
Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin werden als vermeintlich unbedenkliche Einschlafhilfe vermarktet.
Mit der Aufnahme melatoninhaltiger Nahrungsergänzungsmittel können unerwünschte gesundheitliche Effekte verbunden sein. Darauf weist das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hin.
Auf Basis der vorhandenen wissenschaftlichen Daten rät das BfR insbesondere Schwangeren, Stillenden, Kindern, Jugendlichen oder Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen von der eigenständigen, unkontrollierten Verwendung melatoninhaltiger Nahrungsergänzungsmittel ab.
„Melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht unkritisch – insbesondere über einen längeren Zeitraum – eingenommen werden“, sagt BfR -Präsident Prof. Andreas Hensel. „Wer unter Schlafstörungen leidet, sollte die Ursache dafür ärztlich abklären lassen.“
Arzneimittel vs. Nahrungsergänzungsmittel
Bei einem Teil der auf dem Markt erhältlichen Nahrungsergänzungsmittel (NEM) entspricht oder übersteigt die empfohlene Tagesdosis an Melatonin die übliche Dosierung zugelassener melatoninhaltiger Arzneimittel.
NEM sind Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Sie unterliegen daher im Gegensatz zu Arzneimitteln keiner Zulassungspflicht und werden nicht generell auf ihre Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit hin geprüft.
Während die Einnahme von Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Melatonin unter ärztlicher Kontrolle erfolgt, können Verbraucher*innen melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel ohne vorherige ärztliche Beratung bzw. ohne Rezept erwerben. Es ist davon auszugehen, dass Personen mit Ein- oder Durchschlafproblemen melatoninhaltige NEM gegebenenfalls auch langfristig unkontrolliert einnehmen.
Gesundheitliche Risiken, die mit der Einnahme melatoninhaltiger NEM – insbesondere bei Langzeitanwendung – verbunden sein könnten, wurden bisher nur unzureichend untersucht. Auf Grundlage der vorliegenden wissenschaftlichen Datenlage kann daher ein belastbarer gesundheitsbasierter Richtwert für die Zufuhr von Melatonin über NEM, bei dessen Einhaltung keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abgeleitet werden.
Unerwünschte Folgen einer Melatonin-Einnahme
Als unerwünschte Folgen einer Melatonin-Einnahme bei gesunden Erwachsenen werden häufig genannt:
- ausgeprägte Tagesmüdigkeit,
- verringerte Aufmerksamkeit oder
- verlängerte Reaktionszeiten.
Das kann etwa im Straßenverkehr oder bei bestimmten beruflichen Tätigkeiten das Unfallrisiko erhöhen.
Andere mögliche unerwünschte Effekte im Zusammenhang mit der Einnahme von Melatonin umfassen u.a.:
- Kopfschmerzen,
- Blutdruckabfall,
- Reduktion der Körpertemperatur,
- Albträume,
- Kraftlosigkeit,
- Gangunsicherheit.
Melatonin und Diabetes
Die Daten aus wissenschaftlichen Studien legen nahe, dass zumindest bei einigen Personengruppen weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen hinzukommen können. So zeigen beispielsweise Untersuchungen an Erwachsenen, dass eine einmalige Einnahme von Melatonin akut den Blutzuckerspiegel beeinflussen kann. Daraus ergibt sich die Frage, ob eine langfristige Einnahme melatoninhaltiger NEM das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöhen könnte.
- Das BfR empfiehlt Personen mit erhöhtem Diabetes-Risiko, Melatonin nur nach ärztlicher Rücksprache einzunehmen.
Melatonin und Wachstumshormone
Untersuchungen an Erwachsenen zeigten bei Einnahme vergleichsweise niedriger Dosierung von Melatonin einen Einfluss auf verschiedene Hormone, etwa auf die Konzentration des Wachstumshormons GH.
Ob unter längerfristiger oraler Zufuhr von Melatonin Längenwachstumsveränderungen bei Kindern und Jugendlichen auftreten könnten, ist momentan ungewiss und erfordert weitere Untersuchungen. Zudem ist unklar, inwiefern oral zugeführtes Melatonin einen Einfluss auf die individuelle hormonelle bzw. pubertäre Entwicklung haben könnte.
- Aus diesem Grund sollten Kinder und Jugendliche von der unkontrollierten Einnahme melatoninhaltiger NEM ausgenommen werden.
Melatonin bei Kinderwunsch, Schwangerschaft, Stillzeit
Das BfR rät auch Schwangeren, Stillenden und Frauen mit Kinderwunsch von der unkontrollierten Melatonin-Einnahme ab. Melatonin geht auf das Ungeborene im Mutterleib bzw. auf die Muttermilch über. Babys können Melatonin nur sehr langsam abbauen.
Melatonin bei Erkrankungen und Arzneimitteleinnahme
Auf die unkontrollierte Einnahme von Melatonin sollten auch Menschen mit eingeschränkter Leber- und/oder Nierenfunktion sowie Personen, die an einer Autoimmunerkrankung oder an Epilepsie leiden, verzichten.
Aufgrund möglicher Wechselwirkungen zwischen zugeführtem Melatonin und bestimmten Arzneistoffen sollten Personen, die Arzneimittel einnehmen, eine Einnahme von Melatonin vorher ärztlich abklären. Dies gilt insbesondere bei bestimmten blutdrucksenkenden Arzneistoffen, Gerinnungshemmern oder Antidepressiva.
Hintergrund: Melatonin
Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das an der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus sowie der Regulation anderer Funktionen im Körper beteiligt ist. Melatonin ist als Wirkstoff in bestimmten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit definierten Verwendungsbedingungen zugelassen. Dazu gehören u.a. die zeitlich begrenzte Behandlung von Schlafstörungen bei Personen ab 55 Jahren sowie bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2 bis 18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung und/oder Smith-Magenis-Syndrom.
Grundsätzlich ist zu beachten, dass es von Mensch zu Mensch erhebliche Unterschiede beim Abbau von oral aufgenommenem Melatonin gibt. Das hängt u.a. mit dem Lebensalter und individuellen genetischen Merkmalen zusammen. Dadurch kann es bei einigen Personen zeit- und dosisabhängig zu überhöhten Spiegeln an Melatonin im Körper kommen. Diese können mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten unerwünschter gesundheitlicher Wirkungen vebunden sein.
Das BfR empfiehlt auch im Allgemeinen gesunden Erwachsenen, melatoninhaltige NEM nicht unkontrolliert und nicht regelmäßig über einen längeren Zeitraum einzunehmen.
Hier geht's zur ausführlichen Stellungnahme.
Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung