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Genug Schlaf gewährleistet stabile Lernfähigkeiten und die gesunde mentale und körperliche Entwicklung eines Kindes.
Bis zu 40% der Kinder im Vorschul- und Schulalter sind von Einoder Durchschlafproblemen betroffen [[1]]. Grundsätzlich sind sie aufgrund ihrer Schlafarchitektur für die Entwicklung von Schlafstörungen anfälliger als Erwachsene [[2]]. Dabei scheinen Jungen ein höheres Risiko für alle Formen von Schlafstörungen zu haben als Mädchen [[1], [3]]. Diese Zahlen sind alarmierend, denn ausreichender und erholsamer Schlaf ist für die Entwicklung von Kindern unerlässlich.
Der Körper organisiert sich im Schlaf
Während des Schlafes sorgt der Körper für eine gesunde Gehirnfunktion. Es werden Hormone freigesetzt, die Wachstum und Reife bei Kindern und Jugendlichen fördern. Es wird Stress abgebaut und das Immunsystem gestärkt. Gelernte Informationen gelangen ins Langzeitgedächtnis. Genug Schlaf ist also entscheidend für stabile Lernfähigkeiten und eine gesunde mentale und körperliche Entwicklung. Von Schlafmangel betroffene Kinder entwickeln entsprechend häufig Tagesmüdigkeit, Motivations- und Konzentrationsschwierigkeiten, Kopfschmerzen, Lernschwächen und Verhaltensauffälligkeiten wie Stimmungsschwankungen und Probleme mit der Emotionsregulation. Langfristig kann chronischer Schlafmangel auch zu gesundheitlichen Problemen wie Übergewicht oder einem geschwächten Immunsystem führen [[3], [4]].
Stress und Medienkonsum als Treiber
Die Erfahrung in der Praxis bestätigt die Angaben in Studien und Fachliteratur, dass Schlafstörungen bei Kindern häufig multifaktoriell bedingt sind [[3]]. Stress in Familie oder Schule oder übermäßiger Medienkonsum kann zu unruhigem Schlaf beitragen. Das Präventionsradar der DAK zeigt eine sinkende Schlafdauer im Zusammenhang mit steigenden Bildschirm- und Displayzeiten bei Kindern und Jugendlichen [[5]]. Psychologische Faktoren wie Ängste, aber auch traumatische Erfahrungen haben zusätzlich erheblichen Einfluss auf das Schlafverhalten [[6]]. Wichtig: Körperliche Ursachen, wie Schlafapnoe sollten vor einer Therapie zur Behandlung der Schlafstörung ausgeschlossen werden [[1]].
Von Ein- und Durchschlafstörungen bis zu Alpträumen und Bettnässen
Laut ICD-10 handelt es sich um eine Ein- und Durchschlafstörung, wenn der Schlaf über einen Monat mindestens dreimal pro Woche gestört ist. Nach dieser Zeit sollte ein Behandlungsbedarf ärztlich abgeklärt werden. Schlafstörungen bei Kindern sind unterschiedlich ausgeprägt und oft mit kindlichen Ängsten assoziiert [[2]]. Zu den häufigsten kindlichen, nichtorganischen Schlafstörungen in meiner Praxis zählt einerseits die Dyssomnie (Störung von Dauer, Qualität oder Zeitpunkt des Schlafens). Darunter fallen insbesondere Einschlafstörungen - das Kind hat Schwierigkeiten, abends einzuschlafen oder kann nicht ohne die Bezugsperson einschlafen -, Durchschlafstörungen und nächtliches Aufwachen mit Problemen beim Wiedereinschlafen. Zum anderen treten Parasomnien auf - Störungen während des Schlafes, insbesondere:
Alter und empfohlene Schlafdauer
Für die folgenden Altersgruppen Kinder und Jugendlicher wird als gesunde Schafdauer empfohlen (Empfehlungen laut American Academy of Sleep Medicine, AASM) [[7]]:
- 3-5 Jahre: 10-13 Stunden
- 6-12 Jahre: 9-12 Stunden
- 13-17Jahre: 8-10 Stunden
- Albträume
- Nachtschreck (Pavor nocturnus) - nächtliches Aufschrecken mit ausgeprägter Angstreaktion
- Enuresis Nocturna (Bettnässen)
- Schlafwandeln (Umhergehen im Schlaf, oft verbunden mit komplexen Handlungen)
Merke: Schlafstörungen können auch alters- und entwicklungsabhängig und damit vorübergehend auftreten. Wenn sie jedoch länger anhalten, sollten andere Störungen und mögliche zugrundeliegende körperliche Erkrankungen abgeklärt werden, um eine Chronifizierung zu vermeiden [[3]].
