Guillain-Barré-SyndromNährstoffe gegen Ataxie und Fatigue

Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die peripheren Nerven angreift. Ein Fallbericht zur adjuvanten Orthomolekular- und Ernährungstherapie.

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Symbolbild GBS Syndrom - gesund und krank.
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Beim Guillain-Barré-Syndrom wird in einer neurologischen Autoimmunreaktion das Myelin von Nervenzellen geschädigt. Dadurch entsteht meist unter anderem eine plötzliche Muskelschwäche. Nach der Akutphase kann die Naturheilkunde unterstützende Hilfe leisten, so auch im Fallbeispiel dieses Beitrags. (Symbolbild)

Die Akutphase des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) ist eine Domäne der konventionellen Medizin, geht es doch um die Sicherung des Patientenüberlebens im Rahmen dieser neurologischen Autoimmunreaktion. In der Remissionsphase bietet sie jedoch lediglich Physio- und Ergotherapie, Reha-Maßnahmen und Kontrolluntersuchungen an. Aber genau diese Zeit ist entscheidend für mögliche Rückbildungen und die Langzeitprognose. Jetzt zählen die Selbstheilungskräfte des Betroffenen. Genau dafür bieten intelligent eingesetzte naturheil-kundliche Therapien eine Fülle an bewährten Möglichkeiten, die leider immer noch viel zu wenige Betroffene nutzen.

Bei einer rein konventionell betriebenen Weiterbehandlung des GBS kommt es bei einem Drittel der Patienten nicht zur gewünschten Rückbildung der Symptome, bei den anderen 2 Dritteln dauert es oft Jahre bis zum Erreichen einer Vollremission. Nach meiner Erfahrung kann viel für diese Menschen getan werden, wenn sie parallel zur Physio- beziehungsweise Ergotherapie einer individuellen naturheilkundlichen Begleitbehandlung zugeführt werden. Im Vergleich zu anderen Autoimmunerkrankungen wie Gelenkrheuma oder Hashimoto-Thyreoiditis tritt das GBS mit rund 1500 jährlichen Neuerkrankungen in Deutschland sehr selten auf. Als häufigste Ursache gilt eine Infektion mit dem meldepflichtigen Keim Campylobacter jejuni (60 000-70 000 Fälle pro Jahr). Ob es nachfolgend zu dem Syndrom kommt, liegt einerseits an der Genetik der Betroffenen, andererseits aber auch an unterschiedlichen genetischen Polymorphismen der jeweiligen Erreger [[1]].

Kurz gefasst

  1. Im Anschluss an die Akutbehandlung des Guillain-Barré-Syndroms bietet sich eine gezielte naturheilkundliche, insbesondere orthomolekulare Therapie zur Unterstützung und Sicherung der Remission an.
  2. Im vorliegenden Fall ergab die Untersuchung unter anderem chronische Fatigue sowie leichte Gangataxie und laboranalytisch ein Leaky-Gut-Syndrom, eine Weizenallergie sowie einen Vitamin-D- und Mineralstoffmangel.
  3. Die Behandlung mit Mineralstoffen, Spurenelementen, Vitamin D, Pregnenolon 1 % Salbe, Probiotika, Osteopathie sowie Glutenverzicht führte zu einer deutlichen Besserung und stellte die Arbeitsfähigkeit des Patienten wieder her.

Fallbericht: Ataxie der Extremitäten nach Magen-Darm-Infekt

Im Grunde begann alles recht harmlos. Der Patient, Mitte 50, war an einem heftigen Magen-Darm-Infekt mit Bauchkrämpfen und wässrigen Durchfällen erkrankt. Da er auch Fieber entwickelte und sich erschöpft fühlte, meldete er sich an seiner Arbeitsstelle krank und legte sich mit Schonkost und Buscopan-Tabletten ins Bett. Der Infekt dauerte eine gute Woche, dann besserten sich die Beschwerden deutlich, und er ging wieder arbeiten.

2 Wochen später kam es ganz plötzlich zu einer deutlichen muskulären Schwäche in den Beinen, die sich schnell auch auf die Arme ausbreitete. Sein Glück war, dass seine Hausärztin sofort die Zusammenhänge erkannte und ihn umgehend in ein Krankenhaus einwies, in dem dann die Diagnose GBS gestellt wurde. Dort wurde er mit Immunglobulinen und einer besonderen Form des Plasmaaustausches, der sogenannten Immunabsorptionstherapie, behandelt. Diese bewirkt unter anderem ein schnelles Absinken der Autoantikörper im Blut. Da die Erkrankung sehr früh erkannt wurde und sofort eine adäquate Akutbehandlung begann, kam es bereits nach einer Woche zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden. Nach dem Krankenhausaufenthalt folgte eine stationäre Reha-Maßnahme, die zu weiteren Verbesserungen am Bewegungsapparat führte.

Anschließend war der Patient noch eine Weile krankgeschrieben und wurde regelmäßig mit Ergotherapie behandelt. Allerdings persistierte ein Teil der Beschwerden. Das Hauptproblem war eine verminderte psychophysische Belastbarkeit im Sinne einer Fatigue, die ihn daran hinderte, seiner beruflichen Tätigkeit in Vollzeit nachzugehen. Dazu kam eine weiterhin bestehende leichte Gangataxie, vor allem des rechten Beines, und eine verminderte Belastbarkeit des unteren Rückens, die sich insbesondere in Rückenschmerzen nach längerem Stehen äußerte. Auch Physiotherapie, Massagen, Ergotherapie und eine Serie von Akupunkturbehandlungen konnten dies nicht regulieren. Mit diesen Beschwerden suchte er 6 Monate nach dem Krankenhausaufenthalt meine Praxis auf.

Anamnese: Stress und Anspannung in der Vorgeschichte

In der Krankengeschichte fiel auf, dass der Patient bereits seit vielen Jahren „unter Strom“ stand. Neben seiner beruflichen Tätigkeit hatte er sein Haus, in dem er und seine Familie seit vielen Jahren lebten, grundsanieren lassen, wobei er viele Eigenleistungen einbrachte. Zusätzlicher Stress entstand im Krankheitsjahr, weil seine Mutter pflegebedürftig wurde und er für sie einen Platz in einem Pflegeheim suchen musste. Um das Haus der Eltern - der Vater war schon vor ein paar Jahren verstorben - hatte sich kurz vor dem Ausbrechen des GBS ein Streit mit seinen Geschwistern angebahnt.

Er und seine Familie ernährten sich mit einer typischen fleischbetonten Mischkost und konventionell angebautem Obst und Gemüse aus dem Discounter. Er war bis zum Ausbruch der Erkrankung Raucher gewesen, hatte sich den Tabakkonsum im Krankenhaus und der Reha aber abgewöhnt. Nebenbefundlich zeigte er Blähungen und regelmäßigen, aber meist ungeformten und schmierigen Stuhlgang.

Inspektion: Blähbauch, Zwerchfellhochstand und ISG-Blockade

Bei der osteopathischen Evaluation fielen ein mit Gas gefülltes Abdomen und ein Zwerchfellhochstand auf. Der Zwerchfellhochstand durch den geblähten Bauch kann sich nicht nur auf die Verdauungsorgane auswirken, sondern auch die Körperstatik negativ beeinflussen, zum Beispiel indem der Tonus der Rückenmuskulatur gesteigert wird. Das Diaphragma wird durch den N. phrenicus innerviert. Daher kann es durch die Hochstand-bedingten Verschiebungen zu Irritationen im Segment C3-C5 kommen (Austrittsort N. phrenicus). Da der dorsale Zwerchfellrand im Segment L1-L3 ansetzt, kann sich eine verstärkte Zwerchfellspannung auch in der oberen LWS bis hin zum thorakolumbalen Übergang im Sinne einer Destabilisierung auswirken. Auch der Dünndarm kann, je nach Tonus, Auswirkungen auf den thorakolumbalen Übergang haben und dort zum Beispiel an Rückenschmerzen mitbeteiligt sein. Wenn Ihnen in der Praxis Patienten mit therapieresistenten Rückenschmerzen begegnen, dann fragen Sie, ob bisher nur die Behandlung der Körperrückseite im Fokus lag, und untersuchen Sie das Abdomen nach Verklebungen, druckdolenten Stellen und größeren Mengen von Gas. Sie werden hier wahrscheinlich häufiger fündig und sollten dann das Abdomen mit in Ihre therapeutischen Überlegungen miteinbeziehen (siehe Abschnitt „Osteopathie bei Dysfunktion von Dünndarm und peripheren Nerven“).

Außerdem zeigte sich eine Blockade des rechten Iliosakralge-lenks (ISG) in Posteriorität mit einer entsprechenden Dysbalance in der dorsalen myofaszialen Funktionskette zur HWS. Myofasziale Funktionsketten setzen sich aus synergetisch zusammenarbeitenden Muskeln und Faszien zusammen. Dorsal sind unter anderem der M. latissimus dorsi, M. erector spinae und die Fascia tho-racolumbalis beteiligt. Diese Funktionsketten sind sowohl für die Stabilität der Körperhaltung als auch für die Ausführung von Bewegung essenziell.

Auch zeigte sich die Gangataxie des Patienten. Bei diesem Beschwerdebild muss der Patient die Beine breit aufstellen, um einen sicheren Stand zu haben, und kann nur in kleinen Schritten gehen. Das ist für das GBS durchaus typisch. Bei diesem Patienten war die Gangataxie bei Behandlungsbeginn nur noch leicht ausgeprägt. Ich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es bei jeder Art Gehbehinderungen sinnvoll ist, nach Wirbel- und Gelenkblockaden beziehungsweise faszialen Adhäsionen zu suchen, da diese in nicht wenigen Fällen die Bewegungsfähigkeit zusätzlich einschränken können.

Labordiagnostik: Kortisol, Nährstoffe, Leaky Gut und Antikörper im Fokus

Aufgrund der Fatigue und der Stress- beziehungsweise Infektionsanamnese ließ ich ein Kortisol-Tagesprofil durchführen, um Abweichungen in der zirkadianen Kortisolproduktion zu überprüfen. Sowohl bei Stress als auch bei Infektionen ist die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA) aktiviert. So bestand der Verdacht einer funktionellen Erschöpfung der Nebennierenrindenfunktion, bei der die Betroffenen vor allem über Fatigue klagen. Kurz zur Erinnerung: In der Nebennierenrinde wird Kortisol produziert.

Im Blut wurden 25-OH-Vitamin-D3, Coenzym Q10 und die intrazellulären Spiegel einiger Mengen- und Spurenelementen untersucht (Magnesium, Kalium, Selen, Zink, Kupfer, Mangan), außerdem Methylmalonsäure als Parameter für den Bedarf an Vitamin B12. Mit einem IgG-Bluttest wurde eine IgG-Immunreaktion gegen Lebensmittel abgeklärt. Im Stuhl erfolgte eine Untersuchung von Zonulin (Hinweis auf ein Leaky-Gut-Syndrom). Außerdem wurde eine Glutensensibilität durch die Untersuchung der polyvalenten fäkalen Antikörper gegen Gliadin (ein Glutenbaustein) beziehungsweise Transglutaminase (siehe Kasten) abgeklärt.

Ergebnis: Vitamin-D- und Mineralstoffmangel, Zonulinerhöhung und Weizenallergie

Die Laboruntersuchungen ergaben einen schweren Mangel an Vitamin D. So lag das 25-OH-Vitamin-D3 (vorwiegend zirkulierende und gespeicherte Form von Vitamin D) im Serum bei 23 nmol/l (Referenzbereich: > 50 nmol/l). Außerdem zeigten sich intrazellulär Defizite an Magnesium, Selen und Zink. Allein schon der sehr niedrige Vitamin-D-Spiegel wäre eine gute Erklärung für die Fatigue gewesen. Dazu kam noch eine Kortisol-Tageskurve, die zwar im Normbereich begann, dann aber schnell in den Mangelbereich abflachte und sich auch über den Tag nicht mehr erholte.

