MikrobiomGehirn, Psyche und Mikrobiom

Die Forschung zeigt Zusammenhänge zwischen Darm-Mikrobiom, psychischen und neurologischen Erkrankungen. Die Ernährung kann eine präventive Stellschraube sein.  

Nüsse, Beeren, Kiwi, Tomaten in einem mit Kreide gezeichneten Kopf
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Über die Darm-Hirn-Achse beeinflusst der Darm auch die Psyche. Eine mikrobiomfreundliche Ernährung könnte vor Krankheiten schützen.

Auch wenn die genauen Zusammenhänge noch erforscht werden ist die Rolle des Mikrobioms für Gesundheit und Krankheit unstrittig. 

Insbesondere das Darm-Mikrobiom beherbergt Billionen Mikroorganismen, die als Mikrobiota bezeichnet werden. Der Organismus und die Mikrobiota kommunizieren über mehrere Stoffwechselwege. Dazu gehört die Darm-Hirn-Achse, die intensiv beforscht wird. Im Fokus stehen dabei die Mikrobiota, deren Stoffwechselprodukte und ihr Einfluss auf die Gesundheit.

Immer mehr Forschungsarbeiten verweisen auf die Darm-Mikrobiota als eine wichtige Stellschraube nicht nur für die physische, sondern auch für die psychische Gesundheit.

Darm-Mikrobiom und Gehirn

Ein gesundes Mikrobiom besteht zu nahezu 99 Prozent aus gesundheitsförderlichen anaeroben Bakterien. Das restliche Prozent umfasst fäulnisbildende aerobe Bakterien. Die 2 bakteriellen Haupttypen sind Firmicutes (Kohlenhydrat-Abbau) und Bacteroidetes (Eiweiß-Abbau).

Generell wird die Mikrobiota durch den mütterlichen Einfluss sowie die äußere Umwelt erworben. Die Mikrobiota spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Reifung des Immunsystems, des Gehirns und des Magen-Darm-Trakts. Vielfältige innere und äußere Einflüsse wirken auf die Zusammensetzung des Mikrobioms. Dazu zählen:

  • individuelle Genetik, 
  • Lebens- und Ernährungsstil,
  • Infektionen,
  • Alterung,
  • Umweltfaktoren,
  • Medikamenteneinnahme (z.B. Antibiotika).

Das Mikrobiom entwickelt sich im Laufe des Lebens und spielt eine Schlüsselrolle im Hinblick auf Gesundheit und Krankheit. Es unterstützt u.a. den Stoffwechsel, wirkt auf die Immunmodulation und schützt vor pathogenen Eindringlingen.

Das Mikrobiom kann wechselseitig über unterschiedliche Wege mit dem Gehirn kommunizieren - darunter neuronal, immunologisch und endokrin. Dabei wirken Substanzen wie Acetylcholin, Serotonin, Melatonin oder Histamin auf das Gehirn.

Dysbiose, Stimmung und Verhalten

Die Zusammensetzung und das Gleichgewicht der Darm-Mikrobiota nimmt eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Entstehung von Entzündungen und Krankheiten ein: Ist das Gleichgewicht des Mikrobioms gestört, führt dies z.B. zu einer durchlässigeren Darmschleimhaut. Umweltgifte können dann leichter in den Körper gelangen.

Auch der Zusammenhang mit Erkrankungen des Zentralnervensystems wird diskutiert. Veränderungen der Homöostase können die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke beeinflussen. Das Gehirn wiederum beeinflusst das autonome (vegetative) Nervensystem und die Funktionen der Darm-Mikrobiota. Studien zeigen, dass ein Ungleichgewicht des Mikrobioms (Dysbiose) mit der Entstehung neurologischer Störungen verbunden ist. Zum Beispiel können sich Veränderungen der Signalwege und Störungen der mikrobiellen Metaboliten auf Stimmung und Verhalten auswirken.

