
Fasten bei Diabetes sollte moderat erfolgen und die Struktur der Nahrungsaufnahme erhalten bleiben, wie z.B. beim 16/8-Fasten.
Grundsätzlich bieten sich für das Fasten Methoden an, die auf konstanten, vorhersehbaren Bedingungen beruhen. Allerdings sollte beim Fastenthema genau der Modus Operandi definiert werden, um eine gute Therapieplanung machen zu können. Das berichtete Prof. Thomas Skurk vom ZIEL Institute for Food and Health auf einer Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft.
Begriff Fasten
Fasten ist ein sehr umfassender Begriff und müsse zunächst eingegrenzt werden, um sich den Vor- und Nachteilen der Anwendung bei einer Diabeteserkrankung zu nähern.
So gibt es zunächst einmal erzwungene Fastenzustände bei z.B. körperlichen oder geistigen Erkrankungen sowie der freiwillige Verzicht auf Nahrung und/oder Flüssigkeiten für einen bestimmten Zeitraum, um gesundheitliche Vorteile zu erzielen.
Die Nahrungsaufnahme kann kurzfristig, temporär oder über einen längeren Zeitraum erfolgen, je nachdem, ob das allgemeine gesundheitliche Befinden im Vordergrund steht oder z.B. eine Gewichtsreduktion
beabsichtigt ist.
Was ist zu beachten bei Diabetes?
Unabhängig davon, ob das Fasten aus kulturellen, spirituellen oder gesundheitlichen Gründen vorgenommen wird, sind speziell bei Diabetes einige Punkte zu beachten.
Ein häufig genannter Grund für Nahrungsfasten ist die Gewichtskontrolle. Intermittierendes Fasten ist dabei sehr populär. Jedoch muss man unterscheiden, ob es sich um kohlenhydratmodifizierende Diäten handelt oder lediglich die Essenszeiten eingeschränkt werden wie z.B. bei der 16/8-Methode.
Kohlenhydratmodifizierende Diäten rufen eine ketogene Stoffwechsellage durch Anwendung von weniger als 130 Gramm (oder < 26 E %) Kohlenhydrate pro Tag hervor. Durch einen geringeren Insulinbedarf steigen die Lipolyse, Beta-Oxidation und die Ketonkörperproduktion. Für höhere Ketonkörperspiegel wurde vereinzelt gezeigt, dass diese den Appetit vermindern und die Insulinsensitivität fördern können [2]. Daten dazu stammen jedoch meist vom nicht insulinpflichtigen Typ-2-Diabetes und von Adipositas und sind nicht auf der Grundlage eines insulinpflichtigen Diabetes erhoben, insbesondere nicht bei Typ-1-Diabetes.
Folglich besteht die Gefahr einer diabetischen Ketoazidose, die unter diesen Bedingungen bereits mehrfach beschrieben wurde [3].
Jedoch konnte in der Vergangenheit eine verlängerte Fastenperiode über 25 Stunden sicher angewendet werden, entweder wenn diese mittels einer kontinuierlichen Glukosemessung überwacht wird oder eine gute
Wahrnehmung für hypoglykämische Ereignisse besteht [5].
Vereinzelte Studien beschreiben auch eine Anwendung des Fastens über mindestens 7 Tagen wie beim Buchinger-Fasten [1]. Das Risiko einer diabetischen Ketoazidose wurde hier als „geringer als erwartet“ eingeschätzt [4].
Bei diesen Studien steht jedoch nicht immer das Körpergewicht, sondern die Glykämie im Vordergrund. Eine Verbesserung des HbA1c um 1 % reduziert z.B das kardiovaskuläre Risiko deutlich. Verschiedene Studien scheinen allerdings für das HbA1c keine eindeutig signifikanten Änderungen zu belegen, während jedoch der Insulinbedarf teilweise deutlich sinkt.
Auch hinsichtlich einer Inselzellimmunität besteht die Hoffnung, durch eine Low-Carb-(LCD)-/ketogene Ernährung Einfluss auf das Mikrobiom zu nehmen, um die Autoimmunität zu reduzieren und eine diabetische Stoffwechsellage erst verzögert auftreten zu lassen.
Klinisch relevante Befunde, die diese Hypothese unterstützen, ließen sich jedoch bislang nicht sichern. Auch wenn es vereinzelt Hinweise gibt, dass eine Low-Carb-Ernährung kurzfristigen Verbesserungen der glykämischen Variabilität bei Typ-1-Diabetes führt, wiegen die möglichen Risiken und eine verschlechterte Diabetessteuerung die Vorteile nicht immer auf. So stellen z.B. auch beim religiösen Fasten Hypoglykämien eine signifikante Komplikation dar [Beshyah 2019].
Fazit
- Grundsätzlich bieten sich für das Fasten Methoden an, die auf konstanten, vorhersehbaren Bedingungen beruhen.
- Ein moderates Fasten, bei dem die Struktur der Nahrungsaufnahme (Frühstück – Mittagessen – Abendbrot) grundsätzlich erhalten bleibt, jedoch nur innerhalb eines Zeitfensters von zum Beispiel 8 Stunden stattfindet, ist in der Form des 16/8-Fastens umgesetzt. Diese Fastenmethode ist mit den modernen Insulinen gut kontrollierbar und kann auch über lange Zeit durchgehalten werden.
- Insbesondere in der Ein-/Umstellungsphase gilt es ein vermehrtes Augenmerk auf die Ernährungs- und Insulinpläne zu werfen und über die möglichen Konsequenzen gut aufzuklären.
- Insgesamt gilt es beim Fastenthema genau den Modus Operandi zu definieren, um eine gute Therapieplanung machen zu können.
Quelle: Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft/23.4.2024
Literatur
[1] Berger B et al. Seven-day fasting as a multimodal complex intervention for adults with type 1 diabetes: Feasibility, benefit and safety in a controlled pilot study. Nutrition 2021; DOI: 10.1016/j.nut.2021.111169
[2] Bolla AM et al. Low-Carb and Ketogenic Diets in Type 1 and Type 2 Diabetes. Nutrients 2019; DOI: 10.3390/nu11050962
[3] Fernández-Cardona A et al. Intermittent Fasting as a Trigger of Ketoacidosis in a Patient With Stable, Long-term Type 1 Diabetes. Journal of the Endocrine Society 2020; DOI: 10.1210/jendso/bvaa126
[4] Lake I. Nutritional ketosis is well-tolerated, even in type 1 diabetes: the ZeroFive100 Project; a proof-of-concept study. Current Opinion in Endocrinology, Diabetes, and Obesity 2021; DOI: 10.1097/MED.0000000000000666
[5] Reiter J et al. Type 1 diabetes and prolonged fasting. Diabetic Medicine 2007; DOI: 10.1111/j.1464-5491.2007.02098.x