
Chips & Co. führen zu einer veränderten Insulinreaktion im Gehirn.
Insulin spielt eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von krankhaftem Übergewicht. Eine Studie liefert neue Erkenntnisse zur Rolle des Gehirns als entscheidende Schaltstelle und als Ursprung von Adipositas und Typ-2-Diabetes.
Adipositas und die Rolle von Insulin im Gehirn
Die Insulinempfindlichkeit des Gehirns steht im Zusammenhang mit langfristiger Gewichtszunahme und ungesunder Körperfettverteilung. Welche Prozesse spielen sich dabei im Gehirn genau ab und welche Auswirkungen hat die Insulinwirkung im Gehirn auf normalgewichtige Menschen? Dieser Frage ging das Team um Prof. Stephanie Kullmann nach.
Studie: Kurzer Zeitraum mit weitreichender Wirkung
An der Studie nahmen 29 männliche Freiwillige mit Normalgewicht teil. Sie wurden in 2 Gruppen eingeteilt:
- Die erste Gruppe musste an 5 aufeinanderfolgenden Tagen zu ihrer normalen Ernährung zusätzlich 1500 kcal in Form von hochverarbeiteten, kalorienreichen Snacks zu sich nehmen.
- Die Kontrollgruppe verzichtete auf die zusätzlichen Kalorien.
Nach einer Eingangsuntersuchung wurden beide Gruppen an 2 unterschiedlichen Zeitpunkten untersucht. Eine Untersuchung erfolgte direkt nach der 5-tägigen Phase und eine zweite erfolgte nachdem die erste Gruppe 7 Tage lang wieder zu ihrer normalen Ernährung zurückkehrte.
Mittels Magnetresonanztherapie (MRT) untersuchten die Forschenden die Insulinempfindlichkeit im Gehirn sowie den Fettgehalt der Leber.
Ergebnisse
- Der Fettgehalt der Leber stieg in der ersten Gruppe nach 5-tägiger erhöhter Kalorienzufuhr signifikant an.
- Die deutlich geringere Insulinempfindlichkeit im Gehirn stieg im Vergleich zur Kontrollgruppe auch eine Woche nach Rückkehr zur normalen Ernährung an. Dieser Effekt war bislang nur bei krankhaft übergewichtigen Menschen zu beobachten.
Demnach führe bereits die kurzzeitige Aufnahme hochverarbeiteter, ungesunder Lebensmittel wie Schokoriegel oder Chips zu einer gravierenden Veränderung im Gehirn - bei Gesunden, so Kullmann. Dies könne als Ausgangspunkt für Adipositas und Typ-2-Diabetes gelten.
Im gesunden Zustand hat Insulin im Gehirn eine appetitzügelnde Wirkung. Insbesondere bei Menschen mit Adipositas reguliert das Insulin das Essverhalten allerdings nicht mehr richtig, eine Insulinresistenz entsteht.
„Interessanterweise zeigt das Gehirn bei unseren gesunden Studienteilnehmern eine ähnliche Abnahme der Empfindlichkeit gegenüber Insulin nach kurzzeitiger hoher Kalorienzufuhr, wie bei Menschen mit krankhaftem Übergewicht“, so Kullmann. „Dieser Effekt ist sogar eine Woche nach Rückkehr zu einer ausgewogenen Ernährung zu beobachten.“
„Wir gehen davon aus, dass sich die Insulinreaktion des Gehirns an kurzfristige Änderungen der Ernährung anpasst, bevor überhaupt eine Gewichtszunahme eintritt und somit die Entwicklung von Übergewicht und weiterer Folgeerkrankungen begünstigt“, schlussfolgert Prof. Andreas Birkenfeld.
Aufgrund der neuen Erkenntnisse fordert er, dass die Forschung zum Beitrag des Gehirns für die Entstehung von Adipositas und weiterer Stoffwechselerkrankungen verstärkt werden muss.
Hintergrund: Adipositas ist eigenständige Erkrankung
- Adipositas seit langem als Auslöser für zahlreiche Erkrankungen wie Diabetes, Herzinfarkt oder gar Krebs bekannt. Trotzdem ist Adipositas erst seit 2020 in Deutschland als eigenständige Krankheit offiziell anerkannt.
- Von Adipositas spricht man bei einem Body-Mass-Index von über 30. Mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung gelten häufig als Ursache für die chronische Erkrankung. Die Mechanismen im Körper, die zu Adipositas führen und bei der Krankheit auftreten, sind allerdings vielschichtiger.
- Mit rund 16 Mio. Menschen allein in Deutschland und mehr als 1 Mrd. Menschen weltweit, ist krankhaftes Übergewicht von der WHO bereits als Epidemie bezeichnet worden.
Quelle: Uniklinikum Tübingen