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Gemäß einer Definition des Deutschen Wetterdienstes ist Wetterfühligkeit die „verstärkte Wahrnehmung der Reize des Wetters durch den Menschen, insbesondere bei einem Wetterwechsel“.
Wie bereits im Editorial erwähnt, gibt es kaum wissenschaftliche Daten zur Bedeutung und Prävalenz der Wetterfühligkeit, weshalb 2013 vom Deutschen Wetterdienst eine repräsentative Umfrage durchgeführt wurde. Diese ergab nicht nur, dass sich 57 % der befragten Frauen und 42 % der Männer als wetterfühlig bezeichneten und die Häufigkeit der Beschwerden mit dem Alter zunahmen, sondern auch, dass sie in engem Verhältnis mit vorhandenen Grunderkrankungen stehen. So litten rund 76 % der Wetterfühligen unter mindestens einer chronischen Erkrankung, während es bei den Nicht-Wetterfühligen nur 52 % waren [20].
Die von den Wetterfühligen am häufigsten genannten Symptome waren Kopfschmerzen und Migräne (59 %), Müdigkeit (55 %), Abgeschlagenheit (49 %), Gelenkschmerzen (42 %) und Schlafstörungen (40 %). Gleichzeitig gaben 29 % der Wetterfühligen an, dass sie aufgrund dieser Beschwerden mindestens einmal im Jahr nicht in der Lage waren, ihrer gewohnten Tätigkeit nachzugehen [20].
Speziell bei starker Hitze können sich vorbestehende Erkrankungen insbesondere des Herz-Kreislauf-Systems, der Atemwege und/oder der Nieren verschlimmern und bei zahlreichen Medikamenten teils schwerwiegende Nebenwirkungen auslösen [24]. Zudem steigen bei höheren Temperaturen das Suizidrisiko und die Neigung zu aggressivem Verhalten [10].
Bezogen auf extreme Wetterlagen erschien ganz aktuell, im Februar dieses Jahres, im Deutschen Ärzteblatt ein Beitrag, der sich mit der hitzeassoziierten Mortalität beschäftigte [16]. Darin wurden die zunehmenden Hitzeepisoden als „eines der wichtigsten Gesundheitsrisiken des Klimawandels weltweit und in Deutschland“ beschrieben und die geschätzte hitzeassoziierte Übersterblichkeit im Jahre 2020 wurde mit 9100 Personen berechnet. Etwa gleich viele wie in den Sommern 2006, 2015 und 2019. Nur der Rekordsommer 2003 übertraf diese Anzahl mit geschätzten 11 600 Hitzetoten. Besonders betroffen von diesem Risiko sind ältere Menschen, bei denen die Hitze meist zu einer akuten Verschlechterung vorbestehender kardiovaskulärer und respiratorischer Erkrankungen führt. Nach Schätzung der Autoren lässt sich knapp ein Drittel der hitzeassoziierten Sterbefälle in deutschen Großstädten auf den bereits eingetretenen anthropogenen Klimawandel zurückführen [17].
Im Hinblick auf die hitzebedingte kardiovaskuläre Mortalität stellten Alahmad et al. mittels einer aktuellen großen multinationalen Analyse fest, dass 2 Promille dieser Todesfälle auf extrem heiße und 9 pro 1000 auf extrem kalte Tage zurückzuführen sind [1].
Pathogenese wetterbedingter Gesundheitsstörungen
Insbesondere kurzfristige Änderungen im Wetterverlauf, aber auch extreme Wetterlagen wie große Hitze und große Kälte sind Stressoren für den Organismus, die intensive Anpassungsreaktionen erfordern und damit die Regulationsfähigkeit des vegetativen Nervensystems herausfordern. Ob diese Anpassungsvorgänge unbemerkt verlaufen oder zu Befindensbeeinträchtigungen (Wetterfühligkeit) führen, hängt zum einen von der Art und Intensität des Wettereinflusses (wie der Stärke des Wetterumschwungs), zum anderen aber auch von der individuellen Anpassungsfähigkeit des Organismus ab.
Zu Problemen kommt es immer dann, wenn die Regulationsfähigkeit des Organismus durch Erkrankungen oder eine Normabweichung der Regulation, wie z. B. bei zu niedrigem oder zu hohem Blutdruck, oder aber durch mangelndes Training eingeschränkt ist. Das heißt, mangelnde Regulations- und Adaptionsfähigkeit sind oftmals die Folgen einer Verarmung an natürlichen Reizen wie Sonne, Wind/frische Luft und Bewegung, aber auch eines Übermaßes an schädlichen Einflüssen wie Fehlernährung, mentalem und sozialem Stress.
Da wir das Wetter nicht beeinflussen können, bleibt uns nur die Optimierung unserer Regulations- und Anpassungsfähigkeit.
Ebi et al. schreiben 2021, dass die durch den Klimawandel bedingten negativen gesundheitlichen Auswirkungen durch den Aufbau klimaresilienter Gesundheitssysteme mit verbesserter Risikoreduzierung, Vorbereitung, Reaktion und Erholung verhindert werden können [6]. Dazu müssen wir auch präventive Maßnahmen im Bereich der individuellen Selbstverantwortung und Selbstfürsorge zählen.
Hydrotherapeutische Anwendungen
Hydrotherapeutische Anwendungen wirken – im Sinne einer unspezifischen Reiztherapie – ganz wesentlich über die Thermoregulation. Während Kaltreize aktiv eine Vasokonstriktion und – bei richtiger Dosierung – reaktiv eine Vasodilatation hervorrufen, bewirken Warmreize eine direkte Gefäßerweiterung und Muskelentspannung. Diese Reaktionen laufen über Reflexbögen des vegetativen Nervensystems (VNS) und führen bei regelmäßiger Durchführung, im Sinne eines Gefäßtrainings, zu einer verbesserten Regulation und Anpassungsfähigkeit des VNS.
Damit lassen sich – ggf. in Kombination mit anderen Naturheilverfahren und/oder Lebensstilverbesserungen – sowohl vegetative Gleichgewichts- als auch Regulationsstörungen bzw. -blockaden bessern oder gar beseitigen.
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte Sebastian Kneipp, dass viele Beschwerden und Erkrankungen Folgen des „modernen Lebensstils“ bzw. mangelnder natürlicher Reize waren. Gleichzeitig verstand er es, Wasserreize in ein „System“ mit einfacher, gesunder Ernährung, regelmäßiger Bewegung, seelischem Ausgleich („Ordnungstherapie“) und Behandlung mit Heilkräutern einzubinden [18], [19] – ein System, dass wir heute „klassische Naturheilverfahren“ nennen.
Die Hydrotherapie ist dabei ein regulationsmedizinisches Verfahren par excellence. Ihr Wirkungsfeld ist das vegetative Nervensystem. Richtig angewandt verbessert sie Mikro- und Makrozirkulation, regt den Zellstoffwechsel an, verbessert den Gas- und Nährstoffaustausch, moduliert das Immunsystem und schafft einen Ausgleich zwischen Sympathikus und Parasympathikus [6].
Was ist das Besondere an Wasseranwendungen? Wie wirkt die Hydrotherapie?
Kaltes wie auch warmes Wasser stimuliert die äußeren Thermorezeptoren, die diese Information über afferente (Aδ-)Nervenfasern an das zentrale Thermoregulationszentrum im Hypothalamus weiterleiten. Über motorische und vegetative Fasern kommt es dann je nach Reizstärke zur Dilatation oder (kurzzeitiger) Konstriktion der Gefäße und als Folge zur Anregung der Durchblutung und Wärmebildung der Haut. Über Reflexbahnen erfolgt dann eine Beeinflussung der Skelettmuskulatur und der inneren Organe. Zudem werden immunologische und hormonell-humorale Reaktionen insbesondere des Hypophysen-Nebennierenrinden-Systems angeregt [5], [13].
