
Patient*innen mit COVID-19 leiden neben Atemwegssymptomen auch unter deutlich verringerter körperlicher Leistungsfähigkeit.
Die gezielte Freisetzung der Vitamin-B3-Form Nicotinamid aus CICR-NAM-Tabletten beeinflusst das Darmmikrobiom bei COVID-19. Das sei ein neuer Weg, um COVID-19 zu bekämpfen und die Folgen der Erkrankung zu mindern, lautet das Fazit von Kieler Wissenschaftler*innen des Exzellenzclusters PMI.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine placebokontrollierte klinische Studie an 900 COVID-19-Patient*innen zeigt Erfolg eines neuen patentgeschützten Präparats.
- Die innovative Nahrungsergänzung stellte bei COVID-19 die körperliche Leistungsfähigkeit signifikant schneller wieder her.
- Es konnte nachgewiesen werden, dass eine gezielte Freisetzung der Vitamin-B3-Form Nicotinamid aus CICR-NAM-Tabletten das Darmmikrobiom bei COVID-19 positiv beeinflusst.
- Eine weitere Untersuchung zeigt, dass Risikopatient*innen, die gut auf die Intervention mit Vitamin B3 ansprachen, auch weniger Post-COVID-Symptome entwickeln.
Innovative Tablette setzt Nicotinamid gezielt im Darm frei
Vorangegangene Forschung hatte gezeigt: Im Stoffwechsel von Patient*innen mit COVID-19 und anderen Virusinfekten entsteht während der akuten Phase der Erkrankung ein erhöhter Bedarf an Energieträgern. Eine der Vorstufen für Stoffwechselfaktoren im Energiesystem der Zellen ist Vitamin B3.
Zudem ist bekannt, dass COVID-19 das Darmmikrobiom negativ verändert. Die am Uniklinikum Schleswig-Holstein entwickelte und patentgeschützte Tablette (CICR-NAM) setzt Nicotinamid, eine Form von Vitamin B3, gezielt im Darm frei - im letzten Abschnitt des Dünndarms und im Dickdarm. So kann das Nicotinamid dort das Darmmikrobiom positiv beeinflussen, den Vitaminmangel ausgleichen und bestimmte Stoffwechselprozesse verstärken.
"Nicotinamid aus herkömmlichen Tabletten wird bereits im Magen und Dünndarm vom Körper aufgenommen, bevor es das Darmmikrobiom erreichen kann", erläutert Studienleiter Dr. Georg Wätzig. "Mit dieser Studie haben wir einen neuen Ansatz erfolgreich getestet, bei dem Vitamin B3 zunächst geschützt und dann erst im Darm freigesetzt wird."
Große placebokontrollierte Studie
In der COVit-2-Studie untersuchte das Team 900 frisch an COVID-19 Erkrankte in ganz Deutschland. Jeweils die Hälfte wurde randomisiert und nahm für 4 Wochen 2 Nicotinamid-Tabletten (je 500 mg CICR-NAM und herkömmliches Nicotinamid) oder identisch aussehende Placebo-Tabletten ein. Die Studie war doppelt verblindet.
Die Patient*innen wurden engmaschig in Telefoninterviews zu ihrem Krankheitsverlauf befragt. Viele schickten auch regelmäßig Stuhlproben ein, sodass die Zusammensetzung ihres Darmmikrobioms gemeinsam mit dem klinischen Verlauf untersucht werden konnte.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der COVit-2-Studie zeigen:
- Die mit Nicotinamid versorgten Erkrankten mit einem Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe hatten nach 2 Wochen signifikant häufiger ihre normale körperliche Leistungsfähigkeit zurückerlangt als Patient*innen der Placebo-Gruppe.
- Auch die Fähigkeit zur Bewältigung des normalen Alltags war in der Nicotinamid-Gruppe nach 2 Wochen signifikant besser.
Auch wenn langfristigere Krankheitsfolgen wie Long- und Post-COVID nicht im Fokus der Studie standen, beobachteten die Forschenden bei der Nachbefragung nach 6 Monaten einen vielversprechenden Trend: Patient*innen, die ein höheres Risiko für Post-COVID hatten und auf Nicotinamid ansprachen, zeigten weniger Post-COVID-Symptome.
Positiver Effekt durch Mikrobiombeeinflussung
In der Studie haben die Forschenden außerdem die im Darm lebende Mikrobengemeinschaft genauer untersucht. "Das Mikrobiom von COVID-19-Erkrankten zeigt noch gut 2 Wochen nach Erkrankungsbeginn eine Art Notfallstoffwechsel, bei dem der Körper offensichtlich versucht, die bekannten Defizite bei wichtigen Stoffwechselfaktoren durch die Hochregulierung anderer Stoffwechselprozesse auszugleichen. In der Studiengruppe mit Nicotinamid haben wir diese Veränderungen nicht beobachtet – wahrscheinlich, weil der Mangel durch die Gabe von Nicotinamid behoben werden konnte. Zeitgleich beobachteten wir in diesen Fällen eine schnellere körperliche Erholung. Die positive Beeinflussung des Mikrobioms hängt offenbar mit der schnelleren Erholung zusammen", erklärt Prof. Philip Rosenstiel, der die Mikrobiomuntersuchungen geleitet hat.
"Damit haben wir erstmals gezeigt, dass die Beeinflussung des Mikrobioms, in diesem Fall durch eine Nährstoffergänzung, einen positiven Effekt bei einer Virusinfektion haben kann. Das ist ein wichtiger Meilenstein in der klinischen Forschung", so Rosenstiel weiter.
Quelle: Exzellenzcluster Precision Medicine in Chronic Inflammation