KopfschmerzAkupunktur bei Kopfschmerzen im Kindesalter

Die Therapie von Kopfschmerzen im Kindesalter sollte in ein Gesamtkonzept eingebettet sein. Dazu gehören eine ausgewogene triggerarme Kost, ein verhaltenstherapeutisches Setting. Studien belegen, dass die Akupunktur in Akutfällen sowie kurativ helfen kann.

Akupunkturnadeln, weißer Hintergrund
Quelle: K. Oborny/Thieme

Akupunktur kann bei Kopfschmerzen im Kindesalter sowohl zur Akutbehandlung als auch in chronischen Fällen eingesetzt werden.

von Raymund Pothmann

Inhalt

Klassifikation

Differenzialdiagnose

Allgemeine Maßnahmen

Therapie

Ursachen nach der TCM

Praktische Anwendung der Akupunktur

Studie

TENS

Chinesische Ernährungstherapie

Chinesische Phytotherapie

Literatur

Kopfschmerzen stellen die häufigste Gesundheitsstörung im Schulalter dar. Während beim Säugling und Kleinkind noch Bauchschmerzen die wichtigste Rolle spielen [1], wirken sich psychosoziale Überlastung und Stress während der beginnenden Schulzeit auf der Stufe des konkret-logischen Denkens stärker in mentaler Weise aus (Kopfschmerzen). Erst zu diesem Zeitpunkt ist das Kind in der Lage, nach äußeren Ursachen und inneren Folgen (einer Krankheit) zu unterscheiden [2]. Je nach Alter schwankt der Leidensdruck und damit der durch Kopfschmerzen bedingte Therapiebedarf zwischen 10 und 15 % [3][4][5].

Kopfschmerzen werden aktuell nach der Klassifikation der International Headache Society (IHS) von 2003/2019 eingeteilt [6]. Im Wesentlichen wird bei den idiopathischen Kopfschmerzformen unterschieden zwischen Migräne ohne und mit Aura, d.h. mit neurologischer Symptomatik zusätzlich zu den vegetativen Erscheinungen wie Übelkeit und Erbrechen. Kopfschmerzen vom Spannungstyp können episodisch oder chronisch (> 15 Tage pro Monat) auftreten. Diese Klassifikation zeichnet sich zwar durch eine hohe Spezifität, jedoch niedrige Sensitivität aus.

Abzugrenzen sind symptomatische Kopfschmerzen insbesondere, wenn sie nachts, erst seit kurzer Zeit, mit zunehmender Intensität oder nur einseitig auftreten, außerdem wenn es zu neurologischen Ausfällen kommt. In diesen Fällen ist ein bildgebendes Verfahren indiziert. Darüber hinaus sollten im Vorfeld Sehfehler und eine chronische Sinusitis ausgeschlossen werden. Eine gnathologische Parafunktion sollte ebenso wenig übersehen werden wie eine Atlasblockierung bei streng einseitigem und therapieresistentem Kopfschmerz [7]. Der Stellenwert des EEG ist von ausschlussdiagnostischer Bedeutung, darf aber nicht überschätzt werden. Oft gelingt erst durch das Führen eines Kopfschmerztagebuches eine eindeutigere Diagnosestellung [8][9].

Kinder sollten bei akuten Kopfschmerzen nicht daran gehindert werden, sich zurückzuziehen, speziell im Fall einer Migräne. Ein ruhiger, abgedunkelter Raum kommt dem sehr entgegen. Hilfreich ist auch ein kühler Lappen oder das Einreiben der Schläfen an den Akupunkten Ex-KH 5 (Taiyang) mit Pfefferminzöl.

Bei Spannungskopfschmerzen sollten ältere Kinder versuchsweise ermuntert werden, sich an der frischen Luft zu bewegen, was oft Linderung bringt [10].

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Kopfschmerzen, speziell Migräne mit ihrer klassischen anfallsartigen Charakteristik, sind in erster Linie dem (konstitutionellen) System Leber–Gallenblase zugeordnet. Das aufsteigende Leber-Yang tritt quasi als Ventil bei unterlagerter Leber-Qi-Blockade in Erscheinung. Aus psychosomatischer Sicht liegt dem oft unterdrückter Ärger zugrunde. Andere Kopfschmerzformen stehen im Zusammenhang mit einer Umkehr der Magen-(Qi-)Funktion und gehen mit Erbrechen einher, wobei die Kopfschmerzen frontal lokalisiert sind – wie so häufig bei jüngeren Kindern. Bei Lokalisation der Kopfschmerzen frontal im Bereich der Nasenwurzel besteht v.a. eine Störung im Niere-Blase-System. Speziell wenn Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen bestehen, muss aber auch ganz pragmatisch an Auslöser aus der Nahrung gedacht werden [13].

Gestützt auf Erfahrungen bei Erwachsenen lässt sich ein pragmatisches meridian- und konstitutionsbezogenes Konzept auch für das Kindesalter ableiten.

Akute Kopfschmerzen sprechen gut auch schon auf (Laser-)Punktur von Ex-KH 5 an (Taiyang; Vorderrand des M. temporalis in Augenspalthöhe) [14]. Ähnlich wirksam ist die Zone A der Neuen Schädelakupunktur nach Yamamoto (YNSA). Die Laserreizung beträgt ca. 500 mJ/Punkt. Bei älteren Schulkindern kommt an diesen Stellen auch eine Nadelreizung infrage.

