Anhaltende Atemnot bei Belastung nach einer COVID-19-Erkrankung kann in direktem Zusammenhang mit einer Zwerchfellschwäche stehen. Das fanden Aachener Forscher in einer Studie heraus. Ein inspiratorisches Atemtraining zeigt in einer laufenden Folgestudie vielversprechende Erfolge.
Bis zu ein Drittel der Menschen berichtet nach Abklingen der akuten COVID-19-Erkrankung von andauernden Atembeschwerden (Dyspnoe), dessen Auftreten sich durch klinische Routine-Diagnosemaßnahmen, einschließlich Lungenfunktionstests und Herzuntersuchungen, nicht erklären lässt. Forscher*innen der Klinik für Pneumologie und Internistische Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen gingen der Frage nach, was die Ursache für die Belastungsdyspnoe bei diesen Patienten sein könnte.
Studie: Zwerchfellmuskelkraft nach COVID-19 und unklarer Dyspnoe
In ihrer Studie untersuchten sie die Zwerchfellmuskelkraft bei Patient*innen nach COVID-19 und ihre Beziehung zu ungeklärter Dyspnoe bei Belastung. Es wurden 50 Patient*innen eingeschlossen, die von Februar 2020 bis April 2021 aufgrund von COVID-19 in der Uniklinik RWTH Aachen stationär behandelt wurden. Das Durchschnittsalter lag bei 58 Jahren, 28 Prozent waren Frauen.
„Die Hälfte dieser Patienten erfüllte die Kriterien für ein schweres akutes Atemnotsyndrom, das eine invasive mechanische Beatmung erforderte, die andere Hälfte erhielt während des Krankenhausaufenthalts nur eine zusätzliche Sauerstofftherapie erhielt“, erklärt Binaya Regmi, Erstautor der Studie.
Bei allen Patient*innen wurde die Zwerchfellfunktion analysiert. Es erfolgten Lungenfunktionstests, 6-Minuten-Gehtest, Echokardiographie, Ultraschall des Zwerchfells sowie Messung des transdiaphragmalen Drucks nach zervikaler Magnetstimulation der Zwerchfellnerven.
Die Daten der COVID-19-Patient*innen wurden mit denen gesunder Probanden, die vor der COVID-19-Pandemie mit identischer technischer Ausstattung und Standardisierung der Untersuchungen rekrutiert worden waren, abgeglichen.
Zwei Drittel der Patient*innen weisen Zwerchfellschwäche auf
„Bei ungefähr zwei Dritteln der untersuchten Patient*innen war 15 Monate nach der Entlassung aus dem Krankenhaus eine mittelschwere oder schwere Dyspnoe bei Belastung vorhanden, ohne dass Anomalien der Lungen- oder Herzfunktion festgestellt wurden. Unabhängig von der anfänglichen Schwere der Erkrankung und ob die Akutbehandlung eine mechanische Beatmung umfasste oder nicht, war bei den Post-COVID-19-Patienten der Zwerchfellmuskel signifikant beeinträchtigt“, erläutert Dr. Spiesshoefer, Senior-Autor der Studie.
Den Forschern zufolge ist die Identifizierung eines möglichen zugrundeliegenden Mechanismus für Belastungsdyspnoe bei Patienten mit langer COVID klinisch hochrelevant:
- Für die Patient*innen sei es beruhigend, eine mögliche Erklärung für die Atemnot nach COVID-19 zu haben.
- Atemmuskeltraining hat sich bei anderen Patientengruppen als wirksam erwiesen und könnte eine Therapieoption sein.
Limitationen
Die Forscher*innen erklären einschränkend, dass sich kein direkter Kausalzusammenhang nachweisen lasse. "Ein in seiner Pathophysiologie so komplexes Symptom wie die Belastungsdyspnoe kann immer noch einen multifaktoriellen Ursprung aufweisen“, so Regmi. Es könnten auch andere Faktoren wie Zwerchfellneuropathie oder die Einnahme antiviraler Medikamente zur Zwerchfellschwäche geführt haben. Zudem kann die Studie nicht belegen, ob die beobachteten Veränderungen der Zwerchfellmuskelkraft spezifisch auf COVID-19 oder auf eine allgemeinere Myopathie (Muskelerkrankung) nach einer akuten Lungenverletzung zurückzuführen sind.
Behandlungsoption: Atemtraining zur Stärkung des Zwerchfells
Dr. Jens Spiesshoefer, Mitautor der Studie, gab auf dem Pneumologenkongress einen Ausblick, welche Behandlungsoptionen nun geprüft werden.
Aktuell läuft eine randomisierte Studie der Universitäten Marburg und Aachen, die die Wirksamkeit eines Atemtrainings prüft. Patient*innen mit Belastungsdyspnoe nach Covid-19 und nachgewiesener Zwerchfellschwäche absolvieren darin ein sog. inspiratorisches Muskeltraining. Das Atemtraining erfolgt morgens und abends mit etwa 30 Einatmungen gegen Widerstand mit einem inspiratorischen Atemtrainer zur Stärkung des Zwerchfellmuskels. Die Intervention läuft über einen Zeitraum von 6 Wochen. Primärer Endpunkt ist die Reduktion der Dyspnoe. Die Ergebnisse seien im kommenden Jahr zu erwarten.
Spiesshoefer gab jedoch schon einen Ausblick auf die bisherigen Ergebnisse:
Erste Ergebnisse zeigen bereits, dass Dyspnoe aufgrund einer Zwerchfällschwäche reversibel ist.
Quellen: Uniklinik RWTH Aachen/Vortrag Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin/Ni