LeitlinieHypertonie: Nichtmedikamentöse Therapie zentrale Therapiesäule

Die neue Nationale Versorgungsleitlinie Hypertonie ist erschienen. Ein Ziel ist u.a. nichtmedikamentöse Therapien besser in die Versorgung zu implementieren. 

Frau misst Blutdruck am Handgelenk
K. Oborny/Thieme; posed by a model

Die Leitlinienautor*innen sehen einen Zielwert von < 140/90 mmHg als ideal an.

Die Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Hypertonie – Version 1.0 ist erschienen. Sie ist auf den Internetseiten des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ) kostenlos abrufbar.

Mit der NVL Hypertonie – Version 1.0 liegen Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von Menschen mit (Verdacht auf) arterielle(r) Hypertonie vor. Damit wird der aktuelle Wissensstand für alle an der Versorgung Beteiligten zusammengefasst. Die multidisziplinäre Leitliniengruppe (Autor*innen aus 21 Fachgesellschaften/Organisationen sowie externen Expert*innen) prüfte dabei neue Erkenntnisse aus Forschung und Versorgung und führte diese evidenzbasiert in versorgungsrelevanten Algorithmen zusammen.

Eins der Ziele ist dabei die Stärkung der patientenzentrierten Versorgung durch verbesserte Kommunikation zwischen Behandelnden und Erkrankten, gemeinsame Vereinbarung von individuellen Therapiezielen sowie die Förderung der Therapieadhärenz. Weitere Ziele sind u.a. die Verbesserung der Implementierung der nichtmedikamentösen Therapie als Basis der Langzeitversorgung sowie die Förderung der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Professionen und Sektoren.

Wichtige Kernaussagen der NVL Hypertonie

Diagnostik absichern

Ein auffälliger Blutdruckwert in der Praxis soll durch wiederholte Messung abgesichert werden. Zur Bestätigung der Diagnose wird bevorzugt die 24h-Langzeitblutdruckmessung empfohlen.

Individuelle Blutdruckziele vereinbaren

Bei Menschen mit Hypertonie sollen individuelle Therapieziele für den Blutdruck vereinbart werden.

Als ideal sieht die Leitliniengruppe einen Blutdruck-Zielwert von < 140/90 mmHg.

Abhängig vom körperlichen Zustand, Begleiterkrankungen, kardiovaskulären Risikofaktoren, Belastungen durch die Therapie oder Polypharmazie können auch etwas höhere oder niedrigere Werte angemessen sein.

Enges Monitoring bei Therapieeinstellung oder -anpassung

4 bis 6 Wochen nach einer Therapieänderung soll der Therapieerfolg kontrolliert werden. Liegen keine relevanten Begleiterkrankungen vor, werden anschließend jährliche Kontrollen empfohlen.

Wahl der Medikamente abhängig von Komorbidität

Mittel der ersten Wahl sind ACE-Hemmer, Sartane, Kalziumkanalblocker oder Thiazide oder thiazidartige Diuretika. Andere Wirkstoffe wie Betablocker kommen zum Einsatz, wenn sie wegen Komorbidität ohnehin indiziert sind, zum Beispiel bei Herzinsuffizienz.

Wer mehrere Wirkstoffe einnimmt, sollte diese bevorzugt als Fixkombination erhalten.

Hypertensive Entgleisung in der Praxis behandeln

Personen mit einer hypertensiven Entgleisung (> 180/110 mmHg ohne akute Begleitsymptome) sollten in der Praxis zunächst nach 30 Minuten in Ruhe eine Kontrollmessung erhalten.

Bei Persistenz sollte der Blutdruck mit Medikamenten moderat gesenkt werden, wobei kurzwirksame/sublinguale Wirkstoffe vermieden werden sollten.

Bei Hinweisen auf Notfall: sofortige Krankenhauseinweisung

Bei akutem starkem Blutdruckanstieg und Begleitsymptomen (z.B. Ruhedyspnoe, V.a. Schlaganfall, ACS, Aortendissektion, Lungenödem, neue oder rasch progrediente Nierenkrankheit, akute schwere Blutung) sollen Betroffene umgehend in ein Krankenhaus eingewiesen werden.

Zentrale Säule der Behandlung: Nichtmedikamentöse Therapie

Anpassungen des Lebensstils unterstützen die medikamentöse Therapie und können dazu beitragen, die Anzahl und Dosis der Medikamente gering zu halten. Dazu gehören:

  • Salzreduktion: Weniger als 6g Kochsalz pro Tag tragen zur Blutdrucksenkung bei und können möglicherweise kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren.
  • Körperliche Aktivität: Bei Hypertonie soll eine regelmäßige körperliche Aktivität in moderater Intensität empfohlen werden. Diese trägt zur Blutdrucksenkung bei und kann möglicherweise weiteren Erkrankungen vorbeugen, die eine Hypertonie begleiten. Eine Belastungsuntersuchung kann helfen, Intensität und Art der Aktivität individuell festzulegen.
  • Gewichtsreduktion: Adipösen und übergewichtigen Menschen mit Hypertonie sollte empfohlen werden abzunehmen. Dadurch lässt sich der Blutdruck senken.
  • Tabakverzicht: Wer das Rauchen aufgibt, reduziert das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erheblich. Auf den Blutdruck selbst wirkt sich dies nicht aus, verbessert aber die Prognose.
  • Unterstützung: Wem es nicht gelingt, empfohlene Lebensstilmodifikationen selbstständig oder mit ärztlicher Hilfe umzusetzen, sollten strukturierte Therapieprogramme empfohlen und bei Bedarf vermittelt werden.
  • Auch Entspannungsverfahren, Schulungen oder ein höchstens risikoarmer Alkoholkonsum werden empfohlen, allerdings ist die Evidenz hier weniger belastbar.

Patientenblätter begleiten die NVL Hypertonie, eine Patientenleitlinie wird erstellt (www.leitlinien.de sowie www.patienten-information.de).

Das Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien steht unter der Trägerschaft von Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Zu ausgesuchten Erkrankungen hoher Prävalenz werden unter Berücksichtigung der Methoden der evidenzbasierten Medizin versorgungsbereichsübergreifende Leitlinien entwickelt und implementiert. Mit der Durchführung, Organisation und methodischen Begleitung wurde das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) beauftragt.

Quelle: Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin