen Bezeichnung Pyrus torminalis bekannt, d. h. als eine Art in der Gattung der Birnen. Als Erstbeschreiber im heutigen Sinne gilt der österreichische Arzt und Botaniker Johann Heinrich Nepomuk Crantz (1722–1797), der die Pflanze als Sorbus torminalis benannt hat [13],[26],[30]. Die Art-Bezeichnung „torminalis“ ist aus dem Lateinischen von „tormina“ für Leibschmerzen und „torminosus“ für „an Ruhr leidend“ abgeleitet.

Als deutsche lokale Bezeichnungen für die Elsbeere sind u. a. Arlesbeere, Adletsbeere, Adelsbeere, Adlasbeere, Ortlesbeere, Ruhrbirne, Eltzenbaum, Elzbeere und Iltisbeere überliefert [26],[30]. Im englischen Sprachraum ist für S. torminalis die Bezeichnung „wild service tree“ üblich, wobei sich „service“ von sorvis und sorbus direkt ableiten soll [26]. Im angelsächsischen Raum wird auch von „chequer tree“ gesprochen, in Frankreich von „alisier torminal“.

Verbreitung und Botanik

Die Gattung Sorbus sensu lato (Rosaceae) umfasst ca. 250 Arten in 6 Unterarten, die in Ostasien und auf der nördlichen Halbkugel beheimatet sind. Davon wachsen ca. 35 Arten im Kaukasus und in der Türkei, 91 in Europa, 111 in China, Vietnam, Myanmar und im Himalaya [27],[28]. Im engeren Sinne gehören etwa 88 Arten zu dieser Gattung [28]. In Deutschland sind 4 Sorbus-Arten bekannt: die Vogelbeere (S. aucuparia L.), die Mehlbeere (S. aria (L.) Crantz), die Elsbeere und der Speierling (S. domestica L.) [13]. In Mitteleuropa ist zudem noch die Zwerg-Mehlbeere (S. chamaemespilus (L.) Crantz) verbreitet [1].

S. torminalis kommt im gemäßigten Europa bis nach Nordafrika und östlich bis zum Kaukasus vor [28]. Schwerpunkt des Verbreitungsgebiets sind Südengland, Deutschland außer dem Nordwesten, das westliche und südliche Polen und dann östlich bis zum Schwarzen Meer [13], ebenso wie die Laubmischwälder in Ostfrankreich und im Pariser Becken [14]. Die Elsbeerenbäume wachsen in Wäldern und Waldrandzonen, selten außerhalb von Wäldern [13]. Die Elsbeere ist besonders in eichenreichen Laubwäldern, u. a. an sonnigen Hängen, zu finden; sehr selten stehen Elsbeeren frei. Die Elsbeere bevorzugt nährstoffreiche Böden, oft im Zusammenhang mit Kalkböden [1],[25].

Bedingt durch die veränderte Waldstruktur (u. a. durch Konkurrenz von Baumarten mit schnellerem Wuchs und damit einhergehend weniger Licht für Elsbeeren), eine starke selektive Nutzung des Elsbeerenholzes in früheren Zeiten und hohe Rehwildbestände, sind die Bestände an S. torminalis stark zurückgegangen [1],[14]. So finden sich in Deutschland heute viele räumlich getrennte Populationen [1] mit bundesweit ca. 80 000 erfassten Bäumen. Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland ist die Mitte und der Süden sowie in geringerem Maße der Nordosten; in Franken finden sich mehr als die Hälfte der kartierten Elsbeeren [3]. In der Schweiz treten die Elsbeeren besonders in der Westschweiz und auch in der Nordschweiz vom Bodensee in Richtung Süden bis über das Jura nach Genf auf [13],[25]. In Österreich sind Elsbeeren besonders im Wienerwald und nördlich von Wien im Weinviertel anzutreffen, im westlichen Wienerwald freistehend mit gewaltigen Kronen [13].

Der Baum wird üblicherweise bis zu 20 m hoch (maximal 33 m) und hat – vorausgesetzt es ist genügend Licht vorhanden – eine weit ausladende Krone. Es handelt sich damit um das größte einheimische Rosengewächs. Elsbeeren werden bis zu 150 (seltener auch bis zu 300) Jahre alt [1],[25].