Zu beachten ist, dass Schlafstörungen teilweise auch als altersund entwicklungsabhängiges Phänomen auftreten. Sie zeigen sich dann vorübergehend und lösen sich mit der Zeit wieder [[1]]. Nach gründlicher Diagnostik kann eine individuell auf das Kind abgestimmte Behandlung erfolgen.
Behandlungsansätze: Struktur, Psychohygiene, Entspannung
Sind körperliche Ursachen ausgeschlossen, werden Schlafstörungen klassischerweise mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen behandelt [[4]]. Dazu gehören:
- Psychoedukation
- ausreichend Bewegung am Tag
- Korrektur von ungünstigem Ess- und Trinkverhalten
- Etablierung einer festen Schlafroutine
- Schaffung einer schlaffördernden Umgebung
- Reduzierung der Bildschirmzeit vor dem Schlafengehen
- Entspannungsübungen
Verhaltenstherapeutische Tools bieten den Eltern einen wichtigen Leitfaden für den Umgang mit den Schlafstörungen ihrer Kinder. Manchmal sind ungesunde Schlafgewohnheiten angewöhnt, und die Eltern müssen zur Veränderung miteinbezogen werden. Entsprechende Maßnahmen sind von der beratenden oder behandelnden Person gemeinsam mit ihnen zu besprechen. Medikamentöse Therapien werden bei Kindern und Jugendlichen hingegen nur selten und nur in sehr schweren Fällen eingesetzt [[1]].
Emotionale Ursachen mit Hypnose ansteuern und gestalten
Die verhaltenstherapeutischen Maßnahmen können zwar in vielen Fällen die Schlafproblematik lindern, doch meist liegt die Ursache für die Schlafstörung tiefer. Unterbewusster Stress und Emotionen können trotz fest etablierter Einschlafroutine den Schlaf erheblich stören. Kindliche Ängste beeinflussen das Ein-und Durchschlafen und führen möglicherweise zu Albträumen. Genau deshalb etabliert sich die Hypnosetherapie als vielversprechende Alternative oder Ergänzung zu traditionellen Behandlungsmethoden immer mehr. Hypnose setzt dort an, wo wir mit dem Bewusstsein keine Veränderung mehr erreichen können.
Hypnose setzt dort an, wo wir mit dem Bewusstsein keine Veränderung mehr erreichen können.
Wie funktioniert Hypnose bei Kindern?
Hypnose wird aufgrund der medialen Darstellungen von vielen Menschen mit Willen- oder Bewusstlosigkeit assoziiert. Tatsächlich ist man während einer Hypnose wach und behält seinen freien Willen. Sie ist vielmehr ein Werkzeug, welches das Gehirn in einen sehr aufnahme- und umbaufähigen Zustand (Trance) versetzt. In Trance unterscheidet es nicht mehr, ob wir uns etwas vorstellen oder etwas real passiert. Einigen dürfte dies vom Fernsehen bekannt sein: Wir weinen oder lachen, obwohl wir wissen, dass es sich um einen Film handelt. Auch hier sind wir in einem hypnotischen Zustand. In Trance haben wir damit direkten Zugriff auf unsere Emotionen und unterbewussten Programme.
Bei Kindern entspricht Hypnose im Prinzip der natürlichen Fähigkeit, zu fantasieren. Wir nutzen ihre Vorstellungskraft und den damit eintretenden Trancezustand, um positive Veränderungen im Schlafverhalten zu bewirken. In der therapeutisch arbeitenden Praxis leitet man hierzu zunächst einen entspannten und fokussierten Zustand ein, wodurch das Unterbewusstsein dann für die Veränderungsarbeit in Richtung eines tiefen und erholsamen Schlafes empfänglich wird. Das Kind wählt die hierfür nötigen Metaphern für effizientes Arbeiten größtenteils selbst: Je besser man sich in der hypnotischen Arbeit auf die Vorlieben des Kindes einstellt, desto größer ist seine Bereitschaft, mitzuarbeiten. Die Arbeit wird mit positiven Suggestionen (Anweisungen, Vorschläge an das Unterbewusstsein) verstärkt.
Typischer Ablauf einer Hypnosesitzung für Kinder mit Schlafstörungen
Eine typische Hypnosesitzung lässt sich in 6 Schritte gliedern.