Werden die Reize regelmäßig appliziert, erfolgt ein Anpassungseffekt, bei dem es durch die Downregulation von Adrenalin zu einer dauerhaften Minderung des Sympathikotonus und einer Regeneration der Regelmechanismen kommt. Durch das regelmäßige Gefäßtraining wird zudem die Vasomotion gefördert und die Endothelfunktion regeneriert [9], [12]. Über diese Mechanismen wirkt die Hydrotherapie sowohl durchblutungsverbessernd als auch stoffwechselanregend und zellregenerierend.
Hydrotherapie und Wissenschaft
Trotz unzähliger Einzelberichte zur positiven Wirkung der Kneipp-Therapie im Allgemeinen und der Hydrotherapie im Besonderen gibt es laut eines aktuellen Reviews von Ortiz et al. streng wissenschaftlich gesehen leider nur wenig Evidenz. Hauptsächlich mangelt es an randomisierten, kontrollierten klinischen Studien (RCT) zu diesen Verfahren [22]. Als Resultat ihrer großen Datenbankrecherche zum Thema Hydrotherapie (i. S. Kneipp) konnten sie gerade einmal 20 RCTs ausfindig machen, die jedoch eine große Heterogenität aufwiesen.
Und obgleich bei diesen Studien keine dabei war, die speziell die Wirkung der Hydrotherapie auf eine Besserung der Wetterfühligkeit untersuchte, konnte in mehreren RCTs eine Verbesserung der Blutdruckregulation und der Lebensqualität nachgewiesen werden [3], [7], [21], [22]. Neben der Plausibilität der thermoregulatorischen Auswirkungen lassen diese Ergebnisse den Schluss zu, dass auch Menschen mit Wetterfühligkeit bzw. Regulationsstörungen durch extreme Wettereinflüsse von der Hydrotherapie profitieren können.
Grundlagen hydrotherapeutischer Anwendungen
Da die allgemeinen Regeln zur Durchführung hydrotherapeutischer Anwendungen in den letzten Jahren auch an dieser Stelle mehrfach beschrieben wurden [12], [13], [14], sollen diese hier nur kurz dargestellt werden: Wärme ist Heilenergie! Deshalb sollte jeglicher Kaltreiz nur auf warmer Haut erfolgen und danach auf Wiedererwärmung – aktiv oder passiv – geachtet werden. Der wichtigste Parameter einer richtig dosierten Wasseranwendung ist das Wohlbefinden des Behandelten. Tut eine Anwendung nicht gut, wurde sie nicht korrekt gewählt, ausgeführt oder dosiert [15].
Individuelle, situationsgerechte Dosierung heißt, den Unterschied zwischen Wasser- und Körpertemperatur, die Größe der behandelten Körperoberfläche, die Dauer der Anwendung und aufgrund des zirkadianen Rhythmus der Körpertemperatur auch die gewählte Tageszeit zu beachten. Nicht zuletzt ist außerdem die Konstitution des zu Behandelten von Bedeutung: Während schlanke, schmalwüchsige, oft aber auch athletisch-muskulöse Menschen stärker wärmebedürftig sind, vertragen vollblütige, eher untersetzte Personen kräftige und größere Kaltanwendungen [12], [15].
Wassertreten – eine einfache Methode zur Regulationsverbesserung
Wassertreten ist wohl die bekannteste Kneippsche Anwendung überhaupt. Sie kann nahezu überall durchgeführt werden, ob in einem speziellen Wassertretbecken, einem seichten Bachlauf oder einer Badewanne. Besonders bietet es sich in Verbindung mit einem (Abend-)Spaziergang, (Nordic) Walking oder anderer körperlicher Aktivität an. Und so einfach es auch erscheinen mag, so wirksam ist es jedoch. Es tonisiert das Gewebe, fördert den venösen Rückstrom, wirkt reaktiv hyperämisierend und erwärmend. Regelmäßig durchgeführt wirkt es zudem vegetativ ausgleichend, beugt Infekten vor, regt den Stoffwechsel an und wirkt beruhigend und schlaffördernd am Abend [12].
