ErnährungszahnmedizinKaries, Parodontitis und Ernährung

98 % der Deutschen leiden unter Karies, 50 % der Erwachsenen unter Parodontitis. Zucker zu meiden hilft - in der Prävention und Therapie.

Illustration: Zahn umgeben von Bakterien
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Der moderne Lebensstil verändert den Biofilm im Mundraum. Dazu trägt die Ernährung erheblich bei.

Studien zeigen, dass die Ernährung zentralen Einfluss auf Karies und Zahnfleischentzündungen hat. Wer sich vollwertig ernährt, sorgt für Zahngesundheit sowie Allgemeingesundheit und ein besseres Befinden.

Prof. Johan Wölber, Professor für Parodontologie am Universitätsklinikum Dresden, beschäftigt sich schon länger mit dem Thema Ernährung und Zahn-/Zahnfleischerkrankungen. Er plädiert für eine neue Rolle der Zahnmedizin zur Prävention, Ernährungsberatung und einem ganzheitlichen Ansatz.

Zahnärzt*innen sind mitunter die ersten, die Vorzeichen einer falschen Ernährung erkennen. Denn übermäßiger Zuckerkonsum schädigt zuerst die Zähne. Allein in Deutschland leiden 98 Prozent der Menschen unter Karies, 50 Prozent der Erwachsenen unter Parodontitis. „Und das obwohl 95 Prozent der Menschen regelmäßig Zähneputzen“, sagt Prof. Johan Wölber, Professor für Parodontologie am Universitätsklinikum Dresden.

Zähneputzen allein reicht nicht aus

Haben Sie schon mal einen Affen mit einer Zahnbürste gesehen? Mit dieser Frage bringt Wölber sein Anliegen auf den Punkt: Karies oder Probleme mit der Zahngesundheit kommen bei Tieren in freier Wildbahn im Vergleich zu Menschen viel seltener vor. Nur der Mensch putzt seine Zähne regelmäßig, hat dafür aber dennoch übermäßig oft Probleme mit Karies, Parodontitis sowie Zahnfleischentzündungen. Das Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta hat - richtig angewandt - schon einen guten Effekt gegen Karies und Zahnfleischerkrankungen.

Allerdings scheint die Ernährung als grundlegender Einflussfaktor einen deutlich höheren Anteil an der Zahngesundheit zu haben. Archäologische Funde aus der Zeit vor der Sesshaftwerdung der Menschen (vor ca. 20.000 Jahren) belegen, dass es trotz „fehlender“ Mundhygiene dennoch gesunde Zähne gegeben hat. „Seitdem haben sich die Bedingungen für die Ernährung der Menschen grundlegend geändert. Das war gesundheitlich sowohl für den Mund als auch den ganzen Körper nicht förderlich“, sagt Wölber.

Bevor Menschen Diabetes mellitus Typ 2 entwickeln oder Bluthochdruck bekommen, haben sie häufig Karies und Zahnfleischerkrankungen. Diese Erkenntnis gibt der Zahnmedizin eine komplett neue Aufgabe. Es geht nicht mehr nur darum, Zahngesundheit zu erhalten, sondern Patient*innen auch für eine vollwertige Ernährung zu gewinnen.

Weniger Zucker, mehr Ballaststoffe

Zucker spielt eine entscheidende Rolle. Der Verzicht auf Zucker kann bakterielle Infektionen des Mund- und Rachenraumes sowie viele weitere Entzündungen im Körper erheblich vermindern.

  • Nach Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollten Menschen maximal 25 Gramm Zucker pro Tag zu sich nehmen. Die Realität sieht anders aus: Im Schnitt essen Menschen in Deutschland 93 Gramm Zucker pro Tag.
  • Genau andersherum ist es bei den Ballaststoffen. Empfohlen sind 30 Gramm, konsumiert werden im Schnitt nur 19 Gramm. Wild lebende Populationen kommen Schätzungen zufolge auf 120 Gramm.

Der Parodontologe empfiehlt: "Letztendlich geht es um eine Ernährung, wie sie ursprünglich, evolutionär für uns vorgesehen war:

  • keine industriell verarbeiteten Lebensmittel,
  • saisonales Obst und Gemüse,
  • kein Zucker aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben, sondern nur solcher, der in Obst und Früchten natürlicherweise vorkommt,
  • Vollkornprodukte,
  • kaum Fleisch,
  • eine pflanzenbasierte Vollwertkost."

Ziel sei nicht, dass bei vollwertiger Ernährung die Zahnbürste aus dem Badezimmer verschwindet. Sondern: durch angepasste Ernährung die Gesundheit zu fördern und Krankheiten zu vermeiden. Die Mundhygiene bietet dann einen weiteren Schutzfaktor.

Verzicht auf Zucker - weniger Karies und Zahnfleischentzündungen

Untersuchungen haben gezeigt: Zuckerkonsum trägt auch zur Entstehung einer Gingivitis bei und ist mit mehr Parodontitis assoziiert.

Interventionsstudien, die eine Zuckervermeidung der Proband*innen beinhalteten, konnten sogar trotz gleichbleibendem oder vermehrtem Zahnbelag eine Reduktion der Zahnfleischentzündung zeigen.

Den ganzheitlichen Ansatz zur Prävention von Erkrankungen durch eine vollwertige Ernährung konnte Wölber mit weiteren Studien belegen: Probanden, die z.B. 4 Wochen auf Zucker verzichten, zeigten ein geringeres Risiko für Karies und deutlich weniger Zahnfleischentzündungen.

Ausblick

Im kommenden Jahr soll ein Positionspapier der Bundeszahnärztekammer dazu erscheinen. Zudem hat Wölber jüngst die D-A-CH-Gesellschaft für Ernährungszahnmedizin e.V. gegründet, zu dessen Gründungspräsident er gewählt wurde. Ziel ist eine neue Ausrichtung des Berufs von Zahnärzt*innen.

Dies fängt schon in der Ausbildung an. In Dresden sollen Studierende der Zahnmedizin für das Thema begeistert werden. Inhalt ist es, wie Patient*innen die Vorteile einer vollwertigen Ernährung vermittelt werden können.

Quelle:  Uniklinikum Dresden