GastroenterologieDarmgesundheit beginnt auf dem Teller

Ernährung ist in der Prävention gastroenterologischer Erkrankungen eine fundamentale Säule. Was auf den Teller kommen sollte und woran es hapert.

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Darmfreundliche Ernährung ist ballaststoffreich, pflanzenbasiert und wenig verarbeitet.

Die Ernährung ist der wohl wichtigste Hebel, um Krankheiten der Verdauungsorgane vorzubeugen. Prof. Birgit Terjung von der Fachgesellschaft der Gastroenterolog*innen (DGVS) drückt es so aus: "Darmgesundheit beginnt auf dem Teller." Und betont gleichzeitig: Präventive Ernährung ist mehr als ein individuelles Gesundheitsziel, sie ist relevanter Bestandteil einer resilienten Gesundheitsversorgung.

Warum präventive Ernährung?

Der Magen-Darm-Trakt mit den anhängenden Verdauungsdrüsen (Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse) bildet das größte zusammenhängende Organsystem im menschlichen Körper. Der Darm fungiert als riesige Kontaktfläche für die diversen Nahrungsmittel, die wir zu uns nehmen. Das Mikrobiom mit bis zu 100 Billionen Mikroben stellt einen wichtigen Player mit noch vielen Fragezeichen dar.

Die Stoffwechselprodukte der chemisch und bakteriell verdauten Nahrungsmittel wirken lokal auf die Darmschleimhaut. Das Verdauungssystem hat aber auch Fernwirkung auf entfernt liegende Organsysteme wie Herz, Hirn, Lunge und Harnorgane. Diese Verbindungen stehen unter Begriffen wie Darm-Hirn-Achse, Darm-Herz- oder Darm-Leber-Achse im Fokus der Forschung. Mit der Frage nach möglicher Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleber oder auch neurodegenerativen Erkrankungen durch Ernährung.

Das enorme präventive Potenzial von Ernährungs- und Lebensstilfaktoren gilt in Forschung und Praxis als unstrittig.

Wie kann präventive Darmgesundheit auf dem Teller beginnen?

Gut bekannt sind die allgemeinen Empfehlungen zur gesunden Ernährung (Deutschen Gesellschaft für Ernährung) [1]. Darin werden empfohlen:

  • eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung mit einem hohen Anteil an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Samen, Saaten und Nüssen, Ölen, wenig verarbeiteten Kohlenhydraten,
  • geringen Mengen an tierischen Produkten (konkret zum Beispiel 200 g Fleisch pro Woche),
  • moderaten Mengen an Milchprodukten,
  • idealerweise 2- bis3-mal pro Woche fetter Fisch mit einem hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren,
  • Flüssigkeitszufuhr von 1,5 bis 2 l Wasser, Tee oder zuckerfreien Getränken täglich.

Und nicht zu vergessen: Die gesunde, präventive Wirkung von Kaffee – 2 bis 3 Tassen pro Tag gelten als gesund.

Mediterrane Ernährung 

Die Empfehlungen folgen der als mediterrane Ernährung bezeichneten Ernährungsform. ie mediterrane Ernährung wird inzwischen in Leitlinien der Hepatogastroenterologie empfohlen. Unter anderem bei metabolisch bedingten Fettlebererkrankungen (MASLD) - zur Prävention und Therapie.

Weitgehender Fleischverzicht günstig für den Darm

Der weitgehende oder vollständige Verzicht auf Fleischprodukte wirkt sich präventiv auf die Entstehung von Entzündungen und Krebserkrankungen aus. Gut bekannt ist der Zusammenhang, dass der regelmäßige Verzehr von rotem Fleisch ein erhöhtes Darmkrebsrisiko bedingen kann.

Die Kosten für die Behandlung von Krebserkrankungen der Verdauungsorgane lagen 2020 bei 6,7 Milliarden Euro in Deutschland und sind seit 2015 um 48 Prozent gestiegen. Ungesunde Ernährung dürfte einen Beitrag zu dieser Entwicklung geleistet haben [2].

