InkontinenzBeckenbodentraining: Einfache Übungen für zu Hause

Ein gut trainierter Beckenboden hilft enorm beim zuverlässigen Blasenverschluss, also eigentlich bei allen Inkontinenzformen. Diese Übungen helfen Ihnen dabei, Ihre Blasenschwäche unter Kontrolle zu bringen.

Inhalt
Nasse Papierfigur auf blauem Hintergrund
lijphoto/Stock.adobe.com

Gegen Inkontinenz hilft Beckenbodentraining.

Unsere Beckenbodenmuskulatur besteht grob gesagt aus drei Schichten. Sie verlaufen von einem Hüftgelenk zum anderen, also von links nach rechts, und vom oberen Rand des Schambeins bis nach hinten zum Ansatz des Kreuzbeins, also von vorn nach hinten. Dabei werden der After, die Scheide und die Harnröhre mit muskulären Schnürringen umschlossen.

Den Beckenboden trainieren

Führen wir uns kurz noch einmal vor Augen, welche drei wichtigen Aufgaben unser Beckenboden erfüllt: 

  • Er muss sich anspannen, um u. a. die Blasenkontinenz zu sichern. Er stützt die Harnröhre und den inneren sowie äußeren Schließmuskel der Harnblase.
  • Er muss aber auch in der Lage sein, sich »auf Befehl« zu entspannen: Beim Stuhlgang und beim Wasserlassen entspannt sich der Beckenboden, damit die Ausscheidung willentlich und drucklos vollzogen werden kann. Ebenso ist die Entspannung und Anspannung unseres Beckenbodens beim Geschlechtsverkehr wichtig.
  • Er muss den nötigen Gegendruck aufbauen, wenn wir schwere Lasten tragen, husten, niesen, hüpfen und lachen, damit es nicht zu ungewollten Urinverlusten kommt.

Ein Beckenbodentraining baut darauf auf, diese besondere Muskulatur zu trainieren, damit sie diese Aufgaben weiter hin oder wieder erfüllen kann. Dazu gehören verschiedene Facetten: Neben den eigentlichen gezielten Stärkungsübungen sind oft auch eine Wahrnehmungsschulung und Spürübungen erforderlich. Gerade zu Beginn fällt es oft schwer, die richtigen Muskeln anzuspannen.

Geben Sie sich ausreichend Zeit und bleiben am Ball; nach 3 Monaten konsequenten Beckenbodentrainings dürfen Sie aber schon spürbare Effekte bei der Blasenkontrolle erwarten.

Die Beckenbodenmuskulatur ist zwar im Vergleich zur Gesäß- oder Beinmuskulatur filigran, aber sie kann und muss genauso trainiert werden. Gerade wenn Sie Ihrem Beckenboden in den  vergangenen Jahren keinerlei Aufmerksamkeit oder gezieltes Training haben zukommen lassen, ist der Wow-Effekt, wenn er dann auf einmal wieder seinen Dienst tut und es z. B. kein Harntröpfeln mehr gibt, umso größer. Dann heißt es, dranbleiben!

 

Die Vorstellungskraft nutzen

Beckenbodentraining erlernen und üben Sie am besten mit professioneller Anleitung. Entweder individuell bei einer entsprechend qualifizierten Physiotherapeutin oder in der Gruppe in  Beckenbodenkursen. Eine weitere gute Möglichkeit ist das Training mithilfe des Ratgebers "Der kleine Beckenboden Coach", einem TRIAS Übungsbuch, in dem die Physiotherapeutin Franziska Liesner sehr anschaulich und humorvoll beschreibt, wie Sie Ihren Beckenboden wieder fit bekommen und Ihre Mitte stabilisieren. Dazu gibt es auch entsprechende Online-Anleitungen. Aus diesem Buch stammen auch die  Übungsbeispiele, mit denen Sie ohne großen zeitlichen Aufwand den Beckenboden bei Blaseninkontinenz trainieren und beckenbodenschonendes Aufstehen und  hinsetzen erlernen. Üben Sie am besten täglich 2-mal 10 Minuten.

So vermeiden Sie vorzeitiges Tröpfeln

Sie können Ihre Vorstellungskraft übrigens auch nutzen, um die Blase ein wenig auszutricksen, wenn Sie unter der Coming-Home-Inkontinenz leiden; Ihre Blase also immer schon einen Moment zu früh die Schleusen öffnet, wenn Sie nach Hause kommen und die rettende Toilette sehr nahe ist, Sie aber noch nicht darauf sitzen. Das Signal, »gleich darfst du«, geben Sie nämlich selbst, indem Sie intensiv an die Toilette denken, die Sie aufgrund des starken Harndrangs herbeisehnen. Wenn es Ihnen gelingt, konsequent an etwas anderes zu denken und sich zum Beispiel vorstellen, wie Sie am Herd stehen und das Abendessen zubereiten, können Sie Ihre Blase damit hinters Licht führen. Sie hat ja keine Augen. Probieren Sie es aus. Woran Sie denken, ist egal, es muss nur überzeugend sein.

5 einfache Beckenboden-Übungen für zu Hause

1) Der kleine Harnröhrenrüssel

Diese Übung hilft gezielt bei einer Schließmuskelschwäche.

Ausführung: Setzen Sie sich gerade auf einen Stuhl und stellen Sie sich vor, dass Ihre Harnröhre ein kleiner feiner Rüssel ist, der ganz entspannt durch die Sitzfläche des Stuhles hängt. Nun platzieren Sie gedanklich direkt unter der Harnröhre, eingelassen in den Stuhl oder darunter, eine kleine Schale mit warmem Wasser, der Rüssel taucht in das Wasser ein. Können Sie mit Ihrem kleinen  Harnröhrenrüssel etwas Wasser in sich hochsaugen? Beginnen Sie zu spielen: ein Tröpfchen, ein ganzer Strahl, nur einen Zentimeter hoch, mehrere Zentimeter, langsam, schnell etc. Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

2) Die Entlastungsbrücke in 6 Schritten

Ausführung: Legen Sie sich in Rückenlage auf eine Matte und stellen die Beine an. Zwischen den beiden Knien halten Sie einen weichen Ball, z. B. einen Pilates-Ball.

  1. Schritt: Drücken Sie beim Ausatmen die Füße in den Boden und etwas von sich weg, um einen kleinen Schub im unteren Rücken zu spüren (Rundrücken). Halten Sie diese Stellung einige Atemzüge lang.
  2. Schritt: Drücken Sie beim Ausatmen zusätzlich die Knie in den Ball, um den Beckenboden beim Anspannen besser fühlen zu können. Wieder einige Atemzüge lang halten.
  3. Schritt: Beim Ausatmen das Becken abheben, so hoch, wie es schmerzfrei möglich ist. Einige Atemzüge halten, dann den Rücken »am Stück« wieder ablegen.
  4. Schritt: Beim Ausatmen einen gedachten Reißverschluss vom Steißbein zum Schambein und weiter hoch zum Bauchnabel schließen, dann hochrollen, sodass sich der Po langsam abhebt. Oben einige Atemzüge lang halten, dann den Rücken am Stück wieder ablegen.
  5. Schritt: Beginnen Sie wie in Schritt 4, rollen Sie aber am Ende langsam und in Ruhe Wirbel für Wirbel wieder herunter; der Beckenboden drückt dabei nicht nach außen, sondern bleibt innen. Eventuell brauchen Sie mehrere Atemzüge.
  6. Schritt: Nach dem Herunterrollen den Beckenboden, den Po und den Kiefer völlig entspannen.

Diese Abfolge können Sie 10 mal wiederholen. Es ist auch möglich, die Übung nur schrittweise durchzuführen, also nicht alle 6 Schritte an einem Tag erlernen zu müssen. 

3) Saugnapf

Das ist eine ideale Übung, um den Beckenboden zwischendurch zu aktivieren, egal, wo Sie gerade sitzen. 

Ausführung: Setzen Sie sich aufrecht hin und stellen Sie sich einen Saugnapf vor, auf dem Sie aufrecht und mittig sitzen (s. Abb.). Er ersetzt in Ihrer Vorstellung Ihren Beckenboden. Er saugt sich an der Sitzfläche fest. Versuchen Sie nun, diese langsam anzuheben. Ziehen Sie mit aller Kraft die Sitzfläche nach oben.

Verbinden Sie diese Übung mit dem Atmen: Atmen Sie in Ruhe ein und heben dann beim Ausatmen die Sitzfläche an. Beim Einatmen lassen Sie langsam wieder locker.  Beim Ausatmen hochsaugen, beim Einatmen wieder sinken lassen. Gern 10mal hintereinander machen.

4) Der Beckenboden steht zuerst auf

Das Aufstehen ohne Druck auf Organe und Beckenboden sorgt für große Entlastung im Alltag, sodass die Organe nicht im Laufe des Lebens immer tiefer treten. Ihre Ausgangsstellung ist zunächst der aufrechte Sitz auf einem Stuhl, später sollten Sie auch das beckenbodenschonende Aufstehen aus dem Bett, vom Sofa etc. üben.

