von Stefanie Kapp
Der Begriff „CMD – Craniomandibuläre Dysfunktion“ bezeichnet eine Kieferproblematik bzw. Funktionsstörung des Kausystems.
Geschichte der CMD
Der amerikanische Hals-Nasen-Ohren-Arzt James Costen beschrieb 1934 zum ersten Mal ein Beschwerdebild, das Ohrengeräusche und Kaumuskelschmerzen mit Biss- und Kiefergelenkveränderungen in Zusammenhang brachte. Die damalige Bezeichnung, Costen-Syndrom, ist mittlerweile veraltet, heute sprechen wir bei Kaufunktionsstörungen von der Craniomandibulären Dysfunktion, kurz CMD.
Das Krankheitsbild CMD
Die Wortzusammensetzung fasst Funktionsstörungen zwischen Cranium (Schädel) und Mandibula (Unterkiefer) zusammen. Die craniomandibuläre Verbindung sind die Kiefergelenke. Das Krankheitsbild CMD lässt sich auf Fehlregulationen der Muskulatur im Kiefer-Kopf-Bereich sowie auf Fehlstellungen der Kiefergelenke zurückführen. Infolgedessen breiten sich Symptome bis in andere Körperbereiche aus.
Die durch eine CMD ausgelösten Fehlfunktionen und Schmerzen finden sich in Deutschland bei einem Drittel der Erwachsenen. Zu den Symptomen werden Kiefergeräusche, Blockierungen bei der Mundöffnung, Schmerzen und alle Beschwerden (z.B. Schwindel, Tinnitus) gezählt, die als Ursache CMD vorweisen können. Viele dieser Beschwerden, beispielsweise Migräne, atypische Zahnschmerzen oder Ohrenschmerzen, lassen sich aber nicht immer leicht zuordnen.
Auch wenn immer mehr Menschen von CMD betroffen sind, so ist die Craniomandibuläre Dysfunktion in der Öffentlichkeit noch immer weitgehend unbekannt. Leider sind auch viele Ärzte mit der breiten Symptomatik nicht vertraut und können Zusammenhänge zwischen Beschwerde und Ursache nicht herstellen. Ein echtes Problem für die Betroffenen, die oft jahrelang von Facharzt zu Facharzt laufen, bevor sie einen Therapeuten finden, der die Symptome richtig deuten und tatsächlich helfen kann.
Merke
Die Kaumuskulatur ist eine der stärksten im gesamten Körper. Durch dauerhaften Druck, Überlastung oder Fehlhaltung kann es zu intensiven Verspannungen kommen. Diese sind in der Kaumuskulatur durch Verhärtungen oder Triggerpunkte spürbar.
Verhärtung der Kiefermuskulatur
Ist ein Muskel immerzu mit Verhärtungen und Triggerpunkten belastet, verliert er an Kraft und Stabilität, seine Funktion ist eingeschränkt. Außerdem kommt es zu Schmerzen bei Bewegungen (z.B. während der Mundöffnung) und bei Dehnungen. Zudem können aktive Triggerpunkte in verschiedene Areale des Gesichts ausstrahlen.
Zur Linderung dienen Massagetechniken, die jederzeit ohne großen Aufwand durchgeführt werden können. Durch den sanften Druck wird der Stoffwechsel aktiviert und die Zellversorgung der Muskulatur verbessert. Innerhalb der ersten zwei bis vier Tage nach einer solchen Massage kann es zu „Erstverschlimmerungen“ kommen, aber seien Sie unbesorgt, das ist normal und ein Zeichen, dass die Muskulatur bearbeitet wurde.
Übungen für einen entspannten Kiefer
Großer Kaumuskel von außen
Ziel: Durch die Massagetechnik am Kaumuskel (Musculus masseter) werden Triggerpunkte aufgespürt, der Stoffwechsel und die Durchblutung werden dazu angeregt, Abfallprodukte abzutransportieren. Somit kann der Kaumuskel wieder ungehindert seiner Funktion nachgehen und auch eine Dehnung in die entspannte Mundöffnung zulassen. Die Massagetechnik von außen ist besonders im Alltag gut anwendbar.
Ausführung:
- Nehmen Sie die aufrechte Haltung im Sitz oder im Stand ein.
