StretchingDehnen: Empfehlungen aus der Wissenschaft

Vor oder nach dem Sport dehnen? Wie lange? Statisch oder federnd? Ein Forschungsteam gibt nun Empfehlungen und räumt mit Mythen auf. 

Frau liegt auf dem Rücken und dehnt Knie und Beine
Iryna/stock.adobe.com - Stockphoto. Posed by a Model.

Dehnen hat positive Effekte z.B. zur kurzfristigen Steigerung der Beweglichkeit.

Ein internationales Forschungsteam um Prof. Jan Wilke von der Uni Bayreuth hat konkrete Empfehlungen zum Dehnen für die Praxis verfasst. Mit den Empfehlungen helfen die Forschenden dabei, die seit Jahren bestehenden Kontroversen zum Stretching beizulegen und mit entsprechenden Mythen aufzuräumen.

"Was fehlt, sind klare Empfehlungen für die Praxis. Denn auch, wenn Dehnen nicht immer hält, was es verspricht, ist es eine leicht anwendbare, immer verfügbare und kostenlose Form des Trainings", sagt Prof. Jan Wilke vom Lehrstuhl Neuromotorik und Bewegung der Universität Bayreuth.

Dehnen: warum?

Dehnen bzw. Stretching wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Vor oder nach dem Sport? Wie lange? Statisch oder federnd? Und kann Dehnen wirklich einem Muskelkater vorbeugen, Schmerzen reduzieren und das Verletzungsrisiko minimieren?

Obwohl es solide wissenschaftliche Erkenntnisse zur effektivsten Anwendung und den Wirkungen von Stretching gibt, basiert die Anwendung in der Praxis meist eher auf Glauben und Hörensagen. Die Empfehlungen helfen dabei, mit Mythen aufzuräumen und Sporttreibenden, Trainer*innen sowie Therapeut*innen Orientierung zu liefern, wann Dehnen sinnvoll ist.

Dehnen: wann und wie?

Die Einsatzfelder von Stretching sind kaum limitiert. Sie reichen von der Beweglichkeitssteigerung über die Verletzungsprävention bis zur Schmerzbehandlung. Allerdings erzielt Dehnen nicht in allen Fällen die Effekte, die ihm zugeschrieben werden. So kann es etwa Fehlhaltungen wie einen Rundrücken nicht beseitigen und hat auch in der Verletzungsprävention vermutlich nur geringen Wert.

Oft gibt es zudem wissenschaftlich belegte Alternativen, die genauso gut oder besser als das Dehnen funktionieren. Beispielsweise führt auch Krafttraining zu einer Steigerung der Beweglichkeit, wenn es über den vollen Bewegungsspielraum ausgeführt wird.

20 internationale Expert*innen aus der Dehn-Forschung haben nun auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz Empfehlungen zur Dehn-Praxis erarbeitet. Sie recherchierten zunächst die aktuelle Studienlage. Danach folgte ein sogenanntes DELPHI-Verfahren. Dabei wurden Formulierungen und Empfehlungen unter den Fachleuten in mehreren Runden anonym diskutiert, bis ein deutlicher Konsens entstand.

In allen 12 untersuchten Anwendungsfeldern einigten sich die Wissenschaftler*innen. Sie empfehlen etwa:

Dehnen: Die wichtigsten Empfehlungen in Kürze

Wann wird Dehnen empfohlen?
  • Zur kurzfristigen Steigerung der Beweglichkeit mindestens 2 Serien mit 5 bis 30 Sekunden Dauer – Dehntechnik egal.
  • Zur Senkung der Muskelsteifigkeit mindestens 4 Minuten statisches Dehnen – für die langfristige Anwendung 5-mal pro Woche.
  • Zur positiven Beeinflussung des Herz-Kreislauf-Systems und der Gefäße mindestens 7 Minuten (akute) oder 15 Minuten (langfristig) statisches Dehnens.
Wann wird Dehnen nicht empfohlen?
  • zur Verletzungsprävention,
  • zur Beschleunigung der Regeneration,
  • zur Haltungsverbesserung.

Vom Zankapfel zum Trainingsmittel

"Laut Studien dauert es durchschnittlich 17 Jahre, bis Forschungsergebnisse in der Praxis etabliert und bekannt sind. Die Arbeit unseres Teams ist deshalb besonders wichtig für den Transfer von Wissenschaft in die Anwendung. Die Kombination aus einer Analyse wissenschaftlicher Evidenz sowie persönlicher Meinung und praktischer Erfahrung der Forschenden hilft hoffentlich dabei, dass Dehnen vom Zankapfel zu einem wertvollen, aber gezielt eingesetzten Trainingsmittel wird", sagt Wilke.

Quelle: Universität Bayreuth