Ausführung: Setzen Sie sich vorn auf die Kante Ihres Stuhles. Nehmen Sie die Füße nach hinten bzw. platzieren Sie sie so, dass Sie gut aufstehen können. Nun atmen Sie ruhig durch die Nase ein und genauso ruhig durch den Mund mit einem »Haahh« aus. Atmen Sie erneut ein; beim nächsten Ausatmen auf »Haahh« spannen Sie Ihren  After so an, als wollten Sie eine Blähung zurückhalten, beugen sich nach vorn und stehen dabei auf. Dann atmen Sie ein und lassen Sie alle Anspannung wieder los.

Bitte beachten Sie bei dieser Übung die Stellung Ihrer Knie: Machen Sie keine X-Beine, das schadet langfristig den Knien. Wenn Sie diese Übung verinnerlichen und Ihr Gehirn so programmieren, dass es automatisch den Beckenboden aktiviert und Sie ausatmen, wenn eine Druckbelastung auf Ihren Bauchraum kommt, haben Sie einen großen Erfolg erzielt!

Üben Sie 10 mal und versuchen Sie zusätzlich, wirklich bei jedem (!) Aufstehen daran zu denken! In Gesellschaft anderer können Sie das Ausatmen leise und diskret gestalten, aber lassen Sie es nicht
weg: Das Ausatmen ist mindestens genauso wichtig wie das Anspannen des Afters

 

5) Der Beckenboden setzt sich zuletzt

Beim Hinsetzen ist es ebenso wichtig wie beim Aufstehen, den Druck auf Organe und Beckenboden zu reduzieren.

Ausführung: Zum Üben stellen Sie sich vor den Stuhl, auf den Sie sich setzen möchten. Atmen Sie ruhig durch die Nase ein und genauso ruhig durch den Mund mit einem »Haahh« aus. Atmen Sie wieder ein und beim nächsten sehr langsamen Ausatmen auf »Haahh« spannen Sie Ihren After so an, als wollten Sie eine Blähung zurückhalten, beugen die Knie, nehmen den Oberkörper nach vorn und setzen sich mit dem Po auf den Stuhl. Erst jetzt ist das Ausatmen zu Ende!

Dann atmen Sie ein und lassen alle Anspannung wieder los. Üben Sie 10mal  täglich und versuchen Sie, wirklich bei jedem Hinsetzen daran zu denken! In Gesellschaft anderer können Sie das  Ausatmen leise gestalten, aber lassen Sie es nicht weg: Das Ausatmen ist mindestens genauso wichtig wie das Anspannen des Afters.

Hilfreiche Vorstellungen zum Beckenbodentraining

Gerade beim Beckenbodentraining, wo es anfangs oft schwerfällt, die Muskeln gezielt anzuspannen und zu entspannen, können Vorstellungsbilder helfen. Zum Beispiel diese:

  • Schambein in Richtung Bauchnabel ziehen.
  • Sitzbeinhöcker zueinander ziehen.
  • Eine Aprikose oder Ähnliches drehen wollen.
  • Blüte auf den Beckenboden setzen und aufgehen lassen.
  • Scheide anheben und hochschnüren, eng machen oder ansaugen.
  • Luftbläschen in der Harnröhre nach oben transportieren wollen.
  • Gedanklich mit der Scheide Kirschkerne nach oben transportieren.
  • Damm nach innen hinaufziehen.

Hilfe für die überaktive Blase – Die erfahrene Uro-Therapeutin Isabell Seiwerth zeigt in diesem praktischen Ratgeber "Meine Blase gesund und stark", wie Sie Ihre Blase stärken, und Blasenentzündungen, Reizblase und Inkontinenz wirksam lindern.

Isabell Seiwerth beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Blasenbeschwerden. Seit 2015 ist sie ausgebildete und zertifizierte Urotherpeutin, ein in Deutschland noch junger Beruf mit dem Fokus auf Blase, Darm und Kontinenz. Isabell Seiwerth brennt für ihr Thema und gibt ihr Wissen und ihrer Erfahrung an Betroffene, aber auch als Referentin auf Kongressen weiter. Als Vorstandsmitglied des Vereins der Urotherapeuten (www.urotherapie.de) engagiert sie sich für eine Enttabuisierung urologischer Beschwerden und für eine bessere Therapie.