Oenothera biennisNachtkerze – Heilpflanze mit essbarer Wurzel

Die Nachtkerze ist aufgrund ihres wertvollen Samenöls als Heilpflanze bekannt. Ihre kräftige Pfahlwurzel ist aber auch eine schmackhafte kulinarische Rarität.

Wurzeln der Nachtkerze auf einem Schneidebrett.
Rudi Beiser/Friesenheim

Die Nachtkerze wurde früher als Wurzelgemüse in Gärten angebaut.

Kraftwurzel aus Nordamerika

Die Gewöhnliche Nachtkerze (Oenothera biennis) kam zu Beginn des 17. Jahrhundert als Zierpflanze nach Europa. Inzwischen sind noch Dutzende weitere Nachtkerzen-Arten bei uns angekommen und haben sich ebenso eingebürgert. Dazu zählt beispielsweise die Rotkelchige Nachtkerze (Oenothera glazioviana) mit ihren sehr großen Blüten. Es ist letztendlich jedoch nicht wichtig, sie genau zu unterscheiden, da alle in gleichem Maße nutzbar sind.

Schon bald nachdem die Nachkerzen in Europa angekommen war, entdeckten die Bauern, dass Wurzel, Blätter und Blüten der neuen Pflanze essbar sind. Das führte dazu, dass Nachtkerzen vielerorts als Gemüse kultiviert wurden. Die Wurzel galt als stärkend und sättigend. Alte Sprichwörter wie „Ein Pfund Nachtkerzenwurzel gibt so viel Kraft wie ein Zentner Ochsenfleisch“ belegen dies. Man nannte das neue Gemüse damals auch Schinkenwurz oder Rapontika. Der Name Schinkenwurz ist auf die rötliche Färbung der rübenartigen Pfahlwurzel zurückzuführen, die unsere Vorfahren an Schinken erinnerte.

Noch zu Goethes Zeiten war das Gemüse sehr verbreitet. So legte er 1810 einem Brief an seine Frau Rapontika-Samen bei und bat sie, diesen  „im May auf ein wohlbestelltes Ländchen“ zu säen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Nachtkerze dann schließlich von „modernen“ Wurzelgemüsen wie der Schwarzwurzel und Möhre verdrängt und geriet in Vergessenheit.

Weißt Du eigentlich, worauf der Name Nachtkerze zurückzuführen ist? Die gelben Blüten öffnen sich in den Abendstunden und werden nachts von Nachtfaltern besucht. Die Kerzen leuchten den Faltern sozusagen den Weg.

Die Nachtkerze ist heute eine schmackhafte Gemüserarität

Die Nachtkerzenwurzel gibt es heute in keinem Gemüseladen zu kaufen. Du musst sie entweder in der Natur ernten oder selbst im Garten aussäen.

Hinweis: Nach dem Schälen oder Abschaben verfärbt sich die Wurzel braun, weshalb man sie bis zur Weiterverarbeitung gleich in Essig- oder Zitronenwasser legt. Die Nachtkerzenwurzel kann roh geraspelt als Rohkost oder gedünstet als Gemüse zubereitet werden.

Die Wurzeln verfärben sich beim Kochen rötlich. Du kannst die Wurzelstückchen wie Karotten andünsten oder du bereitest sie als Ofengemüse zu. Sie eignet sich auch sehr gut für die Verwendung in Suppen.

Geschmacklich erinnert die Nachtkerzenwurzel etwas an die Schwarzwurzel. Roh gegessen hat sie eine leichte Schärfe.

Tipp: Solange die Nachtkerze als Blattrosette zu sehen ist, sind auch die jungen Blätter genießbar. Sie erinnern geschmacklich an Mangold und können auch entsprechend zubereitet werden. Während der Blütezeit können zudem die mild-süßlich schmeckenden Blüten und Knospen gegessen werden. Die Blüten kannst Du roh auf Salate oder Desserts streuen, die Knospen roh knabbern oder mit etwas Butter in der Pfanne andünsten.  

Wer die Wurzel einer im Sommer blühenden Nachtkerze probiert, wird enttäuscht sein, denn sie ist dann zäh und holzig. Die Wurzel der zweijährigen Pflanze muss viel früher geerntet werden: Die Ernte der frostharten Wurzeln ist ab Ende Oktober möglich und kann an frostfreien Tagen den ganzen Winter bis Ende März erfolgen. Wenn dann im Frühling der Austrieb aus der Blattrosette beginnt, wird die Wurzel ungenießbar.

Nachtkerzenwurzel-Suppe

Zutaten
  • 400 g Nachtkerzenwurzel
  • 150 g Wurzelpetersilie oder Pastinake
  • 3 EL Butter oder Öl
  • 2 EL Vollkornmehl
  • 1 Liter Gemüsebrühe
  • 1 TL Sojasoße
  • Salz
  • Pfeffer
  • Muskat
  • 30 ml Sahne oder Creme fraiche
Zubereitung

Wurzelgemüse schälen und in kleine Stücke schneiden. In Butter kurz andünsten. Mehl dazugeben und kräftig rühren, bis die Mehlschwitze etwas bräunt. Die Mehlschwitze bei ständigem Rühren mit der Gemüsebrühe aufgießen und aufkochen lassen. 20 Minuten bei geringer Hitze ziehen lassen. Nimm die Suppe vom Herd und schmecke sie mit Sojasoße und Gewürzen ab. Zum Abschluss die Sahne unterrühren. Falls gewünscht, kannst Du die Suppe auch pürieren [1].

Auch als Heilpflanze ist die Nachtkerze bekannt

Bereits die nordamerikanischen Ureinwohner nutzten Blätter, Blüten und Wurzel der Nachtkerze als Nahrungsmittel und als Medizin. Auch die Samen setzten sie als Heilmittel ein. Der Volksstamm der Algonkin stellte aus diesen einen Breiumschlag her und verwendete ihn bei Hauterkrankungen und Prellungen. Die Navajos verwendeten die Blüten bei Husten.

In der heutigen Naturheilkunde spielt vor allem das Nachtkerzenöl eine Rolle. Die kleinen Samen enthalten große Mengen mehrfach ungesättigter Fettsäuren, unter anderem Gamma-Linolensäure und Linolsäure. Das entzündungshemmende und reizlindernde Samenöl wird beispielsweise bei Neurodermitis, Herz-Kreislauferkrankungen und bei Wechseljahresbeschwerden eingesetzt. Das antioxidativ wirksame Samenöl wird zudem von der kosmetischen Industrie verarbeitet, zum Beispiel in Anti-Aging-Cremes [2]. 

Und zum Schluss …

Die aus Nordamerika eingewanderte Nachtkerze ist nicht nur eine wunderschöne Blüten- und Heilpflanze, sondern auch ein fast unbekanntes Wurzelgemüse. Zu Lebzeiten Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) wurde es noch häufig in Gärten kultiviert.  

 

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

Wildkräuter- und Heilpflanzenexperte 

Erfahren Sie mehr über den Autor