Im Rahmen der Klimaadaption wirkt es sich insbesondere auf die verbesserte Regulation des vegetativen Nervensystems, der arteriellen und venösen Durchblutung sowie der Blutdruckregulation aus. Gleichzeitig hilft es gegen hitze- und kältebedingte Einschlafstörungen. Kontraindiziert ist es bei Unterleibs-, Blasen- und Nierenkrankheiten, stärker ausgeprägten arteriellen Durchblutungsstörungen (AVK Grad IIb–IV) sowie – wie alle Kaltanwendungen – bei allgemeinem Kältegefühl und kalten Füßen. Wichtig dabei ist der „Storchengang“, das heißt, bei jedem Schritt ein Bein ganz aus dem Wasser zu heben, es zeitlich nicht zu übertreiben – meist reichen ca. 2 Minuten – und im Anschluss daran sich wieder aufzuwärmen [11], [12], [14], [15].
Hydrotherapeutische Güsse
„Kreislaufstörungen“ oder „niedriger Blutdruck“, oft gepaart mit Schwindel, Unwohlsein, Mattigkeit und Abgeschlagenheit sind mit die häufigsten Beschwerden wetterfühliger Menschen. Sowohl zur Prophylaxe als auch zur Therapie dieser Beschwerden haben sich – neben dem o. g. Wassertreten – verschiedene hydrotherapeutische Güsse wie der kalte Arm- und Gesichtsguss oder auch der Wechsel-Schenkelguss bewährt.
Güsse sind das Herzstück der Kneippschen Hydrotherapie und werden idealerweise mit einem Schlauch von 1,5 m Länge und ¾ Zoll (20 mm) Durchmesser oder einem Gießhandstück, das anstelle des Brausekopfes auf den Duschschlauch geschraubt wird, durchgeführt. Sollte beides nicht zur Verfügung stehen, tut es ersatzweise auch eine weich gestellte Handbrause oder einfach laufendes Wasser aus dem Wasserhahn.
Gegen Mattigkeit und Kopfdruck – der kalte Arm- und Gesichtsguss
Der kalte Arm- und Gesichtsguss ist nicht nur ganz einfach und schnell durchzuführen, er wirkt auch erstaunlich gut. Er wirkt erfrischend und belebend und verbessert zudem die nachlassende Sehkraft [2], [14]. Im einfachsten Fall genügt dazu laufendes Wasser aus einem Wasserhahn. Beginnend mit dem rechten Handgelenk wird das möglichst kalte Wasser einige Sekunden lang über die Pulsregion laufen lassen, dann wird der Arm von da aus langsam unter dem laufenden Wasser hindurch so weit wie möglich bis zur Schulter und wieder zurück gezogen. Danach folgt der linke Arm in gleicher Weise. Dann das Gesicht, erst die rechte, dann die linke Gesichtshälfte. Danach wird die gesamte Abfolge wiederholt, das Wasser abgestreift, ggf. abgetrocknet – und fertig. Bei Bedarf kann diese Maßnahme auch mehrmals pro Tag wiederholt werden.