Der IgG-Bluttest, der die 7 häufigsten IgG-Nahrungsmittel-allergene umfasste, zeigte ausschließlich eine sehr deutliche IgG-Reaktion. Diese richtete sich gegen Weizen. Das deckte sich mit dem Ergebnis der Stuhluntersuchung, bei der ebenfalls Antikörper gegen Gliadin und Transglutaminase entdeckt wurden. Zudem zeigte sich eine Erhöhung des Zonulins, was auf ein Leaky-Gut-Syndrom hinwies. Die Methylmalonsäure lag im Normbereich, das Coenzym Q10 war mit 0,2 mg/l im Vollblut defizitär.

Behandlung: Vitamin D, Magnesium, Selen, Zink, Q10, Probiotika und Pregnenolon 1% Salbe

Der Patient erhielt 10 000 IE (250 µg) Vitamin D pro Tag. Dies geschah unter regelmäßiger Kontrolle einiger wichtiger Parameter (Calcidiol, Parathormon, Kalzium, Phosphat, Kreatinin, Harnsäure, Harnstoff, Albumin/Gesamteiweiß, zusätzlich Kalzium und Phosphat im 24h-Urin) alle 8 Wochen. Dadurch können mögliche Abbruchkriterien für die Therapie rechtzeitig erkannt und eine optimale Patientensicherheit erreicht werden. Zu den Abbruchkriterien gehören unter anderem ein Hyperparathyreoidismus, Nephro-pathien und ein Genpolymorphismus der 24-Hydroxylase (Cyto-chrom P450 24A1). Zusätzlich sollte bei einer solchen Hochdosistherapie jährlich ein umfangreicher Labor-Check-up, eine Knochendichtemessung und eine Nieren-Sonographie (Ausschluss von Nierensteinen oder anderen Abflussstörungen) stattfinden. Der Calcidiol-Serumspiegel stieg durch die Therapie auf 220 nmol/l -nach meiner Erfahrung sinnvoll und notwendig, wenn es um die Behandlung der meisten Autoimmunopathien geht.

Merke: Der Einsatz einer Hochdosistherapie mit Vitamin D erfordert detaillierte Fachkenntnis über zusammenhängende Prozesse und relevante labordiagnostische Aspekte sowie eine regelmäßige Kontrolle. Eine solche Therapie sollte nur nach einer entsprechenden Ausbildung durchgeführt werden, da es dabei potenziell zu Überdosierungen kommen könnte.

Wie hängen Gluten, Transglutaminasen und neurologische Störungen zusammen?

Bei einer Glutenunverträglichkeit, die auch im beschriebenen Fall festgestellt wurde, kann es zu einer Kreuzreaktion mit der Transglutaminase TG6 kommen. Insgesamt sind 8 Transglutaminasen beim Menschen bekannt, die zur Gruppe der Transferasen gehören und als TG1 bis TG8 bezeichnet werden. Die TG6 ist im ZNS nachweisbar. Bei Kreuzreaktionen kann es zu verschiedenen neurologischen Störungen kommen, zu denen auch eine – wie im Fall vorliegend – Ataxie gehört [[2]].

Zusätzlich wurde Magnesium substituiert (400 mg in Form von Magnesiumcitrat) – nicht nur wegen des nachgewiesenen Mangels, sondern auch, weil alle Hydroxylasen, die an der Verstoff-wechselung von Vitamin D beteiligt sind, magnesiumabhängig sind. Die tägliche Gabe von Selenmethionin (200µg elementares Selen), Zinkbisglycinat (25 mg elementares Zink) und Coenzym Q10 in Form von 2 × tgl. 200 mg Ubichinon rundeten das individuelle orthomolekulare Protokoll ab.