Hochverarbeitete Nahrungsmittel als Risikofaktor

Der steigende Konsum von hochverarbeiteten Nahrungsmitteln dürfte seinen Anteil an den relevanten Gesundheitsrisiken haben. Eine paneuropäische Studie des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie der EU gezeigt:

  • 65 Prozent der über 10.000 befragten Europäer aus 17 Ländern betonen klar, dass hochverarbeitete Nahrungsmittel ungesund seien und vermieden werden sollten [3].
  • Trotzdem liegt der tägliche Genuss von hochprozessierten Nahrungsmitteln bei bis zu 50 Prozent der täglich aufgenommenen Kalorien.

Wie kommt es zu diesem Widerspruch? Ist gut definiert, welche Nahrungsmittel als hochverarbeitete Nahrungsmittel einzustufen sind? Und vor allem, ob und woran man diese beim Einkauf zuverlässig erkennen kann?

Ein klares Labeling auf den Nahrungsmitteln existiert bis dato nicht. Die verpflichtende Liste der Inhaltsstoffe weist dies nicht aus.

Wie sieht es beispielsweise mit den zahlreichen veganen Ersatzprodukten für Nahrungsbestandteile tierischer Herkunft aus? Vegan wird häufig pauschal mit gesund und tierische Produkte mit ungesund gleichgesetzt.
Oder die zahlreichen vegetarischen Gemüse- und Obst-Smoothies? Zuckerfreie Getränke vermitteln dem Verbraucher den Eindruck, dass das Getränk dank des fehlenden Zuckers gesund sei. Dabei wurde nur der Haushaltszucker weggelassen und stattdessen andere Zucker wie Fruchtzucker oder Zuckerersatzstoffe mit deutlich höherer Süßkraft verwendet.

Hochverarbeitete Nahrungsmittel enthalten häufig deutlich höhere Mengen an freiem Zucker, Salz, gesättigten Fettsäuren oder Transfetten als nicht verarbeitete.

Daten deuten darauf hin, dass

  • die stete Zunahme von hochverarbeiteten Nahrungsmitteln auf dem Speiseplan beispielsweise das Risiko für Krebserkrankungen deutlich erhöht.
  • So führt ein 10-prozentiger Anteil an hochverarbeiteten Nahrungsmitteln täglich zu einer Risikoerhöhung für Krebserkrankungen um 12 Prozent, unter anderem Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs [4][5][6][7].

Diese Beobachtungen und Daten sollten die verschiedensten Stakeholder auf den Plan rufen, um effektive Präventionsmöglichkeiten zur Darmgesundheit durch eine gesunde Ernährung erreichen zu können.

Wer trägt die Verantwortung?

Terjung appelliert an die Eigenverantwortung jedes Einzelnen. Genauso stehen auch Ärzt*innen, Ernährungstherpeut*innen, Politiker*innen und Lebensmittelhersteller*innen in der Pflicht.

Bereits die Ampel-Regierung hatte in ihrem Koalitionspapier formuliert, dass "gutes Essen für Deutschland" für jedermann und überall verfügbar gemacht werden solle [4]. Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition verspricht, den selbstbestimmten Verbraucher umfassend und vorsorgend zu schützen [9]. Konkret sollten Projekte zur gesunden Verpflegung in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, Seniorenheimen und
Krankenhäusern fortgesetzt und ausgeweitet werden.

Gesunde Verpflegung in Gemeinschaftseinrichtungen unterstützt nicht nur die Gesundheit des Einzelnen. Sie kann auch als Multiplikatoreffekt die Kenntnisse und Erfahrungen in nachgeordnete Institutionen (zum Beispiel Familien) tragen.

Verbraucherfreundliche Nährwertkennzeichnung notwendig

Eine vereinfachte, EU-weite Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite verpackter Lebensmittel könnte Verbraucher*innen bei der Auswahl gesunder Nahrungsmittel unterstützen. In der Folge ließen sich Ernährungsgewohnheiten verbessern und damit ernährungsbedingte Erkrankungen verhindern [10][11].

In Deutschland wird zumeist der Nutri-Score in Form eines Ampelsystems eingesetzt. Informationen zu einzelnen Nährstoffen werden jedoch nicht gegeben. Die Einführung eines EU-weiten einheitlichen Labellings wäre mehr als wünschenswert, insbesondere auf hochverarbeiteten Lebensmitteln.

Ernährungsmedizinische Expertise ausbauen

Ernährungsmedizinische Expertise bildet eine fundamentale Säule für eine effektive gastroenterologische Prävention. Ärzte und Ärztinnen fungieren häufig als Vertrauenspartner*in für die Patient*innen. Sie können zu einer präventiv wirksamen, gesunden Ernährung motivieren. Erhebungen der DGVS belegen das, zeigen aber dringenden Nachholbedarf.

Ernährungsmedizinische Leistungen können vor allem im Krankenhaus praktisch nicht über Abrechnungssysteme abgegolten werden. Deshalb können sich viele Krankenhäuser in ihrer wirtschaftlich angespannten Lage keine Ausweitung ihrer Personalsituation leisten, um notwendige Ernährungsteams aufzubauen.

Hier besteht dringender Handlungsbedarf vonseiten der Gesundheitspolitiker.

Kinder und Jugendliche schützen

Die omnipräsente Werbung in Fernsehen, sozialen Medien oder Außenwerbung für ungesunde Lebensmittel zieht fatale gesundheitliche Folgen nach sich. Besonders Kinder und Jugendlichen müssten vor Werbung für ungesunde Lebensmittel geschützt werden, appelliert Terjung.

Mindestens 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind von Übergewicht betroffen. Ihnen drohen im späteren Leben in erhöhtem Maße Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und ein erhöhtes Krebsrisiko.

Bereits die Ampel-Koalition formulierte in ihrem Koalitionsvertrag, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Werbung mit Lebensmitteln mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt sicherzustellen. Dieser Auftrag sollte trotz aller Widerstände aus Lebensmittelhersteller-Verbänden und -Unternehmen wieder aufgenommen und gesetzlich verankert werden [12].

Quelle: Jahrespressekonferenz der DGVS 2025

  1. DGE. Ernährungsempfehlungen der DGE. 2024. https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/gut-essen-und-trinken/
  2. DGVS. Gastroenterologie. Herausforderungen und Chancen für die Zukunft. https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2024/06/Leaflet-Weissbuch-2024_final.pdf
  3. United European Gastroenterology. Nutrition and chronic digestive diseases: an action plan for Europe. https://www.espen.org/files/UEG-Report.pdf
  4. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Deutschland, wie es isst. Der BMEL-Ernährungsreport 2023. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/ernaehrungsreport-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=4
  5. Behsnilian D et al. Einordnung von Lebensmitteln nach dem Verarbeitungsgrad und Bewertung gängiger Klassifizierungssysteme in der Ernährungsforschung. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Hrsg. 15. DGE-Ernährungsbericht. 2023; Vorveröffentlichung Kapitel 8. https://www.dge.de/fileadmin/dok/wissenschaft/ernaehrungsberichte/15eb/15-DGE-EB-Vorveroeffentlichung-Kapitel8.pdf
  6. Mertens E, Colizzi C, Peñalvo JL. Ultra-processed food consumption in adults across Europe. Eur J Nutr 2022; 61: 1521-1539
  7. Isaksen IM, Dankel SN. Ultra-processed food consumption and cancer risk: A systematic review and meta-analysis. Clin Nutr 2023; 42(6): 919-928
  8. Lane MM, Gamage E, Du S et al. Ultra-processed food exposure and adverse health outcomes: an umbrella review of epidemiological meta-analyses. BMJ 2024; 384: e077310
  9. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD der 21. Legislaturperiode. Verantwortung für Deutschland. https://www.koalitionsvertrag2025.de/sites/www.koalitionsvertrag2025.de/files/koav_2025.pdf
  10. Nutri-Score. Einfach. Besser. Essen. https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittel-kennzeichnung/freiwillige-angaben-und-label/nutri-score/nutri-score_node.html
  11. Elmadfa I, Meyer AL. „Front of Pack-Labelling“ als Beitrag zur Verbesserung des Ernährungsverhaltens. Ernährungs Umschau Int 2019. Doi: 10.4455/eu.2019.038
  12. Gemeinsame Pressemitteilung der Bundesärztekammer vom 17.06.2024: Schutz der Kinder vor ungesunder Lebensmittelwerbung muss jetzt gesetzlich verankert werden. https://www.bundesaerztekammer.de/presse/aktuelles/detail/schutz-der-kinder-vor-ungesunder-lebensmittelwerbung-muss-jetzt-gesetzlich-verankert-werden