Generalisierte AngststörungHelfen Apps bei generalisierter Angststörung?

Ein Themen-Check-Bericht des IQWiG ergab: Es gibt Hinweise auf positive Effekte im Vergleich zu keiner Behandlung. Einige Fragen bleiben aber noch offen.

Smartphone im telemedizinischen Kontext, Illustration
AndSus/stock.adobe.com

Apps könnten bei einer generalisierten Angststörung zumindest kurzfristig helfen, im Vergleich zu keiner Therapie.

Ein interdisziplinäres Team hat den Nutzen von digitalen Anwendungen zur Behandlung einer generalisierten Angststörung bei Jugendlichen und Erwachsenen untersucht. Ihr Fazit:

  • Im Vergleich zu keiner Behandlung können Menschen mit generalisierter Angststörung von digitalen Anwendungen, die auf kognitiver Verhaltenstherapie beruhen, zumindest kurzfristig profitieren.
  • Es fanden sich Hinweise auf positive Effekte bei Krankheitssymptomatik, Lebensqualität und Alltagsfunktionen

Allerdings lasse die bisherige Studienlage keine Aussage zu langfristigen oder unerwünschten Effekten zu. Ebenso fehlen Vergleiche von Apps mit einer persönlich erbrachten Psychotherapie. Studien, die die Anwendung von Apps bei Jugendlichen ab 14 Jahren untersuchen, fehlen.

Hinweise auf positive Effekte, aber offene Fragen

Die Autor*innen identifizierten insgesamt 20 geeignete Studien, die die Anwendung von Apps bei einer generalisierten Angststörung untersuchen.

Zwei dieser Studien untersuchen im DiGA-Verzeichnis gelistete Anwendungen. In 14 der ausgewerteten Studien werden Apps, deren Inhalte auf kognitiver Verhaltenstherapie basieren, mit keiner Behandlung bzw. Warteliste verglichen.

Das Fazit aus diesen Studien: Es gibt Hinweise auf einen Nutzen der Apps in Bezug auf:

  • die Krankheitssymptomatik (Daten aus 14 Studien),
  • die Lebensqualität (Daten aus 6 Studien) und
  • die Alltagsfunktionen (Daten aus 5 Studien).

Die Autor*innen des Berichts halten aber fest, dass diese Ergebnisse insgesamt vorsichtig interpretiert werden sollten. So wurden z.B. bei der Durchführung der Studien methodische Standards nicht immer vollständig eingehalten. Auch könnten sie nicht ausschließen, dass ein Verzerrungspotenzial aufgrund nicht publizierter Studienergebnisse bestehe.

Zu weiteren wichtigen Fragen – wie auch in Studien zu persönlich erbrachten psychologischen Interventionen – fehlen Antworten in den ausgewerteten Studien: So werden etwa unerwünschte Ereignisse oft nicht oder nicht systematisch erhoben.

Es bleibt daher unklar, welches Schadenspotenzial mit der Anwendung von Apps bei generalisierter Angststörung einhergeht. Auch betrug die Dauer der Studien in der Regel nur 2 oder 3 Monate. Aussagen dazu, ob Betroffene von der Anwendung von Apps längerfristig, auch über den Interventionszeitraum hinaus, profitieren, sind daher nicht möglich.

Darüber hinaus gab es keine Studien, die die Anwendung von Apps bei Jugendlichen im Alter ab 14 Jahren untersuchen.

Ob Apps besser oder schlechter sind als eine persönlich erbrachte kognitive Verhaltenstherapie, lässt sich aus den ausgewerteten Studien nicht erkennen. Hierfür wären Studien notwendig, die diese Interventionen direkt miteinander vergleichen. Solche Studien liegen aber aktuell nicht vor.

Hintergrund: Generalisierte Angststörung

Die generalisierte Angststörung ist eine verbreitete Angsterkrankung. Nach Schätzungen erhalten etwa 5 Menschen im Laufe des Lebens diese Diagnose. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Meist beginnt eine Angststörung im mittleren Erwachsenenalter – manchmal aber auch schon im Kindes- oder erst im Seniorenalter.

Therapeutische Optionen

Kennzeichnend für die generalisierte Angststörung ist, dass die Betroffenen in ständiger, übermäßiger Angst leben: Sie fürchten sich nicht nur bei realen Gefahren, sondern praktisch vor allem. Viele haben auch Angst vor der Angst selbst. Die Betroffenen leiden darunter, dass sie ihre Ängste und Sorgen nicht kontrollieren können und ihre Funktionsfähigkeit im beruflichen und privaten Alltag dadurch wesentlich beeinträchtigt sein kann.

Zur Behandlung der generalisierten Angststörung werden i.d.R. psychologische und psychotherapeutische Behandlungen, v.a. die kognitive Verhaltenstherapie, empfohlen. Auch Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung, Medikamente oder Selbsthilfegruppen können den Betroffenen helfen.

Digitale Anwendungen

Digitale Anwendungen können die Betroffenen möglicherweise ebenfalls unterstützen. Häufig sind sie an die Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie angelehnt und stellen z.B. Texte und Videos bereit, mit denen Betroffene selbst arbeiten und üben können. Sie können auch weitere Funktionen enthalten, z.B. ein Angsttagebuch oder automatische Erinnerungsfunktionen, und ggf. den Kontakt zu einer Therapeutin oder einem Therapeuten ermöglichen.

Anfrage eines Bürgers war Ausgangspunkt des ThemenCheck-Berichts

Der Bericht geht auf den Vorschlag eines Bürgers zurück. Dieser weist darauf hin, dass gesetzlich Krankenversicherte Anspruch auf die Versorgung mit speziellen Apps, sog. Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), haben. Er fragte, ob sicher nachgewiesen wurde, dass Betroffene von der Anwendung von Apps zur Behandlung von Angststörungen grundsätzlich profitieren können.

Vor diesem Hintergrund untersuchte das vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragte Expertenteam, ob sich Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene mit einer generalisierten Angststörung von Apps einen Nutzen versprechen können. Etwa, wenn nachgewiesen werden könnte, dass die Anwendung dazu führt, dass Betroffene weniger psychische und körperliche Beschwerden haben, ihren Alltag besser bewältigen können oder eine höhere Lebensqualität haben.

Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

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