Die Wurzeln der Elsbeeren sind stark und rötlichbraun. Anfangs besitzt die Pflanze eine Pfahlwurzel, später ein tief- und weitreichendes Herzwurzelsystem.

Die Rinde junger Zweige ist olivgrün bis bräunlich mit hellen Lentizellen. Charakteristisch ist bei jungen Pflanzen, dass die Rinde des letzten Jahrestriebs mit einer feinen, silbrig glänzenden Haut umgeben ist. Die jungen Stämme sind graugrün bis dunkelbraun. Die glatte Rinde löst sich später ab bzw. wird rissig und fällt schuppig ab. Die Blätter sind wechselständig, 2–7 cm lang und in 7–9 Lappen geteilt, der Rand ist gesägt. Die Blattoberseite ist dunkelgrün, die Unterseite ist heller und matter. Die Blattform schwankt stark, auch an ein und demselben Baum. Die Herbstfärbung der Blätter ist gelb, orange bis rot oder braun.

Die Blüten stehen in 7–9 cm großen aufrechten Trugdolden und erscheinen zwischen Ende Mai und Anfang Juni mit etwa 30 Einzelblüten an der Spitze der neuen Triebe. Jede Einzelblüte hat einen Durchmesser von 1–1,5 cm und besteht aus den gewölbten weißen Blütenblättchen, den hellgelben Staubblättern und den meist 2 Griffeln. Der Fruchtknoten ist unterständig im Gegensatz zu anderen Sorbus-Arten [25]. Der Kelch zeigt 5 zugespitzte Einschnitte. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten. Die ledrigen, kahlen, zweifächrigen und zwei- bis viersamigen Apfelfrüchte (Scheinfrucht) sind 15–19 mm lang, ellipsoid, rundlich oder eiförmig oder auch oval und gelblichrot, orangefarben oder gelbbraun gefärbt, zum Teil sind auf der Oberfläche der Früchte helle Punkte durch Korkwarzen zu sehen. Die Samen sehen wie jene von Äpfeln oder Birnen aus. Die Früchte sind bis Anfang Oktober reif. Die Verbreitung der Früchte erfolgt durch Tiere [1],[13],[25].

Die Reproduktion erfolgt auch durch Stockausschläge und Wurzelbrut. Zur Vielfalt bei Sorbus-Arten und bei S. torminalis tragen auch die Hybridisierung, Polyploidisierung und Apomixis (Vermehrung mit Samen, die ohne Befruchtung gebildet werden) bei [1],[26]. Zum Teil werden verschiedene Varietäten und Formen von S. torminalis unterschieden [20],[26].

Phytochemie

Erste phytochemische Untersuchungen stammen aus den 1960er-Jahren und belegen als Inhaltsstoffe der Früchte und Blätter mehrere Flavonoide [22]. In der nachfolgenden Zeit wurden immer wieder Untersuchungen zu den Inhaltsstoffen der Früchte und seltener auch zu den Blättern durchgeführt. So sind heute für die Früchte insbesondere phenolische Verbindungen (u. a. Flavonoide, Zimtsäure-Derivate, kondensierte Gerbstoffe, organische Säuren, Cumarine) bekannt. Insgesamt 44 Flavonoide wurden bisher isoliert, wobei noch nicht alle Strukturen vollständig aufgeklärt sind. Auffallend sind die zahlreichen Naturstoffe, die Quercetin als Aglykon haben und eine enorme Strukturvielfalt zeigen [Abb. 1]. In frühen Untersuchungen aus dem Jahr 1963 konnte nachgewiesen werden, dass Parasorbinsäure, die toxisch ist, im Gegensatz zu den Früchten vieler anderer Sorbus-Arten nicht in Elsbeerenfrüchten enthalten ist [9]. Charakteristisch ist der Zucker Sorbitol, der neben Glukose und Fruktose in den Früchten vorkommt. Die Gewinnung von Sorbitol aus den Früchten scheitert jedoch daran, dass Glukose und Fruktose kaum von Sorbitol abzutrennen sind [19]. Alle bisher bekannten Inhaltsstoffe in den Früchten der Elsbeeren sind in [Tab. 1] aufgeführt. Es liegen nur wenige Informationen zu den Inhaltsstoffen der Blattdroge vor: So sollen ebenso Flavonoide und Zimtsäure-Derivate enthalten sein [15],[28]. Entgegen zahlreicher Berichte über hohe Ascorbinsäure-Gehalte in Elsbeerenfrüchten wurden in einer neueren Studie nur geringe Mengen an Ascorbinsäure in reifen Früchten bzw. deren Extrakten gefunden [20].

Volksmedizinische und traditionelle Verwendung

Sorbus-Früchte werden traditionell angewendet bei Atemwegs- und Magen-Darm-Beschwerden, Rheuma und Diabetes [28].

Bereits Tabernaemontanus hat in seinem Kräuterbuch die Anwendung der Blätter und Früchte von S. torminalis gegen „tormina ventris“ (Bauchgrimmen) und auch bei „roter Ruhr“ (Dysenterie) genannt. Die Früchte seien „gut wider das Grimmen im Leib / daher sie auch den Namen haben“ [29]. Lonicerus 1573 / 1770 empfahl die Früchte bei „roter Ruhr“ bzw. bei „Bauchflüssen“. In einem Werk des Apothekers Hermann Walther Ryff, herausgegeben 1602, wird den unreifen Elsbeerenfrüchten eine antidiarrhoische Wirkung zugesprochen, während die reifen Früchte laxierend wirken würden [12]. In der Ausgabe der Württembergischen Pharmakopoe von 1755 werden die Früchte, Sorbi torminalis baccae, als kühlend und adstringierend beschrieben, die auch bei Steinen (offenbar bei Nierensteinen?) gelobt würden [24]. Samuel Hahnemann vertrat 1793 in seinem Apothekerlexikon die Auffassung, dass die baccae sorbi torminalis getrocknet bei chronischen Durchfällen nutzen könnten, aber die Anwendung „beim Nierensteine scheint erdichtet zu seyn“ [8].

Die Früchte wurden in der Volksmedizin auch gegen Verdauungsstörungen, Cholera und Ruhr sowie als stärkendes und anregendes Herzmittel eingesetzt. Ein Tee aus den getrockneten Beeren wurde bei Heiserkeit und Menstruationsstörungen angewendet [30]. Im Wienerwald wurde der Elsbeerenbrand mit ca. 60 % (V / V) Ethanol bei inneren Verstimmungen – Galle, Niere, Blase und Übelkeit jeder Art – sowie insbesondere bei Prostataleiden angewendet [31].

Im Nordiran werden die Elsbeerenfrüchte bei Husten, Diarrhö, Fieber, Nierensteinen, Bronchitis und Koliken sowie aufgrund einer diuretischen Wirkung verwendet [21]. Die Früchte werden überdies in der Türkei traditionell zur Behandlung von Herzbeschwerden und in Spanien aufgrund der adstringierenden Eigenschaften eingesetzt [10]. In der Türkei ist in der Provinz Kirklareli der Einsatz der Elsbeerenblätter zur Behandlung von Diabetes oder Magenschmerzen bekannt [18].

Sonstige Verwendung

Die Früchte der Elsbeeren können roh verzehrt werden, weil Parasorbinsäure nicht enthalten ist. Anfangs sind die Früchte hart und werden nach ca. einer Woche teigig; sie schmecken trocken, mehlig und säuerlich [30]. Üblicherweise werden die Früchte geerntet, bevor sie überreif sind; die Ernte erfolgt mithilfe von 10–12 m hohen Leitern von Hand [30]. In besonders guten Jahren kann die Erntemenge bei 100–200 kg Früchten pro Baum liegen [26]. Der hohe Gehalt an Zuckern ermöglicht die Verwendung von Extrakten als Süßstoff für Marmelade sowie die Herstellung von Sirup und alkoholischen Getränken [10],[13],[16],[19]. Bekannt ist ein sehr teurer Edelbrand (2001: Preis über 300 € pro Liter), der in Österreich als Adlitzbeerenbrand bezeichnet wird und ein marzipanartiges Aroma hat [14]. Der Elsbeerenbrand ist in Niederösterreich, wozu auch der Wienerwald gehört, als traditionelles Lebensmittel gelistet, ebenso wie die Elsbeere selbst [4],[5]. Der Alisier, ein Obstbrand aus dem Elsass, besteht meist aus Mehlbeerenfrüchten und nur zu einem geringen Anteil aus Elsbeeren [13],[30].

Abgesehen davon wird das Holz der Elsbeeren in der Forstwirtschaft sehr geschätzt. Das Holz, das besonders hart und schwer und gelblich bis rötlichweiß gefärbt ist, wird für die Herstellung von exklusiven Möbeln, Musikinstrumenten (Flöten, Klaviermechanik) und Webstühlen verwendet. Bedingt durch die sehr geringen Bestände gehören die Preise für Elsbeerenholz zu den höchsten Holzpreisen, die es gibt [14].

Biologische Aktivitäten

Bislang liegen nur wenige Untersuchungen zu den Wirkungen der Elsbeerenfrüchte und fast keine zu denen der Elsbeerenblätter vor.

Antioxidative Wirkungen

Wässrig-methanolische Extrakte der Elsbeerenfrüchte, -blätter und -blüten zeigten in vitro antioxidative Wirkungen in verschiedenen Testmodellen (u. a. DPPH-, ABTS-Test), die am ausgeprägtesten bei Blütenextrakten waren, gefolgt von Blattextrakten [23]. Moderate antioxidative Wirkungen wurden für die Wasser- und Methanol-Extrakte der Früchte von S. torminalis nach Durchführung zahlreicher Tests (u. a. DPPH-Test, FRAP-Assay und weitere Tests zum „Abfangen“ verschiedener Radikale) berichtet [20]. In einer weiteren Studie wurden dosisabhängige antioxidative Eigenschaften von verschiedenen Elsbeerenfrucht-Extrakten festgestellt, wobei hierzu der ABTS-, der DPPH- und der FRAP-Test angewendet wurden [10]. Die Autoren weisen auf eine Korrelation zwischen dem Phenolgehalt in den Extrakten und der antioxidativen Wirkung hin, auch wenn die Extrakte schwächer antioxidativ wirksam waren als die Referenzsubstanzen Quercetin und α-Tocopherol [10],[20],[23].

Antimikrobielle Aktivitäten

Für verschiedene Extrakte von Elsbeerenfrüchten konnten antimikrobielle Wirkungen nachgewiesen werden, u. a. gegen Escherichia coli und Staphylococcus aureus, wobei die Wirkungen gegen S. aureus ausgeprägter als gegen E. coli waren [20].

Hemmwirkung auf die Acetylcholinesterase (AChE)

Eine Hemmung der AChE wird bei kognitiven Störungen, u. a. Morbus Alzheimer, als Therapiekonzept verfolgt. In einer ersten Untersuchung zeigte ein Wasser-Extrakt von Elsbeerenfrüchten eine dosisabhängige Hemmung der AChE, die aber wesentlich schwächer war als die Wirkung der Referenzsubstanz Galantamin [10]. In der Studie einer anderen Arbeitsgruppe konnte für mit verschiedenen Lösungsmitteln hergestellte Extrakte von Elsbeerenfrüchten keine hemmenden Effekte auf das Enzym AChE nachgewiesen werden [20]. Die unterschiedlichen Ergebnisse bedürfen weiterer Untersuchungen.