Da sowohl bei der Blut- als auch der Stuhluntersuchung Hinweise auf eine Immunreaktion gegen Gluten gefunden wurden, motivierte ich den Patienten zu einer glutenfreien Ernährung, die er zunächst nur mit mäßiger Begeisterung durchführte.

Ergänzend verordnete ich zum Abheilen des Leaky-Gut-Syn-droms das Präparat Colibiogen oral (Stoffwechselprodukte von E. coli), 3 × tgl. 1 TL unverdünnt ca. 30 min vor den Hauptmahlzeiten. Zur Stimulation der Nebennierenrinde verordnete ich das anthro-posophische Mittel Glandula suprarenales comp. Globuli (3 × tgl. 10 Glob.). Pregnenolon 1 % Salbe diente der Substitution der wichtigsten Vorstufe zur Bildung von Steroid- beziehungsweise Geschlechtshormonen. Der Patient begann mit 2 Hub am Morgen und steigerte dann im Lauf der Behandlung schnell auf 3 × tgl. 2–3 Hub, die jeweils in die Armbeuge eingerieben wurden.

Osteopathie bei Dysfunktion von Dünndarm und peripheren Nerven

Nachdem sich der Blähbauch unter der glutenfreien Ernährung deutlich gebessert hatte, behandelte ich den Patienten osteopathisch. Bei manchen Patienten bilden sich Darmgase aufgrund biomechanischer Ursachen. Ein Beispiel: Die venöse Drainage von Jejunum und Ileum verläuft über die V. mesenterica superior und von dort in die Pfortader. Bei einem leberbedingten Rückstau kann es zu einer Funktionsbeeinträchtigung des Dünndarms beziehungsweise der Mucosa kommen. Diese kann Grundlage von Verdauungsstörungen und einem Leaky-Gut-Syndrom sein. Dann ist die osteopathische Behandlung der Verdauungsorgane zielführend. Wenn einem Blähbauch aber andere Ursachen zugrunde liegen (zum Beispiel Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Dysbiose), ist es schwierig bis unmöglich, in diesem Bereich durch manuelle Behandlungen dauerhafte Veränderungen zu bewirken, solange die zugrunde liegende Störung weiterbesteht – so jedenfalls meiner langjährigen Erfahrung nach.

Durch die Reduzierung des intraabdominellen Gasdrucks kommt es in den meisten Fällen dazu, dass sich auch das Diaphragma absenkt. Ansonsten können viszeralosteopathische Techniken zur Entspannung der Zwerchfellmuskulatur eingesetzt werden, die sich gut mit Atemübungen (Bauchatmung) kombinieren lassen. Lässt die Spannung im Bauchbereich nach, dann ändern sich auch die Spannungsverhältnisse im Rücken, vor allem im Bereich des thorakolumbalen Übergangs. Einerseits, weil die Zugverhältnisse im Dünndarm dort ansetzen, andererseits, weil sich die Zugspannung des Zwerchfells auf die Segmente L1-L3 auswirkt.

So behandelte ich den Patienten strukturell am ISG und an der dorsalen myofaszialen Kette. Viszeralosteopathisch wurden unter anderem Restriktionen im Dünndarmbereich, der Radix mesenterii und der Valvula ileocoecalis behandelt. Zu beachten ist, dass diese Strukturen selbst nichts mit dem GBS beziehungsweise der Autoimmunität zu tun haben. Der Patient litt an den Folgen eines GBS, die dazu führten, dass sein Bewegungssystem sich auf die durch das GBS verursachten Einschränkungen anpassen musste. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein anderer GBS-Patient mit einem anderen Verlauf, einer anderen Genetik (und dadurch einer anderen Biochemie) und einer anderen Biomechanik auch andere biomechanische Kompensationen als im hier beschriebenen Fall aufweist.

Faszienmotilität verbessern und kraniosakrale Ansätze

Beim GBS ist in der Regel insbesondere das periphere Nervensystem (PNS) betroffen. Die Nerven des PNS bestehen zu 50–90 % aus Fasziengewebe, weswegen im osteo-pathischen Kontext zunehmend der Begriff „Neurofaszie“ verwendet wird. Mechanische Restriktionen in diesem Bereich können sowohl in Form sensibler als auch motorischer Störungen auftreten. Deswegen lohnt es sich nach meiner Erfahrung bei allen Erkrankungen des PNS wie Polyneuropathien jeder Art oder Folgen von GBS, auf fasziale Adhäsionen oder sonstige Einschränkungen zu achten und deren osteopathische Behandlung gegebenenfalls in das Therapiekonzept mitaufzunehmen.

Dabei habe ich in diesem Fall neben strukturellen/viszeralos-teopathischen Methoden Techniken zur Verbesserung der Faszi-enmotilität (zum Beispiel Fascial Gliding) in Kombination mit biodynamischer Kranioarbeit (zum Beispiel Arbeit mit Mid-Tide, ein Rhythmuskonzept im Körper aus der biodynamischen Kranioar-beit) eingesetzt.

Vor allem der kraniosakrale Schwerpunkt der Osteopathie kann eine positive Wirkung auf das zentrale Nervensystem haben, da hierbei die Flüssigkeitszirkulation und Drainage im Gehirn verbessert werden und die Regeneration deutlich unterstützt wird. Schrittweise und sanft wird der Körper so wieder in Balance gebracht.

Krankheitsverlauf: Deutliche Besserung von Fatigue und Ataxie

Unter der Behandlung mit hochdosiertem Vitamin D kam es bereits in den ersten Wochen zu einer spürbaren Besserung der Fatigue, was darauf hinweist, dass diese zumindest teilweise durch den Vitaminmangel bedingt war. Als im Verlauf der weiteren Behandlung die Stärkung der Nebennierenrindenfunktion zu wirken begann, besserte sie sich nochmals deutlich.

Die Kombination aus biomechanischer beziehungsweise biodynamischer Osteopathie und glutenfreier Ernährung führte zu einer langsamen, aber stetigen Besserung der Ataxie. Solche Beobachtungen mache ich immer wieder, vor allem bei MS-Patienten, wenn bei diesen gleichzeitig eine Glutensensitivität vorliegt. Die insbesondere die durch die Fatigue beeinträchtigte Arbeitsfähigkeit des Patienten konnte innerhalb weniger Monate wiederhergestellt werden. Geblieben ist eine leichte und nur phasenweise, vor allem bei Stress, auftretende Ataxie. Ich empfahl dem Patienten, hier mit angepasstem Training in einem Fitnessstudio und Yoga weiter „dranzubleiben“. Ich habe großes Vertrauen in die Neuroplastizität des Nervensystems und rechne insofern hier auf längere Sicht mit weiteren Verbesserungen.

Dirk-Rüdiger Noschinski

gründete im Jahr 1994 seine Naturheilpraxis in Bad Soden am Taunus und hat sich schon früh auf Patienten mit Autoimmunerkrankungen fokussiert. Über diesen Themenkomplex publiziert er seit vielen Jahren. 2021 erschien sein über 600 Seiten umfassendes Fachbuch „Autoimmunerkrankungen: Verstehen – Erkennen – Behandeln“ im Haug-Verlag. 

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  1. Koga M., Takahasi M., Masuda K. et al. Campylobacter gene polymorphism as a determinant of clinical features of Guillain-Barré syndrome. Neurology Nov 2005; 65 (09) 1376-1381 DOI: 10.1212/01.wnl.0000176914.70893.14
  2. Hadjivassilou M., Arschlimann P., Sanders DS. et al. Transglutaminase 6 antibodies in the diagnosis of gluten ataxia. Neurology 2013; 80 (19) 1740-1745