Anamnese
Je nach Alter des Kindes erfolgt die Anamnese zunächst mit einem Elternteil. Hier wird das Kind immer wieder auf Augenhöhe mit-einbezogen und zu Hobbys, Vorlieben, aber auch zum Problem befragt. Je jünger das Kind, desto kürzer sollte das Anamnesegespräch mit dem Elternteil ausfallen. Jüngere Kinder haben kürzere Aufmerksamkeitsspannen, und zu groß werdende Langeweile senkt die Bereitschaft zur Mitarbeit.
Bei Kindern entspricht Hypnose der natürlichen Fähigkeit, zu fantasieren.
Vertrauensaufbau
Eine vertrauensvolle Beziehung zum Kind aufzubauen, ist unerlässlich für die hypnotische Arbeit. Diese wird vertieft, sobald das Elternteil den Behandlungsraum verlässt. Hier erkläre ich dem Kind auch noch einmal ganz genau, was wir machen. Nur bei jüngeren Kindern mache ich das noch in Anwesenheit der Eltern, damit es noch mehr Zeit hat, mich geschützt kennenzulernen. Achtung: Ich empfehle, die Hypnose ohne Eltern durchzuführen. Kinder haben das Bedürfnis, ihren Eltern zu gefallen. Manchmal weichen die Wünsche und Bedürfnisse des Kindes jedoch von denen der Eltern ab. Dies sollte vorher mit den Eltern kommuniziert werden.
Einleitung der Trance
Durch Fokussieren der Aufmerksamkeit und der Vorstellung bestimmter Bilder wird das Kind in einen Zustand tiefer Entspannung geführt.
Therapeutische Interventionen
Spezifische Stressoren werden mit der passenden Metapher (Innere Welt, Kontrollraum, ängstliche Anteile) ausfindig gemacht und gelöst oder verändert. Zusätzlich sollen passende, positive Suggestionen das Schlafverhalten verbessern. Beispielsweise könnte dem Kind suggeriert werden, dass es sich abends sicher und geborgen fühlt und leicht einschlafen kann.
Ankern
Es werden Anker gesetzt (optional), die das Kind auch im Alltag nutzen kann, um erlernte Entspannungstechniken abzurufen. Dafür eignen sich zum Beispiel Farben, Düfte, Gesten oder Worte. Auch kann in Hypnose ein Schlafritual mit Entspannung des Körpers und des Geistes eingeübt werden.
Ausleitung der Trance und Nachgespräch
Das Kind wird sanft aus der Trance zurückgeführt. Es folgt ein kurzes Nachgespräch mit dem Kind und anschließend mit dem begleitenden Elternteil. Hier werden Hausaufgaben für das Kind besprochen. Zum Beispiel soll es eine Audiodatei hören oder sich bestimmte Sätze vor dem Schlafengehen sagen, um die Inhalte der Sitzung auch zu Hause noch einmal abzurufen und zu festigen. Die Eltern bekommen gegebenenfalls Instruktionen für die Schaffung eines festen Schlafrituals oder den Umgang mit eventuellen Rückschlägen.
Was in der Anamnese nicht fehlen darf
Folgende Punkte sollten im Rahmen einer Anamnese bei kindlichen Schlafstörungen abgeklärt werden:
- Hat eine körperliche Abklärung stattgefunden (Behandlungsvoraussetzung!)?
- psychosoziale Stressoren (Familie, Kindergarten, Schule, Freunde)
- belastende Lebensereignisse (zum Beispiel Trennung der Eltern, Todesfälle, Krankheit, Verlust von Haustieren, Geburt von Geschwistern, Umzug)
- Medienkonsum
- körperliche Auslastung am Tag
- abendliche Tätigkeiten und Abläufe
- Umgang/Reaktion der Eltern bezüglich des Themas
- abendliche Ess- und Trinkgewohnheiten
- Motivation/Anliegen/Ziel des Kindes
Welche Vorteile hat die Hypnosetherapie für Kinder?
Die Hypnosetherapie bietet mehrere Vorteile für die Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern [8]:
- Kinder sind sehr empfänglich für Suggestionen.
- Es handelt sich um eine sanfte, nichtinvasive Methode: Im Gegensatz zu medikamentösen Therapien hat die Hypnose keine physischen Nebenwirkungen.
- Durch den Charakter einer interaktiven Geschichte empfinden Kinder die Hypnose als angenehm und haben Spaß dabei.