Antiproliferative Wirkungen

Für verschiedene Extrakte von Elsbeerenfrüchten konnten an Tumorzelllinien (HeLa, MCF7, HT-29) wie auch an gesunden Zellen (MRC-5) keine zytotoxischen Wirkungen in den untersuchten Konzentrationen nachgewiesen werden [20]. Demgegenüber zeigte ein methanolischer Extrakt von Elsbeerenfrüchten in 2 Zelllinien (HeLa, ARPE-19) in einem Zellviabilitätstest nach der Einwirkung auf diese Zelllinien dosisabhängig eine verringerte Viabilität der HeLa-Zellen, nicht aber der (gesunden) ARPE-19-Zellen. Die Autoren schließen daraus auf antiproliferative Wirkungen des Extrakts auf HeLa-Zellen [7]. Die unterschiedlichen Ergebnisse in Bezug auf HeLa-Zellen sind nicht erklärbar.

Proliferative Wirkungen

Demgegenüber konnten nach Einwirkung eines n-Butanol-Extrakts der Elsbeerenfrüchte auf gingivale mesenchymale Stammzellen (GMSC) eine erhöhte Proliferation der Zellen und eine verringerte intrazelluläre Bildung reaktiver Sauerstoffspezies beobachtet werden. Die Autoren vermuten eine Abnahme des Alterungsprozesses in diesen Zellen und spekulieren, ob Elsbeeren-Extrakte in Zukunft im Bereich der regenerativen Medizin und bei In-vitro-Anwendungen von GMSC zum Einsatz kommen könnten [6].

Antidiabetische Wirkungen

Die Hemmung der α-Glucosidase führt zu einer Verringerung der Aufnahme von Kohlenhydraten aus dem Gastrointestinaltrakt und zu einer Kontrolle der postprandialen Hyperglykämie. Ein Dekokt der Elsbeerenfrüchte verursachte eine starke dosisabhängige Hemmung der α-Glucosidase. Eine Hemmung der α-Amylase bewirkt ebenfalls eine Verminderung von postprandialen Blutzuckerspitzen. Das Dekokt der Elsbeerenfrüchte zeigte in vitro eine moderate Hemmung der α-Amylase. Eine starke Korrelation zwischen dem Phenolgehalt und der antidiabetischen Wirkung wurde festgestellt. Die Autoren äußern, dass antidiabetische Wirkungen auch von Früchten anderer Sorbus-Arten bekannt seien und schlussfolgern, dass ein Verzehr der Elsbeerenfrüchte die intestinale Absorption von Zuckern durch Hemmung dieser beiden Enzyme verringern könne [11].

Toxizität und Verträglichkeit

Untersuchungen zur Toxizität von Elsbeeren-Extrakten (Blätter, Früchte) liegen nicht vor. Jedoch lassen die antiproliferativen Aktivitäten, die lange Verwendung in der Volksmedizin und als Lebensmittel, u. a. als Weinbrand, auf ein besonders geringes toxisches Potenzial zumindest der Früchte schließen.

Fazit

Die Früchte und Blätter der Elsbeere sind seit langer Zeit in der Volksmedizin bekannt. Die wenigen vorliegenden In-vitro-Untersuchungen liefern erste, vorläufige Erklärungen für die volksmedizinische Verwendung, so dürften u. a. die antimikrobiellen Wirkungen für die Indikation Dysenterie, die antioxidativen Aktivitäten für die Indikation Rheuma sowie die Hemmung der Enzyme α-Glucosidase und α-Amylase für die Indikation Diabetes Typ 2 eine Bedeutung haben. Wesentlich für diese Wirkungen sind die phenolischen Inhaltsstoffe. Bislang liegen keine klinischen Studien vor. Es existieren verhältnismäßig wenige Elsbeerenbäume, die zudem nur mit großem Aufwand beerntet werden können, und außerdem gibt es für die genannten Indikationen der Früchte und Blätter andere, besser dokumentierte pflanzliche Drogen (und synthetische Wirkstoffe). Die Elsbeerenfrüchte dürften daher in der Zukunft weiterhin ihre Hauptverwendung als Lebensmittel(-zutat) haben, roh oder verarbeitet zu Marmelade und anderen Lebensmitteln, und als Ausgangsstoff für die Herstellung eines Obstbrands.

Dr. Klaus Peter Latté 
ist Apotheker und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pharmazeutische Biologie der FU Berlin und wurde dort 1999 promoviert.

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