Wissenschaftler*innen erforschen aktuell mögliche Interventionen bezüglich des Darm-Mikrobioms zur Behandlung neurologischer Erkrankungen wie Alzheimer, Autismus, Parkinson, Schizophrenie, MS, ADHS oder Epilepsie. Bisherige Ergebnisse zeigen u.a.:

  • Es wurde z.B. eine Verringerung der Anzahl von Bifidobakterien bei Alzheimer-Betroffenen beobachtet. Entzündungshemmende Bakterien wie Coprococcus oder Roseburia treten bei Parkinson-Patienten seltener auf als bei Gesunden.
  • Bei einer Autismus-Spektrum-Störung scheint die relative Anzahl der Bakterien sowie die Gesamtvielfalt deutlich reduziert vorzuliegen.
  • Das Mikrobiom weist bei Patient*innen mit Depression eine andere Zusammensetzung auf als bei Gesunden. Hier fehlen wahrscheinlich ausreichend gesundheitsförderliche anaerobe Bakterien, um wichtige Enzyme sowie den Serotonin-Spiegel in Balance zu halten.

Eine Dysbiose im Mikrobiom scheint generell zu entzündlichen Prozessen zu führen, die das Gehirn im Hinblick auf Entwicklung, Stimmung und Verhalten beeinflussen. Neben dem psychischen Einfluss, können auch Stoffwechsel- und Verdauungsstörungen auftreten.

Wie ein verändertes Mikrobiom zur Entstehung der einzelnen Symptome führt, ist bei den meisten psychischen Krankheiten jedoch noch unklar.

Stress beeinflusst Gefühle und Verhalten

Körperlicher und emotionaler Stress kann laut Studien die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen. Mehrere neuropsychiatrische und Verhaltensstörungen werden mit Stresszuständen in Verbindung gebracht. Durch die bidirektionalen Wechselwirkungen zwischen Mikrobiom und Umweltfaktoren wie Stress oder Ernährung liegt es nahe, dass eine Veränderung des Mikrobioms Auswirkungen auf die Prävention und Behandlung von psychischen Störungen haben könnte. Hier wird noch weiter geforscht.

Fest steht: Unser Mikrobiom beeinflusst unsere Gefühle und das Verhalten.

Die Hinweise verdichten sich, dass die Darm-Mikrobiota mit dem Zentralnervensystem kommuniziert und dadurch unsere Gehirnfunktion und unser Verhalten beeinflussen können - z.B. über den Nervus Vagus. Umgekehrt kann psychischer Stress die Darmfunktion verändern - z.B. durch eine verstärkte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut. Oder durch eine Erhöhung der Aktivität bestimmter Enzyme, die mit Serotonin verbunden sind. Das Glückshormon reguliert den Gefühlshaushalt und wirkt antidepressiv. Durch die verstärkte Aktivität der Enzyme bildet der Körper weniger Serotonin und Substanzen, die sich nervenschädigend auswirken und psychische Probleme fördern können.

Sobald sich also die Zusammensetzung des Mikrobioms ändert, ändert sich auch die Kommunikation zwischen Gehirn und Darm. 

Gestörtes Darm-Mikrobiom erkennen

Sowohl psychische und als auch körperliche Symptome können mit einer Dysbalance des Darm-Mikrobioms korrelieren. Das zeigen Forschungsarbeiten.

So können z.B. Depressionen, emotionale Belastungen oder Angstzustände mit einem veränderten Mikrobiom im Zusammenhang stehen. In einer größer angelegten belgischen Studie wurde herausgefunden, dass bei depressiven Patient*innen 2 Arten von buttersäurebildenden Bakterien seltener vorkommen als bei Gesunden. In Tierversuchen wurde ein ungünstig verändertes Mikrobiom auch mit bipolaren Störungen oder Schizophrenie in Verbindung gebracht. 

