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Glutenfrei einkaufen - leichter gesagt, als getan.
Die Zöliakie ist eine autoimmune System-Erkrankung, deren Hauptgeschehen sich im menschlichen Dünndarm abspielt. Sie basiert auf einer Unverträglichkeit gegen das Klebereiweiß Gluten, welches in den Getreidesorten Weizen, Roggen, Gerste, Hafer und deren botanischen Verwandten vorkommt. Bei der Zöliakie handelt es sich um eine genetisch veranlagte Erkrankung mit einer Autoimmunund einer Allergiekomponente. Je nach Literaturquelle ist in Mitteleuropa jeder 100. bis 300. Mensch betroffen.
Was genau ist Zöliakie?
Wird das unverträgliche Getreideeiweiß gegessen, reagiert das Immunsystem darauf wie auf einen feindlichen Stoff. Es werden ganz bestimmte Antikörper – Immunglobuline (= Gegenstoffe) – gebildet, die meist im Blut nachweisbar sind. Die ablaufende Immunreaktion verändert den Aufbau der Dünndarmschleimhaut. Zellen werden zerstört, das Gewebe entzündet sich. Mit der Zeit baut sich die normale Struktur der Dünndarmschleimhaut völlig ab. Die Dünndarmzotten, die hauptsächlich dazu da sind, ausreichend Fläche für die Aufnahme der Nährstoffe aus dem Darm ins Blut zur Verfügung zu stellen, werden zerstört.
Die Folge: Der Körper kann bei einer eigentlich ausreichenden Ernährung die wertvollen Nährstoffe (auch Vitamine und Mineralstoffe) nicht in genügender Menge aufnehmen. Außerdem kann es durch die Entzündung des Darms zu zahlreichen Beschwerden kommen. Darüber hinaus kann die Immunreaktionauch anderen Organen schaden.
Die häufigsten und typischsten Symptome sind Durchfall, Blähungen und Bauchschmerzen. Die Symptome können sehr heftig sein und innerhalb kurzer Zeit kann der Betroffene viel Gewicht verlieren. Allerdings kann eine Zöliakie auch lange Zeit unbemerkt verlaufen, da die Beschwerden untypisch sein können und nicht direkt mit einer Darmerkrankung in Verbindunggebracht werden; bei einigen Betroffenen treten beispielsweise keine Bauchbeschwerden auf. Die unten aufgeführten Anzeichen können einzeln auftreten, teils aussetzen und dann nach längerer Zeit wieder neu beginnen, ohne dass die Ernährung umgestellt wurde.
Bei Zöliakie-Verdacht erst die Diagnose sichern lassen!
Sollten Sie aufgrund typischer Beschwerden eine Zöliakie vermuten, gehen Sie zunächst zum Arzt für eine klare, eindeutige Diagnose oder den sicheren Ausschluss dieser Erkrankung. Führen Sie eine glutenfreie Ernährung nicht einfach so testweise durch! Wurde die glutenfreie Ernährung nämlich erst einmal gestartet, ist eine sichere Bestätigung der Zöliakie erst wieder nach erneuter langwieriger Belastung mit Gluten feststellbar.
Sichere Diagnose
Zu einer klaren Zöliakie-Diagnostik gehören: Symptome, typische Antikörper und die Biopsie. Die Diagnose wird komplett, wenn die Symptome nach der Umstellung auf glutenfreie Ernährung nachlassen und schließlich ganz verschwinden. Wird die glutenfreie Ernährung sicher und konsequent eingehalten, bilden sich die Dünndarmzotten wieder aus und können ihre Aufgabe, Nährstoffe zu resorbieren, wieder erfüllen.
Wenn sich die Zöliakie bestätigt, ist es notwendig, sich vom Zeitpunkt der Diagnose an ein Leben lang glutenfrei zu ernähren. Die glutenfreie Diät greift stark in den Lebensalltag der Betroffenen ein und allein deshalb braucht diese bewusste konsequente Ernährungsumstellung eine klare Grundlage: »Ich muss wissen, warum ich das tun muss!«
Zöliakie ist nicht gleich Gluten-Intoleranz
Gluten-Unverträglichkeit (auch Gluten-Intoleranz oder Weizensensitivität) ist eigentlich gar keine echte medizinische »Diagnose«. Wenn bei Menschen mit unklaren Beschwerden z. B. im Blut IgG4-Antikörper gegen Gluten oder glutenhaltige Getreide nachgewiesen werden, wird häufig von Gluten-Unverträglichkeit gesprochen.
Leider sind diese Antikörpernachweise auf keinen Fall eine Diagnose. Die Bedeutung dieser Art von Antikörpern ist noch nicht eindeutig geklärt. Vermutlich ist das Vorhandensein dieser Immunglobuline eine ganz normale Reaktion des Körpers auf Lebensmittel, die man häufig isst, und hier gerade die Toleranz kennzeichnet. Auffallend ist zum Beispiel, dass häufig IgG4 auf viele, wenn nicht gar alle Grundnahrungsmittel nachweisbar sind (Milch, Ei, Getreide, Hefe …). Bei einer Desensibilisierung steigen die IgG-Antikörper-Werte typischerweise an.
Auch ein Nachlassen von Beschwerden auf das Weglassen von Gluten wird häufig als Beleg für eine Gluten-Intoleranz eingestuft. Dieser Begriff ist aktuell sehr populär und es vermuten viel mehr Menschen, auf Gluten unverträglich zu reagieren, als es tatsächlich der Fall ist.
Worin ist Gluten enthalten?
Gluten findet sich von Natur aus in den Getreidearten Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Grünkern, Kamut und Einkorn. Alle Lebensmittel, die aus diesen Getreidesorten hergestellt werden, sind somit glutenhaltig – leicht erkennbar bei Back- und Teigwaren. Insbesondere unter den Broten gibt es in der normalen Bäckerei kaum Produkte, die ohne Weizen hergestellt werden (»Sojabrot« oder »Kastanienbrot« aus der normalen Bäckerei haben immer einen großen Anteil von Weizen- oder Roggenmehl).
Eine große Anzahl von Fertiggerichten enthält Nudeln, die üblicherweise aus Weizengrieß hergestellt werden. Darüber hinaus werden viele Lebensmittel unter Verwendung von Weizenmehl oder Paniermehl verarbeitet, wie z. B. Kuchen, Soßen, Panaden, Eintöpfe, Suppen sowie Feinkostartikel.
Andere Produkte enthalten Gerstenmalz (Bier, Bonbons, Schokoladen), Graupen, Haferflocken, Kleie und Mehle aus Hafer, Roggen oder Gerste. Reines Gluten findet sich als Trägerstoff von Aromen und Gewürzen z. B. in Wurst, Süßwaren, Backzutaten, Eis und aromatisierten Teesorten. Weizeneiweiß ist Zusatz vieler vegetarischer Gerichte und auch Bestandteil einiger Sojasoßen. Seitan ist ein Produkt aus Weizeneiweiß und in der vegetarischen und veganen Küche begehrt.
Weizenstärke kann sowohl glutenfrei hergestellt werden als auch große Glutenreste enthalten. Unerwartete Getreide- oder Mehlzusätze in Lebensmitteln oder auch Menüs sind Stolpersteine in der glutenfreien Ernährung. Wenn man selbst eine Soße nie mit Mehl zubereitet, fällt es schwer, daran zu denken, dass es außer Haus anders sein könnte.
Wann ist ein Produkt »glutenfrei«?
Um ein Produkt als »glutenfrei« zu kennzeichnen, muss der Hersteller sehr strenge Kriterien anlegen und sich an aktuelle Verordnungen halten. Es ist genau festgelegt, was die Aufschrift »glutenfrei« zu bedeuten hat. Dabei wird nicht mehr unterschieden, ob es sich um ein diätgeeignetes Produkt (speziell hergestelltes glutenfreies Brot) oder ein Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs (z. B. Tomatenketchup) handelt. Als glutenfrei gekennzeichnete Lebensmittel zählen nicht mehr zu den diätetischen Produkten, unterliegen aber dennoch zur Kennzeichnung strengen analytischen Grenzwerten.
