Gentiana luteaMit Enzian Eisen aus pflanzlicher Nahrung besser verwerten

Der menschliche Körper verwertet Eisen aus pflanzlichen Quellen schlecht – oben in den Bergen wächst eine Pflanze, die uns dabei hilft.

Inhalt
Blühender gelber Enzian im Hochgebirge
K. Oborny/Thieme

Gelber Enzian (Gentiana lutea).

Der Enzian als Kräftigungsmittel

„Wia die Enzianwurz is koani so stark“, sagt man sich in Tirol. Im Alpenraum galt der Gelbe Enzian (Gentiana lutea) lange als wichtigste Arznei, die man u.a. bei Fieber, Magen- und Darmbeschwerden, Gicht und Erschöpfung einsetzte. Auch der Naturheilkundler Sebastian Kneipp (1821-1897) sah die bittere Wurzel als Stärkungsmittel. Er empfahl sie v.a. nervenschwachen, geschwächten oder alten Menschen. Der deutsche Mediziner Gerhard Madaus (1890-1942) listet in seinem umfangreichen Heilpflanzenbuch „Lehrbuch der biologischen Heilmittel“ Enzian als Stärkungsmittel bei Herz- und Nervenschwäche und Blutarmut [1].

Wenn Eisen im Körper fehlt

Bei der Blutarmut (Anämie) findet sich zu wenig roter Farbstoff (Hämoglobin) im Blut, was zu Blässe, Müdigkeit, Kurzatmigkeit und allgemeiner Schwäche führen kann. Schließlich ist Hämoglobin für den Transport von Sauerstoff im Körper verantwortlich. Mangelt es an Hämoglobin, ist die Sauerstoffversorgung der Gewebe eingeschränkt. Dies senkt die geistige und körperliche Belastbarkeit. Eine häufige Ursache für eine Anämie ist der Eisenmangel.

Eisen ist essenzieller Bestandteil von Hämoglobin. Verfügt der Körper über zu wenig Eisen, kann Hämoglobin nicht ausreichend gebildet werden. Für einen Eisenmangel gibt es unterschiedliche Gründe. Ist der Eisenbedarf besonders hoch, kann es sein, dass dieser durch die Ernährung nur bedingt gedeckt werden kann.

Einen erhöhten Eisenbedarf haben:

  • Menschen mit fleischloser Ernährung oder Essstörungen,
  • menstruierende Frauen,
  • Schwangere,
  • Stillende,
  • sportlich aktive Menschen,
  • Kinder und Jugendliche.

Bei Senior*innen kann der Eisenspiegel durch entzündliche Erkrankungen erniedrigt sein. Zudem führen Erkrankungen, die mit Blutungen einhergehen (wie Magengeschwüre, Myome oder Darmkrebs) oder die Eisenaufnahme im Darm beeinträchtigen (z.B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen) oft zu Eisenmangel.

Viele Medikamente können die Aufnahme von Eisen stören, z.B. Abführmittel oder Säureblocker. Säureblocker verhindern die Bildung der Magensäure, die für die Verwertung von Eisen aus der Nahrung wichtig ist.

Wie die Magensäure die Verwertung von Eisen ankurbelt

Wir nehmen Eisen mit unserer Ernährung in 2 verschiedenen Formen auf: In Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten finden wir das sog. Hämeisen, davon können wir gut ein Drittel aufnehmen. Schlechter ist die Ausbeute beim Nicht-Hämeisen, das uns pflanzliche Lebensmittel liefern. Davon nehmen wir nur 1–10 % auf, ein entscheidender Faktor ist hierfür die Magensäure.

Zunächst kann sie im Magen Proteine, die Nicht-Hämeisen enthalten, denaturieren. Dadurch wird das Nicht-Hämeisen aus den Proteinen freigesetzt. Die Magensäure senkt im Magen den pH-Wert des Speisebreis ab, der Mageninhalt wird sauer und gelangt sauer in den Zwölffingerdarm. Dort wartet ein Enzym, die sog. Ferrireduktase. Sie wandelt Nicht-Hämeisen so um, dass es in der Folge von der Darmschleimhaut aufgenommen werden kann. Die Ferrireduktase arbeitet besonders gut, wenn der Speisebrei sauer ist – d.h. mit viel Magensäure in Verbindung kam.

So begünstigt die Magensäure auf 2 Wegen die Verwertung von Nicht-Hämeisen: Indem sie Nicht-Hämeisen aus Proteinen löst und die Ferrireduktase bei seiner Umwandlung in aufnahmefähige Form unterstützt [2].