Kreislaufstabilisierung durch Wasser – der Wechsel-Schenkelguss
Etwas stärker kreislaufanregend wirkt der Wechsel-Schenkelguss, der ebenfalls schnell und einfach durchführbar ist. Er regt die Durchblutung an, tonisiert die Venen und wirkt kreislaufstabilisierend [9]. Er beginnt mit 36–38 °C warmem Wasser, das mittels Schlauch oder Dusche vom Fußrücken aus langsam entlang des lateralen Unter- und Oberschenkels, über das Gesäß bis etwa zum Beckenkamm hoch geführt wird. Dort verweilt man so lange, bis eine gute Durchwärmung eintritt, und führt den Wasserstrahl dann über die Leiste am inneren Ober- und Unterschenkel wieder langsam abwärts bis zum Fuß. Anschließend folgt das linke Bein in gleicher Weise. Danach folgt der gleiche Ablauf mit möglichst kaltem Wasser, nur deutlich zügiger. Wie generell bei kalten Güssen sollte man vor dem Guss einatmen, mit Beginn des Gusses ausatmen und auf ruhige Atmung und entspannte Körperhaltung während des Gusses achten. Danach werden Warm- und Kaltanteil noch einmal wiederholt und zum Schluss beide Fußsohlen kalt abgegossen. Nicht durchführen sollte man ihn bei Menstruation, Ischialgie, Nieren- und Blasenleiden [2], [5], [11].
Herz-Kreislauf-Training für Gesunde – der kalte Vollguss
Die Steigerung der kleinen Güsse ist der kalte Ganzkörper- oder Vollguss. Zusätzlich zur Aktivierung von Durchblutung und Stoffwechsel stabilisiert er das Vegetativum, reguliert den Wärmehaushalt und stimuliert das Immunsystem und erfüllt damit wesentliche Aufgaben zur Abwehr wetterbedingter Fehlregulationen. Dass diese kalten Güsse auch die Lebensqualität verbessern können, konnten Buijze et al. mit ihrer Studie belegen [7].
Am einfachsten bietet er sich nach einer warmen Dusche, einem warmen Vollbad oder der Sauna an. Ist der Körper gut durchwärmt, lässt sich der Kaltreiz auch gut tolerieren. Wichtiger noch als bei den o. g. kleinen Güssen ist hierbei aufgrund der größeren Reizstärke die korrekte Durchführung. Wie beim Schenkelguss beginnt man mit dem weichen, ummantelnden Wasserstrahl an der Außenseite des rechten Fußes, führt ihn an der Außen- und Rückseite des Beines nach oben, über das Gesäß und den Beckenkamm nach vorn zur Leiste und dann an der Innen- und Vorderseite des Beines wieder hinab zum Fuß. Danach folgt das linke Bein in gleicher Weise. Danach kommt zuerst der rechte, dann der linke Arm, vom Handrücken über die Außenseite zur Schulter und dann innen wieder zurück. Dann das Gesicht. Zum Schluss noch einmal tief einatmen und beim Ausatmen mit dem Wasserstrahl über einen Arm zu Brust und Rücken und damit den ganzen Körper kalt abgießen. Abschließend folgen wieder die Fußsohlen, erst rechts, dann links [14].
Kreislaufverbessernde Bäder – kaltes Armbad, Wechsel-Armbad, Wechsel-Fußbad
Die besten Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System haben kleine Teilbäder wie das Wechsel-Arm- oder -Fußbad. Dabei wirken sich diese nicht nur auf die Durchblutung der jeweiligen Extremitäten, sondern reaktiv auf den gesamten Körper aus. Sie wirken vegetativ stabilisierend, trainieren und entspannen die Blutgefäße, normalisieren den Blutdruck und versorgen so die Zellen besser mit Sauerstoff [9]. Damit sind sie sowohl bei Hypo- als auch Hypertonie und vor allem bei stark schwankendem Blutdruck zu empfehlen. Michalsen und Mitarbeiter konnten in ihrer klinischen Studie zeigen, dass warme Armbäder nicht nur den Blutdruck, sondern auch die Herzkraft und die Lebensqualität von herzinsuffizienten Patienten verbessern [21]. Kontraindikationen für warme Armbäder sind Hyperthyreose, Lymphödeme und Entzündungen im Armbereich. Gegenanzeigen für das kalte Armbad sind Angina pectoris, organische Herzkrankheiten und Gefäßkrämpfe [4].