Die kurative Nadelakupunktur wird insbesondere an dem spasmolytisch wirksamen Punkt Le 3 (im 1. Metatarsalraum) durchgeführt. Ma 36 (lateral der Tuberositas tibiae) dient zur Tonisierung bei gastrointestinaler Symptomatik. Eine ähnliche Wirksamkeit entfaltet Di 4 (M. adductor pollicis), zugleich allgemein analgetisch und als Fernpunkt für die frontale Kopfregion. Ergänzend wirksam sind psychisch distanzierende Punkte wie He 7 (an der ulnaren Handwurzel) sowie Pe 6 (2 Finger proximal der Handwurzel über dem N. medianus).

Allgemein ausgleichend und beruhigend wirkt sich auch Du (LG) 20 (höchster medianer Schädelpunkt) aus. Gb 20 (retromastoidal) dämpft lokoregional die aufsteigende (Leber-Yang-)Symptomatik in Form von Kopfschmerzen und Hitzegefühl am Kopf. Konstitutionell stabilisierend auf die Nierenenergie wirkt sich Ni 3 aus (zwischen Malleolus med. und Achillessehne: Yuan-/Quellpunkt) bzw. auf der lateralen Fersenseite Bl 60. Segmental wird bei entsprechender Indikation Bl 10 (paramedian subokzipital) ergänzt.

Eine kurmäßige Anwendung umfasst rund 7–8 Behandlungen à 20–30 Minuten und kann bei unbefriedigendem Ansprechen oder Rezidiv ggf. nach einer 4- bis 8-wöchigen Pause wiederholt werden.

Zwecks Überprüfung einer praxistauglichen Akupunktur wurde in einer Pilotstudie beidseits am Vorderrand des M. temporalis entsprechend dem Punkt Ex-KH 5 (Taiyang) für 10 Minuten genadelt. Initial wurde eine kurze periostale Reizung gesetzt. In die Pilotstudie wurden Kinder und Jugendliche ab dem 9. Lebensjahr einbezogen. Die Wirksamkeit der Akupunktur innerhalb einer Viertelstunde ist deutlich ausgeprägt. Dieser Therapieansatz wurde auch prospektiv kontrolliert überprüft [14].

Als technische Weiterentwicklung der Akupunktur bietet sich vor allem bei Spannungskopfschmerzen der Einsatz der Transkutanen Elektrischen Nervenstimulation (TENS) an. Die Methode unterstützt die Eigenaktivität und damit auch das Krankheitsbewältigungsverhalten.

TENS ist als kassenärztliche Leistung anerkannt (EBM-Ziffer 30712).

Die Kinder werden angeleitet, täglich eine halbe Stunde im Nackenbereich mit 30–100 Hz über dem M. trapezius (Gb 21) bzw. mit 2 Hz subokzipital (Gb 20) zu stimulieren. Innerhalb von 3 Monaten kann von einer Wirksamkeit von ca. 80 % ausgegangen werden [15].

Die chinesische Diätetik kommt bei kindlichen Kopfschmerzen in erster Linie zur konstitutionellen Stabilisierung in Betracht.

Insbesondere sollte auf schleimbildende Süßigkeiten, Trinkmilch, Quark, Farb- und Konservierungsstoffe sowie andere Nahrungszusätze verzichtet werden, da sie die Kohlenhydratverdauung („Milz“) belasten. Gemüse und Obst sind hingegen ohne Einschränkung zugelassen.

In einer kontrollierten Untersuchung fanden sich neue Einblicke in die Wirksamkeit eines auf der chinesischen Diätetik fußenden pragmatischen Konzepts [16]. Hierbei handelt es sich um den Vergleich einer prospektiven Ernährungsanleitung mit Broschüre vs. persönlicher Beratung. Die Studiendauer betrug 12 Wochen bei 117 Kindern und Jugendlichen von 7–18 Jahren. Die Diagnosen waren Spannungskopfschmerzen und Migräne. Ziel war eine mindestens 50 %ige Reduktion von Frequenz, Intensität und Dauer der Kopfschmerzen.

Die Ergebnisse der ernährungsmedizinischen Intervention zeigten sich wie folgt:

  • Die Nahrung stellten 71 Kopfschmerzkinder vollständig um, davon waren 40 persönlich beraten worden und 31 anhand der Broschüre.
  • Die Besserung stellte sich innerhalb von 12 Wochen ein: objektiv sprachen 57,7 % an (n = 41; persönlich 22, Broschüre 19), subjektiv sogar 83,1 % (n = 59; kein Gruppenunterschied).
  • Auffallend ist die geringere Abbruchrate bei der persönlichen Beratung, sodass hierbei eine bessere Compliance unterstellt werden kann.

Durch eine Kombination von Broschüre und Beratung ließe sich zukünftig wahrscheinlich eine effektive Nahrungsumstellung in kürzerer Beratungszeit erzielen. Die Ergebnisse unterscheiden sich nicht wesentlich von einer strengen und naturgemäß nur kurz einsetzbaren Diätstrategie [16].

Die chinesische Phytotherapie stößt aufgrund geschmacklicher Aversion an Grenzen bei der Umsetzung im Kindesalter. Oft ist jedoch allein die Ernährungsumstellung so wirksam, dass die Indikation für diese Therapieform seltener gegeben ist. Wenn erforderlich, können syndrombezogene bzw. konstitutionell stärkende Pflanzengemische verwendet werden, z.B. nicht alkoholische Lösungen aus der Kampomedizin.

Die Literaturliste finden Sie hier.

Dr. med. Raymund Pothmann studierte Humanmedizin und Psychologie, Spezialausbildung in Kinderneurologie. Der Facharzt für Kinderheilkunde leitet seit 2003 das Zentrums Integrative Kinderschmerztherapie und Palliativmedizin Delfin-Kids, SAPV KinderPaCT und Kinderhospiz Sternenbrücke, Hamburg. Seine klinisch-wissenschaftliche Schwerpunkte sind: Schmerzmessung, Kopfschmerzepidemiologie und -prophylaxe, TENS.