- Platzieren Sie eine Hand mit gebeugten Fingern auf den Kaumuskel der gleichen Körperseite.
- Beginnen Sie auf Höhe des Jochbeins. Die Finger geben einen tiefen und intensiven Druck aufs Gewebe, bleiben gebeugt und mit diesem sanften Druck massieren Sie den Muskel bis zum Kieferwinkel.
- Führen Sie die Übung dann mit der anderen Hand am anderen Kaumuskel aus.
Wiederholungen: Diese Übungen führen Sie je nach Bedarf mehrmals am Tag für etwa zwei Minuten aus.
Variante: Sollten Sie während der Massage intensive Schmerzpunkte oder Triggerpunkte ertasten, verbleiben Sie an dieser Stelle nur mit Druck (kein Kreisen und keine Bewegungen) und warten Sie, bis der Schmerz nachlässt.
Tipp: Führen Sie die Massagetechnik so lange durch, bis eine leichte Linderung eintritt. Die folgenden zwei bis drei Tage kann es zu einer leichten Zunahme der Schmerzen kommen.
Großer Kaumuskel von innen
Ziel: Die Massage von innen ist besonders wirksam, da der Muskel hier in die Zange genommen wird und so separat massiert werden kann. Durch die Massagetechnik werden Schmerzpunkte und Verklebungen aufgespürt und durch den Effekt der vermehrten Durchblutung wieder aufgelöst.
Ausführung:
- Nehmen Sie die Ausgangsstellung im Sitz oder Stand ein.
- Legen Sie den Daumen der gegenüberliegenden Hand (linker Kaumuskel – rechter Daumen) in die Wange und die Finger von außen an den Muskel.
- Schieben Sie nun mit dem Daumen die Wange etwas nach außen, drücken Sie den Muskel zwischen den Fingern und dem Daumen zusammen.
- Massieren Sie mit Druck und in kleinen Kreisen. Starten Sie dabei auf Höhe des Jochbeins und bewegen Sie die Finger nach unten zum Kieferwinkel.
- Führen Sie die Übung dann mit der anderen Hand am anderen Kaumuskel aus.
Wiederholungen: Diese Übungen führen Sie je nach Bedarf mehrmals am Tag für etwa zwei Minuten aus.
Variante: Sollten während der Massage intensive Schmerzpunkte getastet werden, verbleiben Sie an dieser Stelle nur mit Druck (kein Kreisen und keine Bewegungen) und warten Sie, bis der Schmerz etwas nachlässt.
Tipp: Führen Sie die kreisförmigen Bewegungen aus dem Arm heraus aus. So ist die Technik leichter. Wenn Sie mit der Hand kreisen, verlieren Sie schnell an Kraft und Durchhaltevermögen.
Blackroll oder Igelball
Ziel: Die Faszien im Kieferbereich können Verklebungen in sich tragen und den Muskel dadurch bei allen Bewegungen behindern. Daher ist ratsam, die Faszien mittels Blackroll oder Igelball zu bearbeiten und die Verklebungen zu lösen. Durch den Druck wird Flüssigkeit aus der Umgebung (von Lymphe und Blutbahn) in die Faszien geleitet und diese können sich regenerieren und die Muskulatur freigeben.
Ausführung:
- Nehmen Sie die Ausgangsstellung im Sitz oder Stand ein. Halten Sie die Blackroll mit beiden Händen fest und platzieren Sie sie über dem Ohr. (1)
- Nun drücken Sie mit der Blackroll gegen den Kopf und rollen dabei in kleinen Abschnitten nach oben und unten.
- Als Nächstes setzen Sie die Blackroll in Höhe des Kiefergelenks an und führen das Rollen fort.
- Als Letztes legen Sie die Rolle in Höhe des Unterkiefers an und bewegen sie mit Druck auf dieser Stelle. (2)
- Behandeln Sie dann die andere Seite.
Wiederholungen: Rollen Sie je Kopfseite für etwa eine Minute.
Variante: Als Steigerung können Sie den Mund während der Massage langsam und maximal öffnen. Die zusätzliche Dehnung löst verklebte Faszien noch besser.
Tipp: Fokussieren Sie sich auf die Bereiche, in denen Sie Verspannungen und Schmerzen verspüren.
Autorin
Stefanie Kapp
Physiotherapeutin