COVID-19Genetische Ursachen für schwere COVID-19-Verläufe bestätigt

Bonner Forschende haben 3 weitere Gene entdeckt, die zu schweren COVID-19-Krankheitsverläufen beitragen können.

Illustration: Coronavirus auf einer Schaukel
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Ein schwerer COVID-19-Verlauf kann auch genetische Ursachen haben.

Neben dem bereits bekannten Gen TLR7 identifizierten Forschende 3 weitere Gene für ein erhöhtes Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs: Sie fanden bei den Genen TBK1, INFAR1 und IFIH1 Mutationen in der Gruppe der schwerbetroffenen Patiente*innen.

Sie bestätigten die bereits bekannte zentrale Rolle des Gens TLR7 bei schweren Verläufen bei Männern. Sie fanden aber auch Hinweise für einen Beitrag des Gens bei Frauen.

Erhöhtes Risiko für schweren Covid-Verlauf bei genetischen Mutationen

Frühe Arbeiten in der Pandemie hatten bereits betroffene Gene identifiziert, wobei die meisten davon an der angeborenen Immunabwehr beteiligt sind. Das Gen mit der bisher stärksten Evidenz ist das Gen TLR7, das im Sommer 2020 bei zwei niederländischen Brüderpaaren mit schweren Verläufen als Krankheitsursache identifiziert wurde.

Die internationale Forschungsgruppe prüfte die Gensequenzen von 52 Kandidaten-Genen, darunter auch TLR7, in einer Patientenstichprobe. Die Forschenden hatten Zugang zu DNA-Material von 1772 Personen mit schweren COVID-19-Verläufen und 5347 Kontrollpersonen mit unbekanntem SARS-CoV-2-Status aus Spanien und Italien. Also aus Regionen, wo besonders zu Pandemie-Beginn eine sehr hohe Inzidenz sowie eine hohe Sterblichkeit zu beobachten war. Alle Betroffenen waren in der Zeit infiziert, in der es noch keine Impfungen gab.

In dieser Personengruppe waren Mutationen, die das TLR7-Gen funktionsunfähig machen, deutlich häufiger bei schwer betroffenen COVID-19-Patienten zu beobachten als in der Kontrollgruppe. „Diese ‘Anreicherung’ war noch stärker, als nur diejenigen Betroffenen betrachtet wurden, die aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustandes eigentlich kein großes Risiko für einen schweren Verlauf gehabt hätten. Das bedeutet, dass bestimmte Mutationen in diesem Gen das Risiko für einen schweren Verlauf deutlich erhöhen“, sagt Erstautor Jannik Boos.

Neben TLR7 konnten die Bonner Forschenden noch in den 3 weiteren Genen TBK1, INFAR1 und IFIH1 Mutationen in der Gruppe der schwerbetroffenen Personen identifizieren.

Geschlechtsspezifische Unterschiede aufgrund der Erbanlagen?

Das Gen TLR7 liegt auf dem X-Chromosom, von denen Männer nur eine Kopie haben, Frauen aber zwei. „Wenn also auf einer Kopie ein Funktionsverlust von TLR7 vorliegt, haben Männer kein funktionierendes Gen mehr – Frauen dagegen immer noch eine gesunde Kopie, also somit zumindest ein bisschen funktionierendes TLR7. Daher war es für uns überraschend, dass wir auch bei Frauen mit schweren COVID-19-Verläufen häufiger TLR7-Mutationen fanden“, sagt Humangenetiker Dr. Axel Schmidt.

Die Wissenschaftler*innen fanden erste Hinweise dafür, dass die Art der genetischen Veränderungen bei Frauen anders ist: Während bei Männern die Mutationen zum Fehlen von TLR7 führen, scheinen bei Frauen die „kaputten“ TLR7-Versionen mit den „gesunden“ Kopien zu interagieren und sie in ihrer Funktion zu beeinflussen. „Wir gehen davon aus, dass TLR7 auch bei Frauen mit schwerem COVID beeinträchtigt sein kann, vermutlich aber über einen anderen biologischen Mechanismus“, sagt Prof. Kerstin Ludwig.

Die Forschenden wollen nun klären, ob diese Hypothese stimmt und wenn ja, welche Auswirkungen dieser Mechanismus auf das Immunsystem hat.

Ziel sei Risikopersonen besser schützen zu können bzw. zielgerichtete Therapien zu entwickeln. Zudem erhoffen sich die Forschenden Erkenntnisse, die sich zumindest teilweise auf künftige Pandemien übertragen lassen.

Quelle: Universität Bonn