Der sogenannte Codex alimentarius (übersetzt: Lebensmittelkodex) stellt die Grundlage für die neueste EU-Verordnung zur Kennzeichnung von glutenfreien Lebensmitteln dar. Die Richtlinie für glutenfreie Lebensmittel im Codex wurde im August 2008 aktualisiert. Demnach dürfen Lebensmittel nur dann die Aufschrift »glutenfrei« tragen oder mit einem entsprechenden Symbol gekennzeichnet sein, wenn sie nachweislich nicht mehr als 20 ppm (entsprechend 2 mg pro 100 g) an Restgluten enthalten.
Vor Erfindung des künstlichen Insulins war die Hafertherapie in der Medizin eine allgemein anerkannte und angewandte Behandlungsmethode bei Diabetes. Mit der Insulinbehandlung geriet sie dann leider in Vergessenheit. Erst seit kurzem weiß man die Wirkung von Hafer bei Diabetes wieder zu schätzen. Ja, Männer, natürlich seid ihr keine Pferde. Aber was soll’s? Hafer tut euch nicht nur gut, er schmeckt auch noch richtig lecker. Das Müsli oder der Porridge zum Frühstück sind Gold wert!
Gluten in Lebensmitteln
Prinzipiell kann jedes verarbeitete Lebensmittel Gluten enthalten:
- durch glutenhaltige Zutaten wie Getreidemehle oder -flocken aus Weizen, Roggen, Gerste und Hafer, Malz aus Gerste oder auch Getreideeiweißzusätze (Seitan),
- durch Verunreinigung eigentlich glutenfreier Rohstoffe bei Anbau, Ernte, Transport, Verarbeitung und Lagerung,
- durch Verunreinigung in der eigenen oder auch der Restaurant-Küche, wenn dort auch glutenhaltige Gerichte zubereitet werden.
Gluten beim Einkaufen vermeiden
Es gibt zahlreiche Lebensmittel, die von Natur aus glutenfrei sind. Sicher wäre es möglich, sich allein damit bereits ausreichend zu ernähren. Aber das entspricht nicht dem aktuellen Lebensstandard. Häufig bauen wir Fertig- und Halbfertigprodukte in unseren Speiseplan ein. Manchmal kommt es einem dabei kaum in den Sinn, dass es sich beim verwendeten Produkt um eine Zubereitung handelt – so selbstverständlich ist dessen Anwendung (z. B. Curry als Gewürzmischung, Senf, Ketchup oder Mayonnaise).
Bei »Fertigprodukten« denkt man meist an komplette Menüs oder nahezu servierfertige Zubereitungen. So kommt schnell der Gedanke beim Einkaufen auf: »Darin kann ja eigentlich kein Gluten enthalten sein«. Dieser Gedanke ist eher problematisch und es ist größte Sorgfalt und Hintergrundwissen notwendig, die Ernährung und den Einkauf mit Sicherheit auf »glutenfrei« umzustellen. Wenn es auch anfangs lästig und zeitaufwendig erscheint – Sie lernen schnell, die Zutatenlisten zu entziffern, und der Einkauf Ihrer Standard-Lebensmittel wird wieder zur Gewohnheit.
Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. (DZG) gibt seit Jahrzehnten aufwendig recherchierte Informationen heraus, die den Einkauf glutenfreier Lebensmittel erleichtern. Die Daten basieren auf Herstellerauskünften und werden Mitgliedern der DZG in digitaler Form über deren Website oder eine App tagesaktuell bereitgestellt. Es wird zudem darauf hingewiesen, welche der Produkte laktosefrei sind.
Darüber hinaus bietet die DZG über die Datenbank »Glutenfrei außer Haus« für Mitglieder eine Umkreissuche für glutenfreie Möglichkeiten in der Nähe in den Kategorien Gastronomie & Beherbergung, Klinik & Pflege sowie Einzelhandel (Bäcker, Metzger). Sie erstellt Infomaterialien für Mitarbeitende aus Kita, Schule, Klinik, Pflege und Gastronomie und bietet Schulungen an. Eine Mitgliedschaft in der DZG ist erschwinglich und auf jeden Fall sinnvoll.
