Eine Studie der Uni Würzburg zeigt: Vertrauen ist ein Resilienzfaktor, um trotz schwieriger Verhältnisse gute Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Die Basis dafür wird in der Kindheit gelegt.
- Das Vertrauen in andere wächst während des Heranwachsens.
- Erfahrungen aus der Kindheit spielen eine zentrale Rolle.
Studie
In der Studie wurden 570 Teilnehmende zwischen 14 und 25 Jahren befragt. Bei einem Experiment wurde zudem gemessen, wie sehr die Proband*innen anderen vertrauen. Nach 1,5 und 2 Jahren erfolgten Follow-ups.
Mithilfe eines mathematischen Modells, der computationalen Modellierung, wurde die Studie ausgewertet. Auf diese Weise fanden die Forschenden heraus, welche Mechanismen der Entwicklung von Vertrauen zugrunde liegen.
Mit dem Übergang ins Erwachsenenalter nahm die Fähigkeit zu vertrauen im Experiment zu. Das deute darauf hin, dass die Offenheit anderen zu vertrauen mit zunehmendem Alter steigt, so Prof. Andrea Reiter. Diese Veränderung seien auf eine geringere Abneigung gegenüber sozialen Risiken zurückzuführen. „Mit zunehmendem Alter wurden die Teilnehmenden weniger vorsichtig und waren so eher bereit, ihr Vertrauen in andere zu setzen“, erklärt die Psychologin.
Vertrauen als Resilienzfaktor
Die Studie zeigte weiterhin, dass das Maß an Vertrauen auch mit den familiären Umständen zusammenhängt. So entwickelten diejenigen, die angaben, mehr familiäre Widrigkeiten erlebt zu haben, weniger Vertrauen. Dazu gehörten z.B. Gleichgültigkeit, wenig Wärme, Missbrauch oder übermäßige Kontrolle vonseiten der Eltern. Sie zeigten im Experiment zudem eine Tendenz, ihr Gegenüber bei unkooperativem Verhalten zu bestrafen und versuchten seltener, Vertrauen zurückzugewinnen.
Für Reiter besonders interessant war der Umstand, dass im Laufe der Zeit gerade diejenigen, die zum ersten Messzeitpunkt bedingungsloses Vertrauen zeigten, obwohl sie gleichzeitig mit erheblichen Widrigkeiten in der Familie konfrontiert gewesen waren, allgemein bessere Beziehungen zu Gleichaltrigen entwickelten.
„Das deutet darauf hin, dass Vertrauen ein Resilienzfaktor sein kann, der Menschen hilft, trotz schwieriger familiärer Verhältnisse, stärkere Beziehungen aufzubauen“, erläutert die Forscherin.
Adoleszenz als sozial sensible Phase
Die Ergebnisse untermauern die Hypothese, dass frühere Erfahrungen mit den Eltern sehr wichtig sind. Sie könnten demnach auch die Grundlage für die spätere Entwicklung von Vertrauen in andere Menschen legen.
Die Adoleszenz bildet eine sozial besonders sensible Phase, so Reiter: „Das Jugendalter ist eine Zeit voller sozialer Umbauprozesse. Hier erfolgt die Ablösung von der Familie und das Etablieren eigener Kontakte und Freundschaften stellt eine wichtige Entwicklungsaufgabe dar. Die Fähigkeit, anderen zu vertrauen, scheint deshalb für Jugendliche hochrelevant zu sein.
Ausblick
Die nachgewiesen wegweisende Funktion der Eltern-Kind-Beziehung wirft beispielsweise die Frage auf, wie Eltern früh möglichst positiv Einfluss auf diese nehmen können.
In aktuellen Untersuchungen beschäftigt sich Reiter mit Jugendlichen, die an psychischen Problemen leiden, die ihnen den Aufbau stabiler soziale Beziehungen erschweren. In Zusammenarbeit mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie untersuchen die Forschenden aktuell die Fähigkeit psychisch erkrankter Jugendlicher, Vertrauen in andere auszubilden.
Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Literatur
Reiter AMF, Hula A, Vanes L et al. Self-reported childhood family adversity is linked to an attenuated gain of trust during adolescence in Nature Communications. Nature Communications 2023; doi: 10.1038/s41467-023-41531-z