Am einfachsten und schnellsten durchzuführen ist das kalte Armbad, für das schon eine Wanne oder ein tieferes Waschbecken mit möglichst kaltem Wasser reicht. Warme Hände vorausgesetzt, werden einfach beide Arme so weit wie möglich in das Becken eingetaucht, etwa 10–20 Sekunden darin belassen, anschließend wird das Wasser abgestreift und für Wiedererwärmung gesorgt.
Für das Wechsel-Armbad werden zwei Gefäße, eines mit etwa 38 °C warmem und eines mit kaltem Wasser, sowie etwa zehn Minuten Zeit benötigt. Begonnen wird mit dem Warmbad, in das beide Arme etwa fünf Minuten lang möglichst weit hineingelegt werden. Anschließend folgt etwa fünfzehn Sekunden lang das Kaltbad. Danach wiederholt man beide Teile, fünf Minuten lang warm und fünfzehn Sekunden lang kalt, streift das Wasser ab und fühlt schnell einen wohltuenden Effekt. Zur Wirkungsverstärkung können in das warme Wasser zur Verbesserung der Durchblutung Badezusätze wie Rosmarin- oder Fichtennadelextrakt zugegeben werden [11], [12].
Wer der Ganze noch etwas optimieren möchte, kann alternierend zum Wechsel-Armbad auch ein Wechsel-Fußbad machen, das in gleicher Weise durchgeführt wird. Zusätzlich notwendig sind dafür nur zwei etwas tiefere Wannen, damit die ganzen Unterschenkel bis etwa eine Hand breit unters Knie ins Wasser eingetaucht werden können.
Hydrotherapie gegen hohen Blutdruck – kalter Knieguss
Die beste hydrotherapeutische Anwendung zur Senkung von zu hohem Blutdruck ist der kalte Knieguss, (der bei kalten Füßen aber auch als Wechsel-Knieguss durchgeführt werden kann). Im Gegensatz zum Wechsel-Armbad wirkt er nicht nur bei dauerhaft erhöhtem Blutdruck, sondern auch im Akutfall bei einem plötzlichen, z. B. wetterbedingten Blutdruckanstieg. Er wird praktisch ebenso ausgeführt wie der Schenkelguss, nur eben nicht bis zum Beckenkamm, sondern nur bis eine Hand breit übers Knie und – wenn möglich – nur mit kaltem Wasser.
Kontraindiziert ist er – wie auch der Schenkelguss – bei Menstruation, Ischialgie, Nieren- und Blasenleiden, aber auch eben auch bei Neigung zu Hypotonie [11], [12].
Nackenverspannung und Kopfschmerz: Der (temperatur-)ansteigende Nackenguss
Die häufigsten Beschwerden bei Wetterwechsel sind Kopfschmerzen [20], die oft in Verbindung mit Muskelverspannungen im Nacken stehen. Sehr hilfreich dagegen ist der (temperatur-)ansteigende Nackenguss. Er wirkt entspannend, entkrampfend und durchblutungssteigernd auf das behandelte Muskelareal und reflektorisch auf die segmental zugeordneten Organe. Dadurch werden diese Gebiete wieder besser mit Sauerstoff versorgt und die schmerzauslösenden Ursachen beseitigt.
Obgleich die Verabreichung in einer physikalischen Einrichtung einfacher ist, kann die Anwendung auch zu Hause durchgeführt werden. Dafür sollte sich der Patient am besten mit dem Oberkörper über die Badewanne beugen, während eine zweite Person den weichen Wasserstrahl im Schulter-Nacken-Bereich langsam hin und her und etwas auf und ab bewegt.
Begonnen wird mit einer Wassertemperatur von etwa 34 °C und diese wird ganz langsam über 10–15 Minuten auf etwa 42–43 °C gesteigert, so lange, bis eine kräftige Hyperämie erreicht ist. Anschließend gründlich abtrocknen und möglichst in entspannter Haltung etwas ruhen. Kontraindiziert ist dieser Guss bei arterieller Hypertonie, Herzinsuffizienz NYHA III und IV, Hyperthyreose, Glaukom, Katarakt und Entzündungen im Behandlungsareal [4], [12], [13].