Die Magensäure mit Enzian fördern

Auf unserer Zunge sitzen Bitterrezeptoren, die reagieren, wenn sie mit Bitterstoffen in Verbindung kommen. Genau genommen sind letztere nicht bitter, sondern lösen über die Bitterrezeptoren eine bittere Geschmacksempfindung aus. Diese Empfindung aktiviert einen Teil unseres vegetativen Nervensystems, den Parasympathikus, der wiederum die Freisetzung von Magensäure im Magen veranlasst. So können Bitterstoffe dafür sorgen, dass unser Magen mehr Magensäure absondert, die u.a. die Eisenverstoffwechslung fördert.

Besonders starke Bitterstoffe liefert die Enzianwurzel, die die Monografien von ESCOP, HMPC und Kommission E gegen Appetitlosigkeit und bei Verdauungsbeschwerden wie Völlegefühl und Blähungen empfehlen. Ihr Einsatz zur besseren Eisenverwertung basiert auf den Erkenntnissen der Erfahrungsheilkunde.

So wendest Du die Enzianwurzel an

Eine einfache Methode, Enzian anzuwenden, bietet die aus den Wurzeln hergestellte Enziantinktur (Tinctura Gentianae). Diese nehmen wir am besten vor den Mahlzeiten mit etwas Flüssigkeit ein. Von dieser Tinktur empfehle ich, maximal 3-mal 20 Tropfen täglich einzunehmen. Diese Dosierung ist für manche Menschen zu stark und könnte sogar einen unerwünschten Effekt haben: Ein zu starker bitterer Geschmack, der als unangenehm empfunden wird, könnte die Sekretion der Magensäure einschränken!

So findest Du die für Dich richtige Dosis: Die Sensibilität für einen bitteren Geschmack ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Daher lade ich Dich ein, zunächst mit 2–3 Tropfen Enziantinktur (3-mal täglich vor den Mahlzeiten mit etwas Flüssigkeit einnehmen) zu beginnen. Wie schmeckt das für Dich? Könnte es etwas mehr sein? Dann steigere bei jeder Mahlzeit Deine Dosierung schrittweise um je 2 Tropfen, bis Du einen deutlichen, aber nicht unangenehmen bitteren Geschmack im Mund hast.

Ein Anzeichen, dass eine gewählte Dosierung für Dich zu hoch ist, ist, dass Dir der Appetit vergeht. Dann solltest Du die Dosierung wieder um 2 Tropfen reduzieren.

Wichtig:

Bei bestehenden Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren sowie bei Magenübersäuerung darf Enzianwurzel nicht eingenommen werden.

Achtung: Kein Ersatz für eine ärztliche Therapie des Eisenmangels

Enzianwurzel fördert zwar die Eisenaufnahme. Bei einem Eisenmangel kann sie unterstützend eingesetzt werden, ersetzt aber nicht die schulmedizinische Therapie des Eisenmangels mit entsprechenden Eisenpräparaten. Darüber hinaus sollte die begleitende Einnahme der Enzianwurzel vorher mit einem Arzt oder Heilpraktiker abgesprochen werden.

Und zum Schluss

Du kennst vielleicht den Matrosen Popeye, den Cartoon-Held, den eine Dose Spinat unglaubliche Kräfte verleiht? Als die Serie geschrieben wurde, galt Spinat aufgrund seines angeblich hohen Eisengehalts als ein ideales Stärkungsmittel. Später stellte sich heraus, dass Spinat 10-mal weniger Eisen enthält als damals gedacht. Die sagenhafte Wirkung auf den Seemann können wir daher eher einem Placebo-Effekt zuschreiben.Und wir könnten ihm Enzianwurzel vor jeder Büchse Spinat empfehlen. Diese vergrößert zwar nicht den Gehalt an Nicht-Hämeisen im Gemüse, erhöht aber die Wahrscheinlichkeit, dass dieses aufgenommen wird.

Und übrigens: Vitamin C hätte Popeye auch geholfen. Denn Vitamin C unterstützt die Aufnahme von Eisen, insbesondere von Nicht-Hämeisen. Aus diesem Grund trinke ich gerne Wasser mit etwas Zitronensaft zum Essen, und etwas Obst nach einer Mahlzeit oder ein Vitamin-C-reicher Salat als Beilage können ebenfalls die Eisenaufnahme unterstützen.

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autor*innen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

  1. Madaus G. Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Nachdruck: Hildesheim und New York: Olms-Verlag; 1976
  2. Vigl S. Bitter bringt Säure, Säure bringt Eisen. Wie Bitterstoffe die Verdauung von Nicht-Hämeisen fördern. Heilpflanzen 2024; 04(02): 32-33

Heilpraktiker mit dem Therapieschwerpunkt Phytotherapie

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