Auf der körperlichen Ebene können Blähungen, Übelkeit, Bauchschmerzen oder Mangelerscheinungen wie Müdigkeit und trockene Haut auf ein gestörtes Darm-Mikrobiom hinweisen. Ähnliche Symptome können auch nach der Einnahme von Antibiotika auftreten. In manchen Fällen kann die Einnahme von Probiotika helfen, um die Balance wiederherzustellen.

Darmgesundheit fördern

Ungünstige Veränderungen des Darm-Mikrobioms sind auch auf ungesunde Ernährungsgewohnheiten zurückzuführen. Spezielle Ernährungsinterventionen könnten zukünftig zur Unterstützung herangezogen werden.

Generell ist ein hoher Verzehr von verarbeiteten Lebensmitteln zu meiden. Eine hohe Ballaststoffaufnahme ist hingegen ein wichtiger Faktor für die Darmgesundheit. Ballaststoffe enthalten die sog. Präbiotika. Diese Nahrungsbestandteile kann der Organismus nicht verwerten, sie dienen aber den Lactobacillus- und Bifidobakterien im Darm als Nahrung.  Auch der Verlust der mikrobiellen Vielfalt über Generationen hinweg kann  meist nur dann ausgeglichen werden, wenn die fehlende Mikrobiota eingenommen wurde. Dies gelingt auch über einen ausgewogenen Ernährungsstil, der nützliche Bakterien enthält, z.B. mit fermentierten Lebensmitteln (Sauerkraut, Kimchi etc.).

Ebenso sind probiotische Nahrungsergänzungsmittel vielversprechend: Es wird noch erforscht, wie viele probiotische Bakterien aufgenommen werden sollten, um das Mikrobiom zu stärken.

Generell empfiehlt sich der Verzehr vielfältiger pflanzlicher Lebensmittel mit einem hohen Anteil an Ballaststoffen und fermentierter Nahrung. Auch eine mediterrane Ernährungsweise ist denkbar. Wichtig ist auch der Verzicht auf negativ wirkende Substanzen – darunter Alkohol, Nikotin, rotes Fleisch und hoch verarbeitete Lebensmittel. Tägliche Bewegung und eine gute Schlafhygiene können nachweislich das Mikrobiom im Darm stärken. 

Tipps für ein gesundes Darm-Mikrobiom

  • reichliche Aufnahme von Ballaststoffen, z.B. Zwiebeln, Knoblauch, Vollkorn, Bananen
  • fermentierte Lebensmittel, z.B. Sauerkraut, Kimchi
  • tägliche körperliche Aktivität
  • gute Schlafhygiene
  • Alkohol, Nikotin, rotes Fleisch, hoch verabeitete Lebensmittel meiden

Fazit

Studien weisen darauf hin, dass das Mikrobiom für die gesunde Entwicklung und Funktion des Gehirns von großer Bedeutung ist. Da die Unterschiede in der individuellen Zusammensetzung des Mikrobioms groß sind, ist ein personalisierter Ansatz hinsichtlich Prävention und Therapie in der zukünftigen Medizin naheliegend. Das Forschen über das Mikrobiom und die Kommunikationswege liefern im Hinblick auf die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson bereits jetzt wichtige Erkenntnisse. Denkbar wäre z.B. die Krankheitsverläufe durch eine gezielte Beeinflussung des Mikrobioms zu verlangsamen.

Ein Ernährungsstil mit einem hohen Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln und wenig hochverarbeiteten Lebensmitteln stellt nach den bisherigen Erkenntnissen eine gute Prävention dar. Wobei immer die Variabilität der persönlichen Stoffwechselreaktionen auf gewisse Lebensmittel im Auge behalten werden muss.

Johanna Zielinski ist Diplom-Ökotrophologin (Ernährungswissenschaften) und absolviert derzeit eine Weiterbildung im Bereich Psychologie. Journalistische Stationen erfolgten beim WDR sowie einem privaten Radiosender. Sie ist als Ernährungsberaterin sowie als freie Autorin und Sprecherin tätig.

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