In einer aktuellen Studie führte die intensive Blutdrucksenkung zu weniger kardiovaskulären Ereignissen und Todesfällen als die Standardbehandlung.
Demnach profitieren Menschen mit Bluthochdruck und hohem kardiovaskulärem Risiko von einer Blutdrucksenkung mit Zielwerten von systolisch unter 120 mm Hg (gegenüber 140 mm Hg). Der therapeutische Nutzen war auch bei Menschen mit einem Schlaganfall in der Vorgeschichte vorhanden.
Die neuen Erkenntnisse könnten die Schlaganfallnachsorge nachhaltig verändern, da bisher nur eine Senkung auf Werte unter 140 mm Hg angestrebt wird.
Intensive Blutdrucksenkung bei hohem kardiovaskulärem Risiko
In der ESPRIT-Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit einer intensiven Blutdrucksenkung (Zielwert unter 120 mm Hg) mit der Standardbehandlung (Zielwert unter 140 mm Hg) bei Menschen mit hohem kardiovaskulärem Risiko verglichen. Darunter Menschen mit Diabetes mellitus, früherem Schlaganfall oder anderen kardiovaskulären Risikofaktoren.
Von den 11.255 Teilnehmenden mit einem mittleren Alter von 64,6 ± 7 Jahren hatten 4359 einen Diabetes mellitus und 3022 einen Schlaganfall in der Vorgeschichte. 5624 erhielten eine intensive Blutdrucksenkung (unter 120 mm Hg) und 5631 die Standardbehandlung (unter 140 mm Hg). Der primäre kombinierte Endpunkt umfasste Ereignisse wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Klinikaufenthalt wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer Tod.
Ergebnisse
Während der Nachbeobachtungszeit von median 3-4 Jahren betrug der mittlere systolische Blutdruck in der Gruppe mit intensiver Behandlung 119 mm Hg (SD 11,1) und in der Gruppe mit Standardbehandlung 134,8 mm Hg (SD 10,5). Es gab bei den Ergebnissen insgesamt keine Abhängigkeit vom Diabetesstatus, der Diabetesdauer oder der Schlaganfallanamnese.
- Der primäre Endpunkt trat bei 547 (9,7 %) der Personen mit intensiver Blutdrucksenkung und bei 623 (11,1 %) unter Standardbehandlung auf.
- Der Unterschied zwischen den Gruppen bzw. die Risikoreduktion (HR 0,88; 95 % KI 0,78-0,99) war statistisch signifikant (p=0,028).
- Unerwünschte Ereignisse wie Hypotonie und Synkopen traten in der Intensivbehandlungsgruppe zwar häufiger auf als in der Standardbehandlungsgruppe (0,4% vs. 0,1 %).
- Doch hinsichtlich schwerwiegender unerwünschter Ereignissen wie Elektrolytveränderungen, Stürzen oder akuter Nierenschädigung gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.
- In der Intensivbehandlungsgruppe kam es bei 4,7 % der Patient*innen zu Schlaganfällen, in der Standardgruppe bei 5,4 % (HR 0,86; 95% KI 0,73-1,02). Diese Reduktion verfehlte statistisch das Signifikanzniveau (p=0,083).
Auch die Subgruppenanalyse führte nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen: Alle Risikogruppen profitierten gleichermaßen von der intensiveren Blutdrucksenkung, Patient*innen mit stattgehabten Schlaganfall ebenso wie Studienteilnehmende, deren kardiovaskuläres Risiko aus anderen Gründen erhöht war.
Die ESPRIT-Studie* ist die bisher größte randomisierte kontrollierte Studie zu den Auswirkungen einer Blutdrucksenkung auf Werte unter 120 mm Hg auf schwerwiegende vaskuläre Ereignisse. Es ist außerdem die erste randomisierte Studie, die dies bei Personen mit hohem kardiovaskulärem Risiko untersuchte, ohne jene mit Diabetes oder früherem Schlaganfall auszuschließen.
*ESPRIT: Effects of Intensive Systolic Blood Pressure Lowering Treatment in Reducing Risk of Vascular Events
Kommentar
„Die aktuellen Studienergebnisse legen nahe, dass Patient*innen mit hohem kardiovaskulärem Risiko, darunter auch Menschen, die einen Schlagfall erlitten hatten, von einer intensiveren systolischen Blutdrucksenkung auf Werte unter 120 mm Hg profitieren. Zwar geben sie keinen Beleg dafür, dass es zu weniger Folgeschlaganfällen kommt, aber das Risiko für das Eintreten der im primären kombinierten Endpunkt erfassten Ereignisse reduzierte sich um 12 %. Dieses Studienergebnis wird die derzeit gängige Praxis der Nachsorge von Schlaganfallpatient*innen nachhaltig ändern und dafür sorgen, dass eine ambitioniertere Blutdrucksenkung als bisher angestrebt wird“, kommentiert Prof. Peter Berlit von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
Weiterführende Studien zur Frage, ob eine intensive Blutdrucksenkung auch das Schlaganfallrisiko senken kann, seien nun notwendig, ergänzt Neurologe Prof. hans Christoph Diener.
Hintergrund
Aktuell empfiehlt die Leitlinie zur Sekundärprophylaxe von ischämischen Schlaganfällen eine langfristige Blutdrucksenkung auf Werte unter 140/90 mm Hg. Wenn es im Hinblick auf Vorerkrankungen, das Alter und die Verträglichkeit möglich ist, könne auch auf Werte von 120-130 mm Hg gesenkt werden.
Kritisch ist dabei die Frage, ob der niedrige Blutdruck toleriert wird.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie