HeilpflanzenporträtEriodictyon californicum (Hook. & Arn.) Torr. / Yerba santa

Die Blattdroge von Eriodictyon californicum ist in Nordamerika ein traditionelles Heilmittel. Sie wird u.a. bei Erkältungen, Magen-Darm-Beschwerden und Rheuma angewendet.

Inhalt
Yerba santa (Eriodictyon californicum) mit Blüten im Uvas Canyon County Park in Santa Clara County, California.
Sundry Photography/stock.adobe.com

Eriodictyon californicum ist ein traditionelles Heilmittel der nordamerikanischen Ureinwohner.

Herkunft der Pflanzenbezeichnung

Die botanische Gattungsbezeichnung von Eriodictyon californicum (Hook. & Arn.) Torr., früher auch als E. glutinosum Benth. und Wigandia californica Hook. bekannt und heute ab und zu auch als Eriodictyon californicum (Hook. & Arn.) Decne. bezeichnet [7] [26] [33], leitet sich von den griechischen Wörtern έρίον (erion) für Wolle und δίκτυον (diktyon) für Fangnetz ab, wobei auf die verfilzten Haare auf der Blattunterseite dieser Pflanze Bezug genommen wird. Die Artbezeichnung californicum bezieht sich auf die geografische Herkunft (Kalifornien); die alte Artbezeichnung glutinosum ist von dem lateinischen Wort glutinosus für klebrig abgeleitet und nimmt Bezug auf die klebrigen Ausscheidungen auf der Blattoberseite. Die spanische Bezeichnung „Yerba santa“ heißt übersetzt heiliges Kraut und belegt damit die Bedeutung der Pflanze als Arzneimittel, u. a. bei spanischen Siedlern [2] [15] [20] [32]. Die Eriodictyon-Arten mit (fast) gleichem Verbreitungsgebiet werden als „Yerba santa“ bezeichnet ([Tab. 1]), sodass Eriodictyon californicum deswegen auch als Kalifornisches Yerba Santa („California yerba santa“) bezeichnet wird [2] [27] [29] [32]. Andere traditionelle Bezeichnungen für E. californicum sind in Amerika „mountain balm“, „bearʼs weed“, „holy herb“ und „gum bush“ [15]. In Deutschland wird E. californicum üblicherweise als „Yerba santa“ bezeichnet, früher auch als „Kalifornischer Wollstrauch“ [7] [14] [33].

Verbreitung, Systematik und Botanik

E. californicum wächst in den US-Bundesstaaten Kalifornien und in Oregon in Lagen bis zu 1600 m, u. a. auf steinigen Böden, Wiesenflächen und an Flussufern [23] [26] [32] [33]. Eriodictyon-Arten gelten als eher kurzlebig und insbesondere als Pionierpflanzen in ökologischen Räumen, die oftmals gestört werden, wie z. B. brandanfällige Vegetationsbereiche. Die Ausbreitung der Eriodictyon-Arten als sog. „fire-following species“ erfolgt u. a. durch Neuaustrieb aus Rhizomen. Bei einigen Eriodictyon-Taxa wurde beobachtet, dass die Keimrate der Samen durch Feuerreize wie Hitze erheblich gesteigert wurde [11]. Die Kultivierung von Eriodictyon-Arten erfolgt durch Samen, wobei ein steiniger, gut durchlässiger Boden und viel Sonnenlicht notwendig sind. Die Aufzucht gilt jedoch als aufwändig [23].

Gemäß einer gängigen botanischen Datenbank gibt es 9 Eriodictyon-Arten ([Tab. 1]), wobei diese Gattung zur Ordnung der Boraginales gehört und dort wie auch in aktuellen Publikationen der Familie der Boraginaceae zugerechnet wird [25] [26]. Historisch wurde diese Pflanzengattung der Familie der Hydrophyllaceae zugeordnet [7] [18] [33]; kürzlich erschienene Arbeiten ordnen diese Gattung in die (neue) Familie der Namaceae ein [11].