- Durch Nutzung eigener Vorlieben und Fantasie besteht eine hohe Bereitschaft, mitzuarbeiten, was die Behandlung zu einer positiven Erfahrung macht.
- Stärkung des Selbstvertrauens: Kinder lernen, selbstwirksam zu sein und ihre eigenen Ressourcen zu nutzen.
- Langfristige Wirkung: Die erlernten Techniken können von Kindern oft selbstständig angewendet werden, was zu einer nachhaltigen Verbesserung führt.
- Individualität: Die Therapie wird an die individuellen Bedürfnisse und Vorstellungen des Kindes angepasst.
- Ganzheitlicher Ansatz: Hypnose adressiert nicht nur die Symptome, sondern auch mögliche zugrundeliegende emotionale Faktoren.
Fazit: Mehr Schlafdauer und -qualität
Schlafstörungen bei Kindern stellen eine Herausforderung dar und bedürfen einer ganzheitlichen und kindgerechten Herangehensweise. Die Hypnosetherapie bietet eine sanfte, nebenwirkungsarme Option, die das Kind aktiv in den Heilungsprozess einbezieht und langfristige Strategien zur Selbsthilfe vermittelt.
Kinder, die Hypnose als Therapie oder Teil ihrer Therapie erhalten, zeigen Verbesserungen in Bezug auf Schlafqualität, Schlafdauer und allgemeines Wohlbefinden. Somit eignet sie sich sowohl als Ergänzung zu traditionellen Behandlungsmethoden als auch als eigenständige Therapieform zur Behandlung von Schlafstörungen.
Trotzdem gibt es auch Einschränkungen und Kontraindikationen, die bei der Anwendung von Hypnose beachtet werden müssen: Sie sollte nicht bei psychotischen Symptomen oder gegen den Willen des Kindes angewendet werden. Kinder mit bestimmten psychischen Erkrankungen oder mentalen Zuständen können von Hypnose möglicherweise nicht profitieren oder sogar negative Effekte erleben.
Hypnosetherapie sollte immer individuell auf das jeweilige Kind zugeschnitten werden. Es ist daher unerlässlich, dass sie nur von qualifizierten und erfahrenen Behandler/innen durchgeführt wird, die über fundierte Kenntnisse im Umgang mit Kindern und Hypnose verfügen [[8]].
Autorin
Dr. Manuela Vanheiden
ist Neurobiologin, Traumapädagogin (DeGPT) und als Heilpraktikerin (Psychotherapie) spezialisiert auf Hypnosetherapie. Sie ist in eigener Hypnosepraxis in Essen tätig, Dozentin und Ausbilderin für Hypnose und Traumafachberatung, Gastdozentin an der EUFH und hält Vorträge auf internationalen Kongressen zu den Themen Psyche und Hypnose.
Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
- Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland. Schlafstörungen. Im Internet. www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugendpsychiatrie-psychosomatik-und-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/schlafstoerungen Abgerufen am 10.08.2024
- Schlarb A, Gulewitsch MD. Wenn der Sandmann kommt - wirkt Hypno-therapie bei Kindern mit Schlafstörungen? Hypnose-ZHH. 2010 5. (1+2) 189-198
- Fegert J, Eggers C, Resch F.. Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes-und Jugendalters. Heidelberg: Springer 2012
- Scheuermann P, Wiater A. Schlafstörungen bei Kindern. Vielfältige Ursachen und typische Symptome. Ars Medici 2011 10. 409-415
- Scharf R. Fast jeder dritte Schüler hat Schlafstörungen. Im Internet: htt-ps://www.dak.de/dak/bundesthemen/fast-jeder-dritte-schueler-hat-schlafstoerungen-2090982.html. Abgerufen am 10.08.2024
- Beckrath-Wilking U, Biberacher M, Dittmar V, Wolf-Schmid R. Traumafachberatung, Traumatherapie & Traumapädagogik. Ein Handbuch für Psychotraumatologie im beratenden, therapeutischen & pädagogischen Kontext. Paderborn: Junfermann; 2013
- Paruthi S, Brooks LJ, D’Ambrosio C. et al. Recommended amount of sleep for pediatric populations: a consensus statement of the American Academy of Sleep Medicine. Journal of Clinical Sleep Medicine. 2016; 12(6):785
- Signer-Fischer S, Gysin T, Stein U. Der kleine Lederbeutel mit allem drin. Hypnose mit Kindern und Jugendlichen. Heidelberg: Carl-Auer 2014