Wird bei chronischen Rückenschmerzen zu einer schmerzbedingten OP geraten, sollte eine interdisziplinäre Zweitmeinung verpflichtend sein - um sinnlose OP's zu verhindern.
Evaluation der OP-Indikation durch interdisziplinäres Team
Der Schmerzmediziner Dr. Michael Überall hat auf dem Deutschen Schmerztag die Ergebnisse einer Evaluation von 9700 Schmerzpatient*innen vorgestellt. Sie hatten bis Dezember 2022 vor einer elektiven Wirbelsäulenoperation zur Linderung ihrer Kreuz-/Rückenschmerzen das Zweitmeinungsangebot der Integrative Managed Care GmbH (IMC) in Anspruch genommen. Das Angebot beinhaltet drei unabhängig voneinander durchgeführte einstündige Evaluationen durch einen Schmerzmediziner, einen Physiotherapeuten und einen Psychotherapeuten sowie eine gemeinsame interdisziplinäre Schmerzkonferenz aller Beteiligten.
Ergebnisse der Evaluation
- Die Indikation für eine schmerzbedingte OP wurde nur in 438 Fällen – entsprechend 4,5 % – bestätigt.
- In 60 % der Fälle empfahlen die IMC-Teams eine spezialisierte ambulante multimodale Schmerztherapie.
- In 35,5 % der Fälle wurde eine modifizierte konservative Therapie der gesetzlichen Regelversorgung empfohlen.
Sinnlose Operationen verhindern
Zweitmeinungsangebote sollten als verpflichtende Routineverfahren bei Patient*innen mit therapieschwierigen Kreuz-/Rückenschmerzen etabliert werden, wenn zu einer Wirbelsäulen-OP geraten wird, so Überall. Es ginge nicht darum, Operationen generell, sondern sinnlose Operationen zu verhindern.
Chronische Kreuz-/Rückenschmerzen sind demnach sehr oft nicht mit strukturverändernden Auslösern in der Wirbelsäule verbunden. Auch wenn solche Veränderungen vorliegen, haben die Schmerzen meist andere Ursachen. Die Indikation dürfe deshalb nicht von einzelnen Experten und Therapeuten getroffen werden, sondern grundsätzlich nur durch ein interdisziplinäres Team.
Dr. Michael Überall wurde für sein Poster zu den Ergebnissen der Evaluation mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Das Preisgeld kommt der Deutschen Schmerzliga zugute.
Hintergrund
In Deutschland wird so häufig wie in kaum einem anderen Industrieland operiert. Nicht alle Patient*innen profitieren davon - und leiden auch nach der OP weiter an Schmerzen. Versicherte haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung bei bestimmten planbaren Eingriffen.
Interdisziplinäre Zweitmeinung
Mitglieder der Vertragskassen benötigen für die interdisziplinäre Zweitmeinung eine Überweisung des behandelnden Arztes/der Ärztin oder eine Krankenhauseinweisung zu einer Rücken- oder Gelenkersatz-OP.
In den vertraglichen Schmerzzentren erhalten die Patient*innen einen Termin zur interdisziplinären Untersuchung und Zweitmeinung zur geplanten Operation.
Im Falle einer Ablehnung der OP-Indikation erhalten die Patient*innen eine ausführliche Begründung für ihre behandelnden Ärzt*innen und Empfehlungen zu möglichen Änderungen in der Regelversorgung.
Weitere Informationen
IMC - Integrative Managed Care GmbH
Quelle: IMC - Integrative Managed Care
Die Auszeichnung des Posters mit dem 1. Preis könne dazu beitragen, in Gesprächen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem Bundesgesundheitsministerium und insbesondere den Krankenversicherungen neue Wege zu beschreiten. Bei schmerzbedingten Wirbelsäulenoperationen als G-BA-Angebot der Regelversorgung sei mit den Schmerztherapeuten erstmals eine nicht operativ tätige Fachdisziplin als zur Zweitmeinung berechtigte Gruppe aufgenommen worden.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin/Ni