Die aktualisierte S2k-Leitlinie zur kutanen Lyme Borreliose empfiehlt:
- Antibiotika nach Zeckenstichen abwägend einsetzen.
- Bei typischer Wanderröte früh Antibiotika einsetzen.
Da nur ein kleiner Teil der mit Borrelien Infizierten erkrankt, raten die Expert*innen der Leitlinie davon ab, vorbeugend Antibiotika zu geben. Tritt jedoch das typische Symptom Erythema migrans in der Umgebung des Zeckenstiches auf, soll auch ohne Blutuntersuchung oder bei noch fehlendem Antikörpernachweis im Blut bereits eine Antibiotikabehandlung begonnen werden.
Der frühzeitige Einsatz von Antibiotika vorzugsweise mit Doxycyclin (bei Kindern erst ab dem 9. Lebensjahr) oder Amoxicillin könne andere Organmanifestationen und Spätschäden (Gelenke, Nervensystem) verhindern.
Was tun bei Zeckenstich?
Schutz vor Zeckenstichen
- Lange, helle Kleidung tragen.
- Insektenschutzmittel (Repellentien) gegen Zecken verwenden. Zum Beispiel Sprays mit Icaridin und Citriodiol, die auch auf die Kleidung aufgetragen werden können. Zecken lauern v.a. im hohen Gras. Also ebenfalls Hosenbeine, Socken und Schuhe einsprühen.
Verhalten nach dem Aufenthalt draußen
- Nach dem Aufenthalt im Freien/im Wald den Körper gründlich nach Zecken absuchen.
- Die Zecke so bald wie möglich entfernen und die Stichstelle desinfizieren. Hilfsmittel: Zeckenpinzetten oder Zeckenkarten
Vorgehen bei Zeckenentfernung
- Je nach Instrument die Zecke langsam mit Geduld aus der Haut ziehen oder schieben.
- Keine Vorbehandlung mit Öl oder Klebstoff.
- Das Quetschen des Zeckenkörpers vermeiden.
- Wenn ein Rest des Stechapparats (Kopf) in der Haut bleibt: Mit einer sterilen Nadel oder Kürette entfernen oder von einem Arzt entfernen lassen.
- Hinsichtlich einer Übertragung von Borrelien ist das Verbleiben des Stechapparats in der Haut unbedenklich.
- Stichstelle und mögliche Veränderungen an der Haut in den nächsten 6 Wochen beobachten. Wenn sich eine Wanderröte (Erythema migrans) zeigt, ärztlichen Rat einholen.
Merkmale der Wanderröte
- mindestens 5 Zentimeter Durchmesser
- kreisrund oder oval
- scharf begrenzt
- langsam von innen nach außen wachsend
- in der Mitte blasser als zum Rand hin
Lyme Borreliose
Die Lyme Borreliose ist eine entzündliche Multisystemerkrankung. Deren Erreger – Borrelia burgdorferi – wird durch Zecken übertragen. Daten in Deutschland lassen auf 60.000 bis etwa 200.000 Erkrankungen pro Jahr schließen.
Borrelien sind Bakterien, die während des Saugaktes der Zecke in die Stichwunde wandern. „Entweder werden die Borrelien sofort durch das körpereigene Immunsystem abgetötet, oder es kommt zu einer lokalen Infektion“, erklärt die Münchner Dermatologin Prof. Heidelore Hofmann. Es erkranke aber nur ein kleiner Teil der Infizierten schwer.
Typischerweise kommt es 3 bis 30 Tage nach dem Zeckenstich zur primären Manifestationsform der Lyme Borreliose, der Wanderröte (Erythema migrans). Begleitend können bei einer Borrelien-Infektion auch grippeähnliche Beschwerden wie Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen, Lymphknotenschwellungen oder Müdigkeit auftreten. Wenn sich die Borrelien im Körper ausbreiten, können sie verschiedene Organe befallen. Vor allem sind Haut, Gelenke und Nervensystem betroffen.
Auch nach Monaten bis zu Jahren nach der Infektion können Spätmanifestationen (Acrodermatitis chronica atrophicans, Lyme-Arthritis, späte Neuroborreliose) auftreten.
„Es ist wichtig, die Einstichstelle bis zu 6 Wochen zu beobachten und die Hautmanifestation richtig zu deuten“, betont Hofmann.
Der Durchmesser des Erythems beträgt mindestens 5 Zentimeter. Es ist randbetont, nicht erhaben, nicht überwärmt und breitet sich zentrifugal um den Zeckenstich herum aus. Im Zentrum des Erythems ist die Zeckeneinstichstelle sichtbar. „Es gibt allerdings auch ein atypisches Erythema migrans, das all diese Anzeichen nicht hat. Selbst Ärzt*innen können es mitunter schwer deuten. Daher sollten diese Patient*innen in die dermatologische Praxis überwiesen werden“, sagt Hofmann.
Diagnostik und Therapie
Die aktualisierte Leitlinie bestätigt in Bezug auf die Diagnostik die bestehende Vorgehensweise:
- Labordiagnostik mit serologischen Methoden, die sich auf spezifische Antikörper im Blut gegen die Borreliose-Erreger konzentrieren.
- Die Stufendiagnostik mit Suchtest und einem Immunoblot als Bestätigungstest bleibt ebenfalls gültig.
Dr. med. Volker Fingerle vom Nationalen Referenzzentrum für Borrelien merkt dazu an: „Serologische Untersuchungen auf Borreliose, also das Aufspüren von Antikörpern im Blutserum, sollen nur bei begründetem klinischem Verdacht veranlasst werden. Es müssen immer die klinischen Befunde und subjektiven Beschwerden der Patientin oder des Patienten mitberücksichtigt werden.“
In Auswertung der aktuellen Literatur für die Leitlinie haben sich keine wesentlichen neuen Therapieänderungen ergeben. Zentral bleibt eine frühzeitige antibiotische Therapie, um andere Organmanifestationen und Spätschäden an Gelenken und Nervensystem zu verhindern. „Im Frühstadium ist die Lyme Borreliose durch die leitliniengerechte Antibiotikatherapie vollständig heilbar. Dadurch werden Spätmanifestationen verhindert“, betont Hofmann. Therapie der ersten Wahl sind Doxycyclin (bei Kindern erst ab 9. Lebensjahr) oder Amoxicillin.
Die Cochrane Netzwerkanalyse zur Therapie des Erythema migrans hat gezeigt, dass neben Doxycyclin und Amoxicillin auch Penicillin V oral eine gleichwertig gute Wirksamkeit hat. Eine slowenische Analyse der Patienten mit Acrodermatitis chronica atrophicans in den letzten 30 Jahren hat ergeben, dass die Häufigkeit konstitutioneller Symptome und Atrophie abnimmt, wahrscheinlich durch die bessere Früherkennung.
Wenn der begründete Verdacht besteht, dass die Person durch ihren Beruf an Lyme Borreliose erkrankte, muss der behandelnde Arzt/die behandelnde Ärztin diesen dem Unfallversicherungsträger anzeigen. Unter der BK-Nr. 3102 werden bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) Zoonosen aufgelistet, also Erkrankungen, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden. „Beschäftigte im Wald- und Forstbereich haben ein erhöhtes Risiko, an einer Lyme-Borreliose zu erkranken“, sagt Fingerle.
Auch wenn sich die Leitlinie, an deren Entstehung 22 Fachgesellschaften und zwei Patienten-Organisationen beteiligt waren, an Ärzt*innen in Praxis und Klinik richtet, die mit der Behandlung der Lyme Borreliose befasst sind, so haben die Autor*innen doch auch die allgemeine Bevölkerung im Sinn.
Die Verbreitung der Lyme-Borreliose ist in Deutschland heterogen. „Es gibt Hochinzidenzregionen beispielsweise in Brandenburg, Thüringen, Sachsen, in Bayern sowie in Sachsen-Anhalt“, so die Wuppertaler Dermatologin Dr. Silke Hofmann. Sie empfiehlt, sich auch vor Urlaubsreisen bei den Gesundheitsämtern der Zielregion zu informieren und ggf. besonders achtsam zu sein.
Quelle: Deutsche Dermatologische Gesellschaft