
Oft genügt eine Wärmflasche bei Harnwegsinfekten, in anderen Fällen nicht. Dann sollte die Antibiose leitliniengerecht erfolgen.
Die unnötige oder dem Erregerspektrum nicht entsprechende Verordnung von Antibiotika führt zu zunehmenden Resistenzen. Um die Therapie und Medikamentenverordnung beim unkomplizierten Harnwegsinfekt in allgemeinmedizinischen Praxen zu optimieren, wurden in der RedAres-Studie die Auswirkungen eines Interventionsprogramm geprüft.
Fazit: Multimodale Intervention verbessert das Verschreibungsverhalten in allgemeinmedizinischen Praxen um Antibiotikaresistenzen zukünftig zu reduzieren.
Wirksamkeit von Antibiotika erhalten
Harnwegsinfekte gehören zu den häufigsten Anlässen für eine hausärztliche Konsultation. Die meisten dieser bakteriellen Blasenentzündungen sind harmlos. Bis zu zwei Drittel der unkomplizierten Harnwegsinfekte können mit Wärme, Ruhe und viel Trinken nach einer Woche ausheilen. In manchen Fällen muss ein Antibiotikum gegeben werden.
Es sollte immer erst ein in den Leitlinien festgelegtes Mittel der ersten Wahl angewendet werden. Dieses geht die Erreger gezielt an und hat weniger Nebenwirkungen als ein sogenanntes Reserveantibiotikum, das zwar eine breite Palette an Bakterien bekämpft, aber Resistenzen hervorruft. Dadurch besteht die Gefahr, dass Reservemittel bei schweren Infekten nicht mehr wirksam sind.
Trotz der Leitlinien-Empfehlungen seien Verordnungen von Breitband-Antibiotika wie Fluorchinolone bei Harnwegsinfektionen noch immer häufig, so Allgemeinärztin Alexandra Greser. Gemeinsam mit Prof. Ildikó Gágyor hat sie am Institut für Allgemeinmedizin des Uniklinikums Würzburg das Projekt RedAres - Reduktion von Antibiotikaresistenzen - koordiniert.
Mit einem multimodalen Interventionsprogramm sollten Hausärzt*innen bei der Behandlung von Patientinnen mit unkompliziertem Harnwegsinfekt unterstützt werden. Die zwölfmonatige Intervention hatte Erfolg: Es wurden häufiger die in der Leitlinie empfohlenen Antibiotika verschrieben. Und: Insgesamt wurden weniger Antibiotika verordnet.
Interventionsprogramm mit 3 Komponenten
- Die Interventionspraxen erhielten regionale Resistenzdaten von den wichtigsten Keimen. Die Resistenzdaten wurden in einem Teilprojekt vom Robert-Koch-Institut ermittelt.
- Die Praxen bekamen komprimiertes Informationsmaterial sowie Flyer für Patientinnen in 5 Sprachen zur Verfügung gestellt.
- Das dritte Modul umfasste individuelles Feedback zur Verordnungspraxis nach jedem Quartal, Telefonberatungen und ein Benchmarking, d.h. einen regelmäßige Vergleich der individuellen Verordnungsdaten mit denen anderer Praxen.
10.323 Fälle anonymisiert aggregiert erhoben
An der Studie RedAres beteiligten sich insgesamt 128 Praxen aus 5 Regionen Deutschlands: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg und Thüringen. Neben dem Uniklinikum Würzburg, das mit 43 aufgenommenen Studienpraxen den größten Anteil hatte, rekrutierten die Institute für Allgemeinmedizin der Unikliniken in Freiburg und Jena sowie die Charité in Berlin. Die Universität Bremen war ebenfalls ein wichtiger Projektpartner und zeichnete für die Pilotierung verantwortlich.
In die finale Analyse, die vom Institut für klinische Epidemiologie und Biometrie der Universität Würzburg durchgeführt wurde, flossen die Daten von 110 Praxen ein. Davon nahmen 57 Praxen an der Intervention teil, 53 Praxen waren in der Kontrollgruppe. Insgesamt konnten 10.323 Fälle in anonymisierter Form aggregiert werden.
Reduktion von Zweitwahl-Antibiotika um 13 Prozentpunkte
Die Auswertung hat gezeigt, dass eine komplexe Intervention die Verordnung von Zweitwahl-Antibiotika beim unkomplizierten Harnwegsinfekt um 13 Prozentpunkte reduziert.
Damit sei der anfangs formulierte Endpunkt um 3 Prozentpunkte übertroffen worden, kommentiert Ildikó Gágyor. Zudem seien weniger wiederkehrende Harnwegsinfektionen in der Interventionsgruppe verzeichnet worden als in der Kontrollgruppe. Grund dafür könne möglicherweise sein, dass "aufgrund einer erhöhten Verschreibung von Breitbandantibiotika mehr Resistenzen und entsprechend mehr Rezidive entstanden sind.“
Interventionsmodule in der täglichen Routine anwendbar
Was bedeuten die Ergebnisse für die Routineversorgung? Eine einfache Intervention ließe sich gut in die tägliche Routine integrieren. Zum Beispiel indem die regionalen Resistenzdaten bei der Antibiotika-Verordnung einbezogen werden, meint Alexandra Greser. Oder die Behandelnden erhalten jedes Quartal eine automatisierte Auswertung der Verschreibungsdaten.
„Wir haben in der Studie gelernt, dass die Ärzt*innen es durchaus hilfreich fanden, regelmäßig Rückmeldungen zum Verordnungsverhalten zu erhalten, so Prof. Dr. Jutta Bleidorn vom Uniklinikum Jena. Aus früheren Studien ist bekannt, dass Feedback zum eigenen Verordnungsverhalten relevant ist, um Verordnungsverhalten zu verändern oder positiv zu bestätigen.
In der Prozessevaluation schätzten die beteiligten Hausärzt*innen die Interventionsmodule mehrheitlich als nützlich und in der täglichen Routine anwendbar ein. Schlussendlich gilt es auch die Patientinnen zu informieren und zu sensibilisieren, was symptomatische Behandlungsmöglichkeiten mit ausreichend Trinken und gegebenenfalls mit Schmerzmitteln oder pflanzlichen Mitteln betrifft. Aber auch, welche Antibiotika der ersten Wahl für sie in Frage kommen.
Quelle: Universitätsklinikum Würzburg
Literatur
Schmiemann G, Greser A, Maun A et al. Effects of a multimodal intervention in primary care to reduce second line antibiotic prescriptions for urinary tract infections in women: parallel, cluster randomised, controlled trial BMJ 2023; doi: 10.1136/bmj-2023-076305