GeschlechtskrankheitenGebärmutterhalszellen steuern eigene Immunantwort

Epithelzellen im Gebärmutterhals gelten bislang als passive Barrieren gegen Krankheitserreger. Eine neue Studie zeigt, dass sie aktiv an der Immunabwehr beteiligt sind.

Ein Arzt hält ein anatomisches Modell von Gebärmutter, Eierstöcken und Vagina in der Hand und deutet mit einem Stift auf den Gebärmutterhals.
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Epithelzellen im Gebärmutterhals koordinieren aktiv Immunantworten gegen sexuell übertragbare Infektionen.

Sexuell übertragbare Infektionen gehören zu den weltweit häufigsten Infektionen. Eine wesentliche Rolle in diesen Prozessen spielt die Schleimhaut des weiblichen Fortpflanzungstrakts – speziell im Gebärmutterhals. Ziel einer neuen Studie war es daher zu verstehen, wie dieses Gewebe Krankheitserreger wahrnimmt und möglicherweise abwehrt.

Modelle bilden Uterus-Gewebe nach

In der Studie hat ein internationales Forschungsteam die Reaktion der Zellen auf Chlamydia trachomatis, den häufigsten Erreger sexuell übertragbarer Infektionen, untersucht. Dafür hat das Team auf sogenannte 3D-Organoidmodelle gesetzt. Mit ihrer dreidimensionalen Gewebearchitektur und -zusammensetzung ähneln diese Laborkulturen ihren natürlichen Vorbildern und behalten die funktionellen Eigenschaften des ursprünglichen Gewebes bei.

Durch den Vergleich von Organoiden mit primärem Gebärmutterhalsgewebe mithilfe der Einzelzellauflösung konnte das Team nachweisen, dass diese Modelle die in vivo vorhandenen Epithel-Subtypen und ihre Abwehrprogramme originalgetreu reproduzieren. "Solche Modelle werden zunehmend als Forschungsplattformen anerkannt", sagt Studienleiterin Prof. Cindrilla Chumduri. Die Arbeit ihres Labors veranschaulicht, wie Organoid-Systeme neue Erkenntnisse über Infektionen und die Biologie von Krebserkrankungen liefern können.

Ergebnis 

Mithilfe einer speziellen Technik, der sogenannten Einzelzell-RNA-Sequenzierung, hat das Team erstmals kartiert, wie Tausende einzelner Epithelzellen auf eine Infektion mit Chlamydia trachomatis reagieren.
Dabei zeigte sich, dass:

  • Plattenepithelzellen der Ektozervix sich auf die Verstärkung der Barriere konzentrieren
  • und Zylinderepithelzellen der Endozervix als Immunsignale fungieren und bestimmte Immunantworten sowie antimikrobielle Abwehrmechanismen aktivieren – selbst, wenn sie nicht infiziert sind.

Die Wissenschaftler*innen konnten also zeigen, dass Epithelzellen im Gebärmutterhals selbst die Immunantwort koordinieren. "Sie sind keine passiven Mauern, sondern aktive Wächter der Gewebegesundheit", sagt Chumduri

Ein immunkompetentes Gewebe

Diese Entdeckung verändere die Sichtweise auf den Gebärmutterhals: "Er ist nicht nur eine Barriere, sondern ein immunkompetentes Gewebe, das komplexe Abwehrmechanismen koordinieren kann", so Chumduri. Die neuen Erkenntnisse bieten einen neuen Ansatz für die Infektionsbiologie und wirken sich auf eine Reihe von Anwendungen aus, wie beispielsweise:

  •  Schleimhautimpfstoffe, die auf die Abwehrkräfte des Epithels abzielen
  • Therapien zur Stärkung der angeborenen Abwehrkräfte gegen bakterielle und virale sexuell übertragbare Infektionen.

Darüber hinaus liefern sie einen Ansatz für eine bessere Prävention von infektionsbedingten Krebserkrankungen und Unfruchtbarkeit.

Subtypen mit besonderen Aufgaben

"Anatomisch betrachtet ist der Gebärmutterhals ein kompliziertes Gebilde", sagt Chumduri. Das Bindeglied zwischen Gebärmutterhöhle und Vagina besteht aus dem sogenannten Endozervix, der an die Gebärmutter angrenzt, und dem Ektozervix, der in die Vagina hineinragt. Diese werden von unterschiedlichen Zelltypen ausgekleidet: Während im Endozervix ein säulenförmiges Epithel vorliegt, findet sich im Ektozervix ein mehrschichtiges Plattenepithel.

Das Team fand heraus, dass innerhalb jeder Region spezialisierte Epithel-Subtypen unterschiedliche Aufgaben erfüllten. In der Ektozervix konzentrierten sich einige Subtypen auf Regeneration und Reparatur. In der Endozervix waren sogenannte Bystander-Zellen, die nie direkt infiziert waren, am immunaktivsten.

"Die Bystander-Zellen haben uns am meisten überrascht", sagt Dr. Pon Ganish Prakash, Erstautor der Studie, der die computergestützte Analyse der Einzelzell-Sequenzierungsdaten durchgeführt hat. "Sie wurden zu den dominierenden Verteidigern und verstärkten die Immunsignale ohne direkte Infektion."

Zelluläre Kommunikation

Das Team entschlüsselte auch, wie Epithel-Subtypen mithilfe chemischer Signale miteinander kommunizieren, und deckte dabei eine verborgene "Kommunikation" auf, die ein Gleichgewicht zwischen Abwehr und Reparatur herstellt.
"Die Arbeit mit diesen Organoidmodellen ermöglichte es uns, die Infektionsdynamik auf kontrollierte und realistische Weise nachzubilden", erklärt Dr. Naveen Kumar Nirchal. "Wir konnten beobachten, wie bestimmte Epithel-Subtypen als Knotenpunkte fungieren und Signale senden, die ihre Nachbarn mobilisieren."

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Heterogenität des Epithels von entscheidender Bedeutung ist. Jeder Subtyp hat seine eigene Aufgabe beim Schutz des Gebärmutterhalses und bei der Verhinderung der Ausbreitung von Infektionen auf die oberen Fortpflanzungsorgane", so der Wissenschaftler Dr. Rajendra Kumar Gurumurthy.

Hintergrund

Sexuell übertragbare Infektionen gehören zu den weltweit häufigsten Infektionen; mehr als eine Milliarde Menschen sind davon betroffen. Sie tragen zu Unfruchtbarkeit und Komplikationen in der Schwangerschaft bei und erhöhen das Risiko für verschiedene Krebsarten.

Quelle: Uniklinikum Würzburg