Glutenhaltige Lebensmittel müssen gekennzeichnet sein
Nach einer EU-Verordnung, die bereits seit November 2005 verpflichtend für nahezu alle verpackten Lebensmittel ist und seit Dezember 2014 auch für unverpackte Ware aus Bäckereien, Metzgereien, Eisdielen und in der gesamten Gastronomie, müssen die Zutaten eines Produkts, die häufig Allergien auslösen, grundsätzlich in der Zutatenliste genannt werden. Zu den 14 kennzeichnungspflichtigen Allergenen gehören neben Milch, Ei, Soja und Nüssen auch die glutenhaltigen Getreidesorten. Das heißt, wenn einem Lebensmittel bewusst Gluten oder glutenhaltiges Getreide als Bestandteil der Rezeptur zugesetzt ist, muss das in der Zutatenauflistung deutlich erkennbar sein. Auch wenn die Menge des Zusatzes minimal ist (unter 1 %) oder es sich um ein Hilfsmittel für die Produktion handelt, ist die Angabe des Allergens Pflicht, sobald es sich um eine absichtliche Zugabe handelt.
Es ist im Falle von glutenhaltigen Rohstoffen auch die namentliche Nennung vorgeschrieben, z. B. Weizenmehl oder Roggenmehl bzw. in Menüs »enthält: Gluten (Weizen)«. Sind in dem Produkt Stärke oder Malz verarbeitet, muss ersichtlich sein, wenn es sich um glutenhaltige Rohstoffe handelt (z. B. Weizenstärke, Gerstenmalz). Wird Maisstärke verwendet, genügt die Aufschrift »Stärke«.
Wann ist ein Produkt »glutenfrei«?
Um ein Produkt als »glutenfrei« zu kennzeichnen, muss der Hersteller sehr strenge Kriterien anlegen und sich an aktuelle Verordnungen halten. Es ist genau festgelegt, was die Aufschrift »glutenfrei« zu bedeuten hat. Dabei wird nicht mehr unterschieden, ob es sich um ein diätgeeignetes Produkt (speziell hergestelltes glutenfreies Brot) oder ein Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs (z. B. Tomatenketchup) handelt. Als glutenfrei gekennzeichnete Lebensmittel zählen nicht mehr zu den diätetischen Produkten, unterliegen aber dennoch zur Kennzeichnung strengen analytischen Grenzwerten.
Bei Zöliakie wird der Einkauf im Supermarkt schon mal zum Ratespiel: Was kann ich bedenkenlos essen, was bereitet mir Beschwerden? Wo und wie kann sich Gluten versehentlich „einschleichen“? Der praktische Einkaufsführer "Richtig einkaufen glutenfrei" von Andrea Hiller liegt nun in der 4. aktualisierten Auflage vor und berücksichtigt die aktuellen rechtlichen Vorgaben zur Kennzeichnung „glutenfrei". Über 600 Lebensmittel, Fertiggerichte, Restaurant-Speisen und Fast-Food sind hier auf dem Prüfstand.
Autorin
Andrea Hiller ist seit Geburt von Zöliakie betroffen und hat sich zur Spezialistin ihrer eigenen Krankheit gemacht. Dazu gehören auch eine Ausbildung zur Diätassistentin und die tägliche Beratungsarbeit mit anderen Betroffenen. Derzeit arbeitet sie selbstständig als zertifizierte Diätassistentin in eigener Ernährungsberatungspraxis mit Schwerpunkt Magen-Darm-Erkrankungen und Nahrungsmittel-Allergien. Zuvor war sie viele Jahre in der Produktentwicklung und Kundenberatung bei der Hammermühle tätig, einer Firma für glutenfreie Lebensmittel, und arbeitete im Verband der diätetischen Lebensmittel-Industrie sowie bei der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft. Sie ist Mitglied im Berufsverband der Diätassistenten VDD und gehört zum Netzwerk der Ernährungsfachkräfte im Deutschen Allergie- und Asthmabund. Durch ihre Mitarbeit in Selbsthilfegruppen ist sie bei Betroffenen bekannt und geschätzt.