Schlafstörungen durch Klimawandel
Auch der Schlaf kann durch den Klimawandel und Umwelteinflüsse gestört werden. Wärmer werdende Tage und Nächte sorgen dafür, dass die Körperkerntemperatur zu wenig sinkt.
Dadurch verringert sich das Müdigkeitsgefühl und erschwert das Einschlafen. Steigen die nächtlichen Temperaturen über 26 oder gar 28 °C, ist ein qualitativ guter Schlaf kaum mehr möglich. Abhilfe oder zumindest eine gewisse Erleichterung schaffen können hier kalte Abwaschungen, kalte Güsse und ggf. kalte Bäder.
Andererseits sind jedoch auch kalte Füße, ob durch Kälte oder auch (funktionelle) Durchblutungsstörungen bedingt, ein Einschlafhindernis. Auch in diesen Fällen kann die Hydrotherapie helfen, indem sie direkt wie auch indirekt die Körpertemperatur und deren Regulation beeinflusst. Personen mit „chronisch“ kalten Händen und/oder Füßen profitieren insbesondere von einem Gefäßtraining mit regelmäßigen Wechsel-Arm- und -Fußbädern und/oder Wechsel-Arm- und -Schenkelgüssen wie oben ausgeführt.
Sind die Füße warm, wirken speziell schlafanstoßend und -verbessernd vor allem das Wassertreten und die kalte Abwaschung. Beide Interventionsformen bewirken eine Verschiebung des vegetativen Gleichgewichts in Richtung Parasympathikus, d. h. in Richtung Entspannung, und sorgen damit für eine wichtige Voraussetzung für einen guten und erholsamen Schlaf [15].
Ein- und Durchschlafhilfe: die kalte Unterkörper-Waschung
Für den akuten Einsatz, z. B. bei hitzebedingten Schlafstörungen, aber auch bei chronischer Insomnie ist die kalte Abwaschung vermutlich die beste nichtmedikamentöse Therapiemaßnahme, die es gibt. Angeblich soll damit Sebastian Kneipp sogar den damaligen Papst Leo XIII. von seinen Schlafstörungen befreit haben. Durch den milden oberflächlichen Kaltreiz und die darauffolgende Aktivierung des Parasympathikus kommt es zur reaktiven Umverteilung des Blutes vom Kopf in die Peripherie, und somit zur Beruhigung des Geistes, dem Ziel dieser Maßnahme [15].
Wie bei jeder Kaltanwendung ist es auch hierbei wichtig, dass der Körper vorher warm genug ist und auch nach der Anwendung schnell wieder warm wird. Das heißt, soll die Abwaschung als Einschlafhilfe dienen, sollte sich die schlafgestörte Person zunächst so lange ins Bett legen, bis Bett und Körper gut durchwärmt sind und sich wohlig warm anfühlen. In heißen Nächten ist das natürlich nicht nötig.
Um die Abwaschung durchzuführen, steht man kurz auf, taucht einen Waschhandschuh oder ein Leinentuch in kaltes Wasser, wringt es aus und beginnt am rechten Fußrücken. Dann fährt man über den Außenknöchel, die Außen- und Rückseite des Unter- und Oberschenkels bis zum Gesäß und über den Beckenkamm bis zum Bauch. Zwischendurch taucht man das Tuch wieder ein, wringt es kurz aus und fährt dann auf der Beininnen- und -vorderseite wieder hinunter, bis das gesamte rechte Bein von einem Wasserfilm umhüllt ist. In der gleichen Weise wird die linke Unterkörperhälfte „gewaschen“. Danach nicht abtrocknen, Schlafanzug wieder anziehen, schnell ins warme Bett und gut einpacken [15].