Bei E. californicum handelt sich um einen bis zu 2 m hohen Strauch mit einem klebrigen Stamm und kahlen oder spärlich behaarten, klebrigen Zweigen infolge von Harzausscheidungen. Die Blätter sind dunkelgrün, lanzettförmig mit einer Größe von 50–150 mm×5–50 mm, am Rande unregelmäßig gesägt oder fast glatt, wechselständig und von einer ledrigen Beschaffenheit. Die Blattoberseite ist kahl, während die Unterseite einen feinen, filzigen Überzug von Wollhaaren hat. Die Blattspreite ist zugespitzt.

Die Blüten stehen in achsel- und endständigen Wickeln. Der Kelch ist tief fünfteilig und leicht behaart. Die blauviolette, purpurrote oder weißliche Blütenkrone, die von April bis Juni/Juli erscheint, ist trichterförmig, 8–15 mm lang und 4–10 mm breit, besitzt 5 runde mehr oder weniger ausgebreitete Lappen und ist außen teilweise behaart. Die 5 Staubblätter sind mit ihren Fäden mit der Blumenkronenröhre angeheftet. Der aus 2 Fruchtblättern bestehende Fruchtknoten ist oberständig, tief viergeteilt und trägt einen bis zum Grund gespaltenen Griffel mit keulig-kopfförmigen Narben. Die Fruchtform ist eine Kapsel, die braun, kugelig und zweifächerig ist. Darin sind 2–20 kleine schwarze Samen enthalten [14] [32] [33].

Im Ergänzungsbuch zum Deutschen Arzneibuch, 6. Ausgabe, aus dem Jahr 1941 sind die getrockneten Laubblätter von E. glutinosum unter der Bezeichnung „Folia Eriodictyonis“, „Eriodictyonblätter“ und „Santakraut“ als Monografie enthalten. Gemäß dieser Monografie zeichnet sich die Blattdroge bei mikroskopischer Betrachtung durch lange, einzellige, stark verdickte und schlangenförmig gewundene Haare der Blattunterseite aus. Auf der Blattoberseite sind zahlreiche eingesenkte Drüsenköpfchen mit Ähnlichkeit zu Lamiaceendrüsenschuppen mit einem 1- bis 4-zelligen Stiel und einem mehrzelligen Köpfchen als Merkmale sichtbar. Zudem sind Kalziumoxalatdrusen im Palisadengewebe der Blattoberseite zu finden [7].

Phytochemie

Erste Untersuchungen an den oberirdischen Teilen von E. californicum wurden ab den 1880er-Jahren durchgeführt [34]. Im Jahr 1907 wurde von F.B. Power und F. Tutin Eriodictyol und von Mossler Homoeriodictyol erstmals aus E. californicum isoliert und erst später von anderen Arbeitsgruppen die genaue Struktur beider Flavanone ermittelt [10]. In der analytischen Arbeit von Wang et al., 2023, konnten die bisher isolierten und beschriebenen Inhaltsstoffe für die Blätter von E. californicum bestätigt werden [35]. So enthält E. californicum Zimtsäure-Derivate (u. a. Rosmarinsäure), zahlreiche Flavonoide mit einer Flavanon-Struktur (u. a. Homoeriodictyol, Eriodictyol, Sterubin und Naringenin) (Abb. 1) und zahlreiche Flavonoide mit einer Flavon-Struktur (u. a. Chrysoeriol, Hispidulin und Jaceosidin), die Flavonolglykoside Quercetin- und Kämpferol-3-O-glykosid und zudem bisprenylierte Benzoesäure-Derivate, die zum Teil erstmals als Naturstoffe isoliert worden sind (u. a. Eriolsäuren A–D und Erionsäuren A–F). Das Hauptflavonoid ist das Homoeriodictyol, gefolgt von Eriodictyol, Hesperetin und Naringenin. Bei den Phenolsäuren ist der Hauptstoff die Eriolsäure C (Abb. 2), gefolgt von Rosmarinsäure und Salvianolsäure H.

Zwei Chemotypen wurden für E. californicum identifiziert: der Chemotyp I mit einem Sterubin-Gehalt, der höher als der Gehalt an Eriolsäure C ist, bei gleichzeitigem Fehlen der Flavonoide 6-Methoxynaringenin und Jaceosidin, sowie ein Chemotyp II, bei dem die Flavanone Sterubin und Sakuranetin fehlen [35]. Die Gehalte an Eriolsäure- und Erionsäure-Derivaten sowie an Flavonoiden sind abhängig von der Jahreszeit [27]. Der Gehalt an Inhaltsstoffen ist direkt nach der Blüte am höchsten [23]. Bereits 1940 wurde berichtet, dass die Gehalte an Eriodictyol und Homoeriodictyol je nach Sammelort in Kalifornien schwanken [10].

