
Zubereitungen aus Lindenblüten werden seit dem Mittelalter u.a. bei Erkältungskrankheiten, Rheuma, Migräne eingesetzt.
von Sigrun Chrubasik-Hausmann
Zubereitungen aus Lindenblüten werden seit dem Mittelalter bei Erkältungskrankheiten, fieberhaften Erkrankungen, Rheuma, Nephritis, zur Behandlung von Krämpfen, Magenbeschwerden, Unruhezuständen und Migräne eingesetzt.
Botanischer Steckbrief
Die Hauptachse des gelbgrünen Blütenstandes ist bis etwa zur Hälfte mit einem fast kahlen Hochblatt verwachsen. Der Blütenstand besteht bei der Sommerlinde (Tilia platyphyllos) aus 2 bis 5, bei der Winterlinde (Tilia cordata) aus 4 bis 15 Einzelblüten. Die Kelchblätter sind auf der Außenseite meist kahl, an den Rändern und der Innenseite dicht behaart. Die Winterlinde blüht einige Wochen später.
Inhaltsstoffe
Lindenblüten enthalten etwas über 1% Flavonoide, v.a. Isoquercitrin, aber auch Quercetin, Kämpferol, Quercitrin und andere Quercetin-Derivate wie Rutosid und Hyperosid, Astragalin, Afzelin, Kämpferitrin, Lespedin und Tilirosid. Zu den phenolischen Verbindungen zählen p-Cumarsäure, Kaffeesäure, Chlorogensäure. Neben verschiedenen Coumarinderivaten enthalten die Blüten ca. 2% Gerbstoffe, Leukoanthocyane, die Procyanidine B2 und B4, etwa 10% Schleimstoffe, 0,02% ätherisches Öl (die Sommer- und Winterlindenblüten unterscheiden sich in der quantitativen Zusammensetzung der Ätherischölbestandteile), freie Aminosäuren wie Cystein, Cystin und Phenylalanin, Alanin, Isoleucin, Leucin und Serin. Der Kaliumgehalt beträgt 240 mg/l, der Natriumgehalt 6 mg/l.
Wirkungen
Ein wässriger Lindenblütenextrakt (z.B. Tee) soll antitussiv, adstringierend, diaphoretisch, diuretisch, sedierend, schmerzstillend, antimikrobiell und immunstimulierend wirken. Doch ist die experimentelle Datenlage (In-vitro-Untersuchungen, Tierversuche) für diese Wirkungen unzureichend. Eine kürzlich bei Ratten durchgeführte Studie zeigte nach Gabe von wässrigem Lindenblütenextrakt im alkoholinduzierten Stresstest eine geringe hepatoprotektive und eine geringe antioxidative Wirkung.
Wirksamkeit
Ob die schweißtreibende Wirkung des Lindenblütentees auf speziellen Inhaltsstoffen beruht oder auf der Zufuhr heißer Flüssigkeit, wird seit Langem kontrovers diskutiert. In einer Studie mit explorativem Studiendesign erhielten je 15 Patienten mit unkomplizierten Erkältungskrankheiten eine Wasserdampfinhalation mit Zusatz von Lindenblüten oder gefärbtem Wasser. Ob die Dampfinhalation mit Lindenblüten wirksamer ist als die Wasserdampfinhalation muss nun in einer Studie mit konfirmatorischem Studiendesign geprüft werden. Weitere Studien liegen derzeit nicht vor.
Indikationen
Erkältungskrankheiten mit Husten, leichte Stresssymptome.
Nebenwirkungen / Interaktionen
Unerwünschte Wirkungen: keine bekannt. Wechselwirkungen: keine bekannt.
Kontraindikationen
Überempfindlichkeit gegen Inhaltsstoffe. Kinder mit Erkältungskrankheiten unter 4 Jahren. Kinder unter 12 Jahren mit geringen Stresssymptomen. Schwangerschaft und Stillzeit, weil dazu keine Untersuchungen vorliegen.
Akute Toxizität
Präklinische Untersuchungen zur Toxizität und zur Sicherheit liegen nicht vor.
Zubereitungen, Dosierung, Darreichung
Aufguss oder Abkochung
Einzeldosis für Erwachsene: 1,5 g Droge pro 150 ml, 10 min ziehen lassen, zwei- bis viermal täglich möglichst heiß trinken. Maximal 6 g Droge pro Tag.
Tinktur
Tinktur (Droge-Extrakt-Verhältnis, DEV: 1 : 5, Lösungsmittel 45 % Alkohol): Einzeldosis 1 ml, maximal 2 ml pro Tag.
Flüssigextrakt
Flüssigextrakt (DEV 1 : 1, Lösungsmittel 25 % Alkohol): Einzeldosis 2 ml, maximal 4 ml pro Tag.
Für Kinder (4 bis 12 Jahre) beträgt die Einzeldosis 1 g pro 150 ml, Tagesdosis: maximal 4 g.
Fazit
Für die sedierende Wirkung fehlt derzeit noch der Beleg. Obwohl die fiebersenkende und schweißtreibende Wirkung des Lindenblütentees auch nicht belegt ist, weist das Spektrum der Inhaltsstoffe auf eine antiphlogistische / fiebersenkende / analgetische (Flavonoide) und auch auf eine hustenreizlindernde (Schleimstoffe) Wirkung, was mit den Erfahrungen der Hausmedizin konform geht. Dennoch wäre es wünschenswert, das Ausmaß der Wirksamkeit bei Erkrankungen der oberen Luftwege gegenüber Placebo in einer beweisend angelegten Studie zu quantifizieren.
Autorin
Prof. Dr. med. Sigrun Chrubasik-Hausmann ist Fachärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, Spezielle Schmerztherapie; Institut für Rechtsmedizin der Universität Freiburg, Research-Koordinatorin des Schwerpunkts „Phytotherapie“