Sollte jemand Probleme haben, nach der kalten Waschung warm zu werden, kann dem kalten Wasser ein Schuss Essig oder ein Löffel Meersalz zugesetzt werden. Das reizt etwas die Haut und führt so zu einer intensiveren Erwärmung. Sollte dagegen die Hitze sehr groß sein und den Schlaf unmöglich machen, kann auch eine Ganzkörperwaschung durchgeführt werden. Dazu werden einfach im Anschluss an den Unterkörper erst der rechte, dann der linke Arm und zum Schluss Bauch, Brust und Rücken mit dem Wasser benetzt.
Sauna
Wenn auch weniger eine Hydro- als eine Thermotherapie, dafür aber mit ähnlichen Wirkmechanismen und wissenschaftlich besonders gut untersucht, sind Saunagänge. Regelmäßig durchgeführt wirken sie nicht nur ausleitend, abwehrsteigernd und entspannend, sie führen auch zu einer deutlichen Umstimmung des vegetativen Nervensystems, senken den Sympathikotonus, stimulieren den Vagus und bewirken damit letztlich eine Senkung hoher Puls- und Blutdruckwerte [12], [23].
Speziell im Hinblick auf Umweltstress wie extrem warme oder kalte Temperaturen und ihre Herausforderung für die menschliche Gesundheit und die Homöostase des Körpers beschrieben Heinonen und Laukkanen die Adaptationsmöglichkeiten des menschlichen Körpers durch Saunieren. So kann dosierter Hitze- in Kombination mit Kältestress für die menschliche Gesundheit von großem Vorteil sein. Plausible Mechanismen dafür sind eine verbesserte endotheliale und mikrovaskuläre Endothel- und Kapillarfunktion, eine Minderung des Blutdrucks und der Arteriensteifigkeit sowie möglicherweise eine Angiogenese beim Menschen, die wahrscheinlich den gesundheitlichen Nutzen des Saunierens vermitteln [16].
Kasuistik
Im März dieses Jahres suchte mich eine 70-jährige Patientin auf und klagte über starke Wetterfühligkeit. Bei Wetterwechsel hätte sie verschiedenste Beschwerden wie Blutdruckschwankungen, Schwindel, Schlafstörungen und vor allem Nackenschmerzen, die ihr in den Hinterkopf ziehen. Sie wollte keine chemischen Arzneimittel einnehmen, da diese ihre Beschwerden eher verschlimmern würden und sie auch eine Abneigung dagegen habe. Zum Zeitpunkt der Konsultation betrug ihr Blutdruck 155/95 mmHg, der Puls 76/min und ihr Nacken war stark verspannt. Ich behandelte ihren Nacken mit Neuraltherapie und empfahl ihr die regelmäßige Durchführung von Wechsel-Armbäern und kalten Kniegüssen sowie bei Bedarf einen ansteigenden Nackenguss. Zudem bestellte ich sie vier Wochen später wieder ein, um eventuell eine Neuraltherapie-Serie zu beginnen. Als sie wiederkam, erzählte sie mir ganz begeistert, dass ihr die Güsse und Bäder sehr guttäten, der Schwindel sowie die Kopf- und Nackenbeschwerden viel besser seien. Der Blutdruck betrug jetzt 140/85 mmHg, der Puls 72/min. Da die Nackenmuskulatur deutlich lockerer war, beschlossen wir, auf die Neuraltherapie zu verzichten und die Hydrotherapie fortzusetzen
Autor
Prof. Dr. med. Peter W. Gündling
Arzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, Akupunktur, Homöopathie, Chirotherapie, Sportmedizin, Ernährungsmediziner, Badearzt, seit 1988 in eigener Praxis niedergelassen. Seit 2006 Professor für Naturheilkunde und komplementäre Medizin an der Hochschule Fresenius in Idstein, wo er als Studiendekan ein neues Masterstudium zur Naturheilkunde und komplementären Medizin für Ärzte entwickelt hat und leitet. Studiendekan für Naturheilkunde und komplementäre Medizin, Carl Remigius Medical School. Lehrbeauftragter der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
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