Traditionelle und volksmedizinische Verwendung in Amerika

In Aufzeichnungen des amerikanischen Ethnobotanikers Edward Palmer (1829–1911) findet sich zu Yerba santa der Hinweis, dass die Ureinwohner Nordamerikas in Süd-Utah, Arizona und Kalifornien diese pflanzliche Droge als „great medicine“ schätzten [34]. Yerba santa wurde und wird in Amerika innerlich als Teeaufguss traditionell als Expektorans, bei Erkältungen, Bronchitis, Asthma, Halsentzündung, Magenschmerzen, Erbrechen, Durchfall und Heuschnupfen sowie bei Rheuma und partieller Lähmung angewendet. Weitere Anwendungsgebiete sind Nierenerkrankungen und rheumatische Schmerzen. E. californicum wird auch bei leichten Formen von Harnblasen- und Urethra-Infektionen eingesetzt. Bei leichten Bronchialspasmen können die Blätter geraucht werden, was die Wirkung eines Tees verstärkt. Rauchen oder Kauen der Blätter wird auch bei Asthma, Husten, Erkältung, Kopf- und Magenschmerzen praktiziert. Die frischen oder getrockneten Blätter werden äußerlich als Umschlag auf der geschädigten oder ungeschädigten Haut im Zusammenhang mit Rheumaschmerzen, Schnittwunden, und schmerzenden Muskeln und infizierten Wunden verwendet [15] [23] [32] [34]. Da die Inhaltsstoffe wenig wasserlöslich sind, wird die Anwendung von Tinkturen bevorzugt [23].

In einer Zusammenstellung ihrer Spezialitäten nannte die pharmazeutische Firma Parke, Davis and Company, Detroit (heute in der Firma Pfizer aufgegangen), 1890 u. a. auch Yerba santa. Als Indikationen für diese Blattdroge bzw. daraus gewonnenen Zubereitungen wurde die chronische, subakute Entzündung der Bronchialschleimhaut und die Lähmung der Bronchialmuskeln aufgeführt, für die u. a. zwei Fluidextrakte, ein Trockenextrakt, ein Inhalandum, eine Lutschtablette (mit weiteren pflanzlichen Bestandteilen) und ein aromatischer Sirup hergestellt wurden [24]. Infolge der wachsenden Popularität, u. a. bedingt durch die Vermarktung durch Parke-Davis, war Yerba santa (E. glutinosum) seit der Ausgabe von 1890 im amerikanischen Arzneibuch, der USP, mit einer Monografie vertreten, dann 1947 im US-National Formulary [25] [34]. In einem Verzeichnis von 1898 bot auch die pharmazeutische Firma Eli Lilly, Indianapolis, eine Yerba-santa-Tinktur und einen aromatischen Sirup als Spezialität an [6].

Yerba santa wird in Amerika auch traditionell als Geschmackskorrigens für medizinisch verwendete Stoffe eingesetzt: so kann der bittere Geschmack von Chinin maskiert werden [23] [24]. Eli Lilly bot 1898 hierzu das Erzeugnis „Yerbazin“ an [6]. Ferner wird Yerba santa auch in Lebensmitteln verwendet (s. Kasten).

Yerba santa als Lebensmittel

Neben der traditionellen medizinischen Verwendung werden in den USA die Blätter von E. californicum zur Erfrischung gekaut und für die Bereitung eines Tees verwendet. Ein Blattextrakt wird in den USA als Aromastoff verwendet [16] und erhielt den GRAS-Status der FDA (Generally Recognized As Safe, s. FDA 21CFR172.510). Ob eine Verwendung der Blätter und/oder eines Extrakts als Lebensmittel in Europa zulässig ist, ist durch die zuständigen Überwachungsbehörden zu prüfen, u. a. auch im Hinblick auf das Vorliegen einer neuartigen Lebensmittelzutat im Sinne der Novel-Food-Verordnung (EU) 2015/2283. Im Tierbereich wurde in Europa vor einigen Jahren die Verwendung von E. californicum und von Extrakten daraus als Futtermittelzusatzstoff durch Marktrücknahme untersagt (s. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 230/2013).

Verwendung der oberirischen Teile im deutschsprachigen Raum

In der Monografie zu Folia Eriodictyonis im Ergänzungsbuch zum Deutschen Arzneibuch, 6. Ausgabe, wird eine Dosierungsangabe für die Anwendung als „Rauchmittel“ gegeben, jedoch kein Anwendungsgebiet [7]. Eine allopathische Anwendung von Yerba santa im deutschen Sprachraum ist heute nicht (mehr) üblich.

Jedoch wurde und wird Yerba santa seit Langem als homöopathisches Mittel verwendet, insbesondere bei Bronchialkatarrh, bei Husten nach einer Influenza und bei Asthma [20]. In einer Monografie der Kommission D des damaligen Bundesgesundheitsamts wurde für Yerba santa die Anwendung als homöopathisches Arzneimittel bei Erkrankungen der Atemwege und des Rippenfells anerkannt [17]. Nach wie vor ist Yerba santa als Monografie im Homöopathischen Arzneibuch vertreten, wobei zur Herstellung homöopathischer Zubereitungen die frischen oberirdischen Teile von E. californicum zur Blütezeit als Ausgangsmaterial verwendet werden [14].

Biologische Aktivitäten

Zahlreiche Publikationen beschäftigten sich ausgehend von der volksmedizinischen Anwendung mit den Aktivitäten von Extrakten aus E. californicum (Blattdroge), insbesondere mit antimikrobiellen, antioxidativen und antiinflammatorischen Wirkungen.

Antimikrobielle Wirkungen

In einer Untersuchung zeigten Eriodictyol und Homoeriodictyol keine oder nur sehr schwache antibakterielle Wirkungen. Hingegen hemmte eine Fraktion, die aus einem ethanolischen Extrakt durch Aufreinigung erhalten und als „Eriodin“ bezeichnet wurde, stark das Wachstum eines nicht pathogenen Mycobacterium-tuberculosis-Stamms. Das „Eriodin“, das nicht näher phytochemisch charakterisiert wurde, war zudem wirksam gegen zahlreiche grampositive Bakterien, u. a. Bacillus subtilis, Streptococcus pyogenes, Micrococcus- und Sarcina-Arten. Dagegen war keine antibakterielle Wirkung gegen verschiedene gramnegative Bakterien zu beobachten [30].

Antioxidative Wirkungen

Eine starke reduzierende Wirkung wurde für einen methanolischen Blattextrakt von E. californicum im FRAP-Test (Ferric Ion Reducing Antioxidant Power) ermittelt. In mehreren In-vitro-Testsystemen, im DPPH-Test (2,2-Diphenyl-1-picrylhydrazyl) und weiteren Tests zur Wirkung auf Superoxid- und Hydroxyl-Radikale, wurde eine dosisabhängige Radikalfängerwirkung nachgewiesen. Diese Wirkungen wurden mit einem hohen Gehalt an Phenolen bzw. Flavonoiden in Verbindung gebracht [28]. Für die Flavanone Eriodictyol und Homoeriodictyol wurden in verschiedenen In-vitro-Assays und auch in vivo antioxidative Wirkungen nachgewiesen [4] [12].

Antientzündliche Wirkungen

In einem großen Screening wurden u. a. auch für einen E.-californicum-Blattextrakt antiinflammatorische Wirkungen in Zellkulturen (RAW 264.7-Zellen und BV-2-Zellen), die zuvor mit einem Lipopolysaccharid (LPS) aus Escherichia-coli-Bakterien stimuliert worden waren, beobachtet [22]. Von einer anderen Arbeitsgruppe wurde für einen unpolaren Extrakt von E. californicum in einer Zellkultur (BV-2-Zellen), die ebenfalls zuvor mit LPS stimuliert worden war, eine starke antiinflammatorische Wirkung nachgewiesen, wobei Sterubin im Vergleich zu Eriodictyol und Homoeriodictyol aktiver war [8]. Zahlreiche weitere Untersuchungen zu den Flavanonen Eriodictyol und Homoeriodictyol belegen in vitro antiinflammatorische Wirkungen [4] [12].

Wirkungen auf der Haut

Der wundheilende Effekt von Aloe-vera-Gel wird den Mucopolysacchariden zugeschrieben, die durch eine Stimulation der Fibroblasten die Bildung von Kollagen bewirken, sodass dadurch der Umbau der Wunde gefördert wird [1]. Mucopolysaccharide und Glykoproteine sind in den Blättern von E. californicum ebenfalls enthalten, die zudem einen feuchtigkeitsspendenden Effekt über Wasserstoffbrücken zwischen den Wassermolekülen und den Zuckerketten haben sollen [1]. Zusammen mit antioxidativen, antiinflammatorischen und antibakteriellen Effekten erscheint die äußerliche, traditionelle Anwendung bei Wunden und Hautschäden plausibel, zumal für einen E.-crassifolium-Extrakt in vitro in einem Fisch-Fibroblasten-Assay eine Stimulation der Zellproliferation berichtet worden ist [5].

Chemopräventive und zytotoxische Wirkung

In Untersuchungen wurde festgestellt, dass ein Extrakt von E. californicum in syrischen Hamsterembryo-Zellen den Metabolismus von [3H]-benzo[α]pyren hemmt und damit die Entstehung von krebserzeugenden, an DNA-bindenden Metaboliten verhindert. Bei einer nachfolgenden Testung von Einzelstoffen aus diesem Extrakt erwiesen sich mehrere Flavanone und Flavone als besonders wirksam [19].

In neueren Studien wurden pro-onkogene und tumorfördernde Wirkungen des Enzyms Proteintyrosinase-Phophatase 1 B (PTP1B) im Zusammenhang mit Pankreas-, Brust- und Ovarialkrebs gezeigt. Eine dosisabhängige Hemmung von PTP1B konnte in vitro für einen ethanolischen Blattextrakt von E. californicum nachgewiesen werden [29].

Ein Ethylacetat-Extrakt von E. californicum zeigte in vitro in HCT116-Zellen (humane Kolonkrebszellen) eine dosis- und zeitabhängige Verringerung der Zellviabilität. Zudem verhinderte die Behandlung der Zellen mit diesem Extrakt dosisabhängig die Proliferation von Einzelzellen zu lebensfähigen Kolonien; hierfür wurden als wirksame Stoffe im Extrakt Rosmarinsäure und Luteolin identifiziert. Luteolin aktivierte zudem die Caspase-7 und induzierte die Apoptose bei den HCT116-Zellen [31]. Für Eriodictyol und Homoeriodictyol wurde in weiteren In-vitro-Testassays an Krebszelllinien antitumorale Wirkungen nachgewiesen [4] [12].

Neuroprotektive Wirkung

Unabhängig von der traditionellen Anwendung wurde in einem Screening zur Oxytose (oxidative Glutamat-Toxizität; Form des programmierten Zelltods in Nervenzellen, bedingt durch oxidativen Stress) an HT22-Zellen (neuronale Zelllinie aus dem Maushippocampus) eine starke Schutzwirkung gegen Glutamat für einen unpolaren Extrakt von Eriodictyon californicum nachgewiesen. Gleichzeitig zeigte dieser Extrakt in PC12-Zellen (Tumorzellen des Nebennierenmarks [Phäochromocytom] der Ratte, ein häufig benutztes Modellsystem für neuronale Zellen) eine starke neurotrophe Wirkung bei einer geringen Zellwachstumshemmung in den untersuchten Dosierungen. Sterubin wurde als besonders wirksamer Inhaltsstoff identifiziert, der verglichen mit Eriodictyol und Homoeriodictyol im Screening zur Oxytose, zur neurotrophen Wirkung und auch zur intrazellulären Amyloid-beta-Toxizität (an MC65-Zellen, humane Nervenzellen) wirksamer war [8]. Ferner zeigten In-vitro-Tests für einen Blattextrakt von Eriodictyon-Arten mit hohem Sterubin-Gehalt neuroprotektive Wirkungen bezogen auf die Ferroptose, einer eisenabhängigen Form des programmierten Zelltods [21]. Da die Oxytose und Ferroptose u. a. auch beim Alterungsprozess auftreten, schließen die Autoren aus den Ergebnissen, dass Sterubin aufgrund von neurotrophen und neuroprotektiven sowie antiinflammatorischen Wirkungen und aufgrund der Fähigkeit, Eisen zu chelatisieren, im Hinblick auf die Anwendung bei altersbedingten und anderen neurodegenerativen Erkrankungen und speziell bei Morbus Alzheimer weiter untersucht werden sollte [8] [21].

In einem In-vivo-Mausmodell für Morbus Alzheimer, bei dem durch eine intracerebroventrikuläre Injektion des A-beta-25-35-Peptids eine Neurotoxizität induziert wird, konnte gezeigt werden, dass das Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis-Defizit bei den Versuchstieren mithilfe von Sterubin kompensiert werden kann. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Sterubin als Neuroprotektivum bei Morbus Alzheimer möglicherweise eine Krankheitsprogression verringern könne [13]. Entsprechende In-vivo-Ergebnisse in diesem Testmodell wurden auch für Eriodictyol und Homoeriodictyol publiziert [12].

Wirkungen von Extrakten und Einzelsubstanzen am Bitterstoff-Rezeptor

Untersuchungen zum Bitterwert, bei denen eine Coffein-Lösung nach Zugabe verschiedene Flavanone aus Yerba-santa-Blättern von Testern beurteilt wurden, ergaben, dass Eriodictyol und das Natriumsalz von Homoeriodictyol am stärksten die Bitterkeit maskieren, im Vergleich zu anderen Flavanonen, wie Hesperetin, Sterubin und Naringenin. Interessanterweise war das Natriumsalz von Homoeriodictyol nur in der Lage, partiell die Bitterkeit von Coffein und anderen bitteren Stoffe zu maskieren und wies selbst keine bitteren oder süßen Eigenschaften auf [18]. Mehrere Eriolsäure- und Erionsäure-Derivate aus E.-californicum-Blättern zeigten dagegen einen bitteren Geschmack; dies erklärt, warum wiederholt auch über einen unangenehmen Geschmack von Yerba santa berichtet wurde [27]. Die Kombination von Erionsäure C und des Natrium-Salzes von Homoeriodictyol führte zu einer Hemmung des maskierenden Effekts des Flavanons [27]. In einem In-vitro-Test-Assay wurde die antagonistische Wirkung von Flavonoiden aus Yerba-santa-Blättern an einem der vielen humanen Bitterstoffrezeptoren, dem Rezeptor-Subtyp hTAS2R31, untersucht und hierbei für die Stoffe Sakuranetin, 6-Methoxysakuranetin (zwei Flavanone) und Jaceosidin (ein Flavon) eine starke Hemmung ermittelt [9].

Toxizität

Systematische Untersuchungen zur Toxizität von Blattextrakten von E. californicum sind bisher nicht veröffentlicht worden. Für eine E.-californicum-Urtinktur konnten keine Pyrrolizidinalkaloide nachgewiesen werden [3]. Die US-Behörde für Lebensmittel und Arzneimittel, FDA, stand E. californicum als Aromastoff in Lebensmitteln den sog. „GRAS“-Status zu (s. o. Info-Kasten) [35]. Zudem wird die Blattdroge seit sehr langer Zeit traditionell als Heilmittel verwendet. Daher dürfte das toxikologische Risiko für diese Pflanze eher gering sein.

Fazit

Bisher liegen nur wenige In-vitro-Untersuchungen vor, die allererste Erklärungen für eine mögliche Wirksamkeit für die in der Volksmedizin der Ureinwohner Nordamerikas bekannten Indikationen von E.-californicum-Blättern liefern. Dagegen ist das phytochemische Profil der Blätter sehr gut dokumentiert. Im Rahmen eines Screenings wurde in den letzten Jahren das Flavanon Sterubin hinsichtlich neuroprotektiver Wirkungen untersucht. Bisher liegen für E.-californicum-Extrakte jedoch keine In-vivo-Daten, keine klinischen Studiendaten und auch keine Daten zur Sicherheit vor. Daher wären entsprechende Untersuchungen wünschenswert, um das therapeutische Potenzial dieser pflanzlichen Droge genauer beurteilen zu können.

Dr. Klaus Peter Latté

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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