Die kürzlich vorgestellten Ergebnisse des Sonderberichts zu Produkten mit Kinderoptik im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zeigen: In Fertigprodukten stecken noch immer zu viel Zucker, Fette und Salz. Dies gilt auch für Produkte mit Kinderoptik, die teilweise sogar mehr Zucker oder Fett enthalten als vergleichbare Produkte ohne Kinderoptik.
Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) erklärt dazu:
„Die neuen Daten des Max Rubner-Instituts belegen den gesetzlichen Handlungsbedarf für verbindliche Regeln zum Schutz der Kindergesundheit. Die Strategie der freiwilligen Selbstverpflichtungen ist offenkundig gescheitert. Obwohl die Ernährungsindustrie seit vielen Jahren Besserung gelobt, sind die Zuckergehalte in Lebensmitteln für Kinder nach wie vor zu hoch und teilweise sogar gestiegen. Nicht einmal die Hälfte der vermeintlichen Kinderprodukte erfüllt die Nährwert-Empfehlungen für Zucker, Fett und Salz der Weltgesundheitsorganisation. Die Verbände der Lebensmittelwirtschaft beklagen fast täglich, dass ein viel zu großer Anteil der Lebensmittel unter die geplanten Werbebeschränkungen falle. Dieses Problem ist hausgemacht und zeigt letztlich nur, wie unausgewogen das Lebensmittelangebot aktuell ist.“
Hintergrund: Wissenschaftliches Produktmonitoring des BMEL
Das Produktmonitoring aus dem Herbst 2022 hat gezeigt, dass die Zuckergehalte trotz Reduktionen bei bestimmten Lebensmitteln in gesüßten Milchprodukten, Frühstückscerealien und Erfrischungsgetränken zu hoch sind. In Suppen, Eintöpfen und Instantgerichten sind die Salz- und Fettgehalte weiterhin hoch.
Die vertiefte Auswertung des Zuckergehalts von gesüßten Erfrischungsgetränken mit Kinderoptik zeigt: In n den letzten fünf Jahren hat sich kaum etwas verändert.
Im Gegenteil: Die besonders zuckerhaltigen Kindergetränke sind sogar noch zuckriger geworden. Seit 2019 ist das obere Viertel der Zuckergehalte von 7,4 g/100ml auf 8,4 g/100ml gestiegen. Das entspricht umgerechnet fast sechs Zuckerwürfeln in einem üblichen 200ml-Trinkglas.
Frühstückscerealien für Kinder enthalten mit 17 g Zucker pro 100 g im Durchschnitt sogar mehr Zucker als der Durchschnitt aller Frühstückscerealien (14,7g/100g). So entspricht der durchschnittliche Zuckergehalt von Flakes mit Kinderoptik beispielsweise mehr als vier Zuckerwürfeln in 100 g. Die Daten des Max Rubner-Instituts zeigen darüber hinaus, dass deutlich weniger als die Hälfte der einbezogenen Produkte mit Kinderoptik die Kriterien des aktuellen Nährwertprofil-Modells der Weltgesundheitsorganisation erfüllen.
Dazu sagt Bundesernährungsminister Cem Özdemir: "Egal ob gesüßte Erfrischungsgetränke oder Frühstücksflocken: Der Zuckergehalt in Lebensmitteln für Kinder ist immer noch zu hoch. Bei den Getränken ist er sogar teilweise gestiegen. Gerade in den Flakes mit lustiger und bunter Kinderoptik steckt oft mehr Zucker als in vergleichbaren Produkten für Erwachsene. Und leider ist es auch so, dass die Produkte, die besonders viel Zucker, Fette und Salz enthalten, uns oftmals besonders gut schmecken – und auch dazu verleiten, mehr davon zu essen, als es gut für uns ist. Jedes Kind in Deutschland soll die Chance haben, gesund aufzuwachsen – und zwar unabhängig von dem Einkommen der Eltern, der Bildung oder der Herkunft. Deshalb kämpfe ich für einen besseren Kinderschutz und gute Ernährung. Gerade im Kindesalter wird das Ernährungsverhalten entscheidend für das weitere Leben geprägt."
Prof. Pablo Steinberg, Präsident des Max Rubner-Instituts, ergänzt: "Von Beginn an stehen beim Produktmonitoring die Lebensmittel mit Kinderoptik im Fokus. Dies ist uns deshalb so wichtig, weil schon bei den Jüngsten durch ungünstige Ernährung die Grundlage für spätere ernährungsmitbedingte Erkrankungen gelegt wird."
Für eine breite Datengrundlage zu an Kinder gerichteten Produkten wurden für eine Sonderauswertung auch frühere Erhebungen des Monitorings anderer Produktgruppen mit Kinderoptik erfasst. Hier zeigt sich, dass die erzielten Veränderungen bei den Energie- und Nährstoffgehalten bisher noch nicht ausreichen, um zu einer deutlichen Reduktion der durchschnittlichen Zucker-, Fett-, Salz- und Energieaufnahme bei Kindern beizutragen.
In folgenden Fällen enthielten Produkte mit Kinderoptik sogar mehr Energie, Zucker oder Fett als vergleichbare Produkte ohne Kinderoptik bzw. die Gesamtstichprobe:
- Kinder-Frühstückscerealien: Höherer medianer Zuckergehalt bei bestimmten Flakes und Knuspererzeugnissen (2022)
- Kinder-Waffelgebäck: höchster medianer Fettgehalt (2021)
- Müsliriegel für Kinder: Höherer medianer Zuckergehalt als bei allen anderen Müsliriegeln (2020)
- Nudelsoßen für Kinder: höchster medianer Zuckergehalt unter den Nudelsoßen (2021)
- panierte, vorgegarte Geflügelprodukte mit Kinderoptik: höherer medianer Energie- und Fettgehalt als bei den meisten vergleichbaren Produkten (2020)
- Kinder-Salami: höherer medianer Energie- und Fettgehalt als bei allen anderen (außer Snack-Salami) (2020)
- Reguläre Erfrischungsgetränke mit Kinderoptik: Höherer medianer Zuckergehalt als bei vergleichbaren Produkten (2022)
Fertigprodukte müssen gesünder werden
"Fertigprodukte für Kinder und Erwachsene müssen gesünder werden. Wer viel davon isst, erhöht sein Risiko für schwerwiegende Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 oder Adipositas. Die Unternehmen haben es selbst in der Hand, Rezepturen zu verbessern. Mir ist wichtig, dass nun zügig wissenschaftlich fundierte Reduktionziele entwickelt werden", sagte Cem Özdemir.
Wie hoch die Reduktionsziele in den einzelnen Lebensmittelgruppen ausfallen können, soll auf der Grundlage eines vom Max Rubner-Institut koordinierten Beteiligungsprozesses ermittelt werden. Hier soll zunächst mit Expert*innen aus der Wissenschaft eine Methodik zur Ableitung von wissenschaftlich fundierten und auf Zielgruppen abgestimmten Reduktionszielen entwickelt werden. Anschließend werden möglichst konkrete Reduktionsziele erarbeitet.
Alle Ergebnisse des Produktmonitorings finden Sie detailliert unter diesem Link.
Quellen: Deutsche Diabetes Gesellschaft/Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft