SüßstoffFrüher in die Pubertät - durch künstliche Süßstoffe?

Aspartam, Sucralose, Glycyrrhizin, Acesulfam-K: Süßstoffe können Entwicklungsprozesse beeinflussen. Zum Beispiel eine vorzeitige Pubertät.

Puderzucker in einer Holzschale, darauf ein Holzlöffel mit Süßstofftabletten
Pixel-Shot/stock.adobe.com

Nutzen und Risiken von zuckerfreien Süßstoffen sind noch nicht eindeutig geklärt. Aber die Hinweise mehren sich, dass übermäßiger Verzehr auch Risiken hat.

Klar ist: Was Kinder essen und trinken beeinflusst ihre Entwicklung. Produkte mit Süßungsmitteln haben einen überraschend starken Einfluss auf die Entwicklung und auch auf die Pubertät.

Süßstoff: Unbedenkliche kalorienfreie Süße?

Kinder kommen heute immer häufiger deutlich früher in die Pubertät – teilweise auch mit gesundheitlichen Folgen. Eine mögliche Ursache findet sich in vielen Kinderlebensmitteln – künstliche, aber auch natürliche Süßstoffe. Expert*innen sehen den Konsum von künstlich und stark gesüßten Getränken und Snacks schon länger kritisch.

Noch wird der kalorienarme Zuckerersatz intensiv vermarktet, mit der Idee den Zuckerkonsum zu senken. Denn süß schmeckende Getränke wie Softdrinks zählen in unseren europäischen Breitengraden zu einem Hauptfaktor der Zuckeraufnahme von Kindern und Jugendlichen.

Das hat Folgen. Wird der Geschmackssinn der Kinder ständig auf süß geprägt, greifen sie auch später oft zu süßen Produkten. Langfristig erhöht dies u.a. das Risiko für Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Karies oder weniger Vielfalt in der Ernährung.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie untermauert den Zusammenhang zwischen einem hohen Konsum von Süßstoffen wie Acesulfam-K & Co. mit einer vorzeitigen Pubertät. Insbesondere bei genetisch veranlagten Kindern kann die sexuelle Entwicklung stark beschleunigt werden.

Vorzeitige Pubertät

Die vorzeitige Pubertät (Pubertas preacox) ist definiert als frühzeitige körperliche Entwicklung mit der Ausbildung von sekundären Geschlechtsmerkmalen (Brustentwicklung, Schambehaarung):

  • vor dem 8. Lebensjahr bei Mädchen und
  • vor dem 9. Lebensjahr bei Jungen.

Dabei können die Anzeichen der Pubertät normal ausfallen, jedoch zu früh beginnen.

Mögliche Folgen einer vorzeitigen Pubertät

Eine vorzeitige Pubertät kann gesundheitliche Folgen im späteren Leben haben. Dazu gehören:

  • Stoffwechselstörungen,
  • Fortpflanzungsstörungen,
  • geringere Körpergröße,
  • emotionaler Stress.

Zu Kleinwuchs kommt es z.B., wenn sich die Wachstumsfugen der Knochen zu früh schließen.

Die künstlichen Substanzen sind weit verbreitet. Sie werden häufig in Lebensmitteln und Getränken verwendet, aber auch in anderen alltäglichen Produkten wie Körperpflegeprodukten, z.B. in kleinen Mengen in Zahnpasta oder Mundspülung.

Genetische Veranlagung

Besitzen Kinder die genetische Veranlagung für eine frühe Pubertät, kann Süßstoffkonsum besonders stark ins Gewicht fallen. In einer Langzeituntersuchung [4] analysierten Wissenschaftler*innen das individuelle Risiko für eine vorzeitige Pubertät im Hinblick auf 19 relevante Gene.

Die folgenden oft konsumierten Süßstoffe standen im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Aktivierung der Pubertät:

  • Aspartam (E951),
  • Sucralose (E955),
  • Acesulfam-Kalium (E950),
  • Glycyrrhizin (E958),
  • zugesetzter Zucker.

Auch Xylitol, das bislang als sicher eingestuft wird, scheint laut Studien einen ähnlichen Effekt zu haben – vermutlich auch durch einen erhöhten BMI bei übermäßigem Verzehr.

Für Glycyrrhizin legen weitere Studien nahe, dass z.B. die Aktivität von Genen verändert wird, die an der Auslösung der Pubertät beteiligt sind.

Unterschiede zwischen den Geschlechtern

In der Langzeitstudie [4] zeigten die einzelnen Süßstoffe bei Jungen und Mädchen unterschiedliche Zusammenhänge mit vorzeitiger Pubertät:

  • Bei Jungen war vor allem der Konsum von Sucralose mit einem höheren Risiko einer vorzeitigen Pubertät verbunden. Sucralose (E955) findet sich häufig in kalorienreduzierten und zuckerfreien Produkten wie Light-Getränken, Süßwaren, Kaugummi, Backwaren, Desserts oder Saucen, aber auch in Nahrungsergänzungsmitteln und Zahnpflegeprodukten.
  • Bei den Mädchen waren hingegen die Süßstoffe Glycyrrhizin, Sucralose und zugesetzter Zucker mit einem höheren Risiko für die vorzeitige sexuelle Entwicklung verbunden.

Der Konsum der Süßungsmittel ist vermutlich mit einer gestörten hormonellen Regulation verbunden. Jungen und Mädchen können unterschiedlich betroffen sein.

Bestimmte Süßstoffe haben also direkten Einfluss auf Hormone, die mit einer frühzeitigen Pubertät verknüpft sind. Der künstliche Süßstoff Acesulfam-Kalium setzt z.B. die Freisetzung von Pubertätshormonen in Gang – durch ihn werden bestimmte Signalwege in Gehirnzellen aktiviert und stressbedingte Moleküle erhöht. Die Aktivierung erfolgt über die Süßgeschmacksrezeptoren im Gehirn und bedingt so die Ausschüttung von relevanten Hormonen.

Darm-Hirn-Achse

Der Darm wird oft "zweites Gehirn" bezeichnet: Er besitzt ein komplexes, eigenständiges Nervensystem, das über die Darm-Hirn-Achse mit dem zentralen Nervensystem verknüpft ist. Ein gesunder Darm mit einem gesunden Darmmikrobiom hat großen Einfluss auf unsere allgemeine Gesundheit und Entwicklung.

Eine Studie hat gezeigt: Verzehren Kinder regelmäßig probiotische Lebensmittel wie Naturjoghurt oder fermentierte Getränke wie Kombucha, weisen sie deutlich seltener frühzeitige Pubertätsmerkmale auf als Kinder, die kaum probiotische Lebensmittel zu sich nehmen. Es ist naheliegend, dass hier eine gut funktionierende Darm-Hirn-Achse einen gewissen Schutz ausübt.

Der Süßstoff Glycyrrhizin verändert z.B. neben der Genaktivität auch die Darmbakterien – ein weiterer Faktor zur Auslösung der vorzeitigen Pubertät. Bereits vor einigen Jahren zeigte sich, dass (künstliche) Süßstoffe die Zusammensetzung der Darmflora ungünstig verändern können.

Fazit

Fest steht: Die künstlichen kalorienärmeren bzw. kalorienfreien Süßungsmittel sind keine gesündere Alternative zu raffiniertem Zucker.

Nutzen und Risiken von zuckerfreien Süßstoffen sind noch nicht eindeutig geklärt und es braucht noch mehr Forschung, z.B. auch zu den Wechselwirkungen zwischen Süßungsmitteln. Trotz der Sicherheitsüberprüfungen vor der Zulassung der Süßstoffe ist ein maßvoller Umgang ratsam.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen zunehmend, dass die zuckerfreie Alternative bei (übermäßigem) Verzehr auch Risiken birgt. Künstliche Süßstoffe können Funktionen des Verdauungstrakts negativ beeinflussen, u.a. das Mikrobiom. Zudem wurden neurologische Probleme wie Kopfschmerzen, Geschmacksveränderungen und ein beschleunigter kognitiver Abbau beobachtet sowie ein erhöhtes Herz-Kreislauf- und Diabetes-Risiko.

Generell ist für die Ernährung von Kindern empfehlenswert:

  • übermäßige Süße in alltäglichen Speisen und Getränken vermeiden
  • Frischkost statt verarbeiteter und verpackter Nahrung
  • maximal 10 Prozent der gesamten täglichen Energiezufuhr aus freiem Zucker – das sind etwa 35 g

Die WHO verringert diese Grenze sogar auf 5 Prozent freier Zuckeraufnahme. Dazu zählen alle Zuckerarten, die Lebensmitteln oder Getränken zugesetzt werden. Natürlich vorkommender Zucker z.B. in ganzen Früchten zählt nicht dazu. Um das Verlangen nach Süßem zu reduzieren, empfiehlt es sich gesüßte Speisen auf lange Sicht zu reduzieren.

  1. Davis CP et al. Dietary patterns and age at menarche in a prospective study of girls in the USA. Human Reproduction 2025; doi: 10.1093/humrep/deaf072   
  2. Ferrari V et al. Puberty, but not precocious puberty is influenced by weight gain in the first years of life. Endocrine 2025; doi: 10.1007/s12020-025-04254-3
  3. Tsai MC et al. Association of the consumption of common drinks with early puberty in both sexes. Front Public Health 2025; doi: 10.3389/fpubh.2022.854477
  4. Tsai YJ et al. Sweeteners and puberty: investigating genetic and dietary influences on central precocious puberty. J Endocrinol Invest 2025; doi: 10.1007/s40618-025-02677-3
  5. Zhou Q et al. New insights into pubertal onset: Exploring the impact of low-calorie sweeteners exposure in school-aged children. Journal of Environmental Sciences 2025; doi: 10.1016/j.jes.2025.09.031
  6. Ghusn W et al. The Impact of Artificial Sweeteners on Human Health and Cancer Association: A Comprehensive Clinical Review. Cureus 2023; doi: 10.7759/cureus.51299

Johanna Zielinski ist Diplom-Ökotrophologin (Ernährungswissenschaften) und absolviert derzeit eine Weiterbildung im Bereich Psychologie. Journalistische Stationen erfolgten beim WDR sowie einem privaten Radiosender. Sie ist als Ernährungsberaterin sowie als freie Autorin und Sprecherin tätig.