WechseljahreAbnehmen in den Wechseljahren: Was braucht der Körper?

Gewichtszunahme in den Wechseljahren? Ernährungsmedizinerin Dr. Daniela Oltersdorf erklärt, worauf es jetzt ankommt.

Inhalt
Gefüllte Aubergine mit Couscous, Tomaten, Avocado und Kräutern
M. Bergmann/Thieme

Gemüsereich, mit Vollkorn und am besten ohne Zucker: Die Ernährung sollte in den Wechseljahren angepasst werden.

Viele Frauen stellen mit Mitte/Ende 40 - mit dem Beginn der Wechseljahre - eine plötzliche Gewichtszunahme fest. Sie berichten mir in der Sprechstunde, dass sie essen und sich bewegen wie bisher, aber innerhalb eines Jahres 8 bis 10 Kilo zugenommen haben. Viele der Frauen sind frustiert und möchten eine Beratung, worauf sie in der Ernährung jetzt besonders achten sollten.

Häufige Beratungswünsche in den Wechseljahren

  • Die Frauen möchten wissen, warum sie zugenommen haben. Sie wünschen sich Tipps, wie sie wieder abnehmen und in Zukunft ihr Gewicht halten können.
  • Manche haben bereits selbst bemerkt, dass sich ungesunde Ernährungsgewohnheiten eingeschlichen haben. Zum Beispiel wird mehr gesnackt oder nebenher gegessen.
  • Sie fühlen sich zeitweise unwohl, sind müde, aber gleichzeitig nachts schlaflos.
  • Oft werden Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen, Reizbarkeit oder Gelenkbeschwerden bemerkt.
  • Einige Frauen nehmen Nahrungsergänzungsmittel ein, um mögliche Nährstoffmängel auszugleichen.

Was braucht der Körper in den Wechseljahren?

Betrachten wir zunächst einmal, was unser Körper in den Wechseljahren benötigt. Das lässt sich am besten mit der Berechnung des individuellen Kalorienbedarfs herausfinden. 

Grundumsatz bestimmen

Zunächst ist es wichtig, den eigenen Kalorienbedarf zu kennen. Für den Grundumsatz werden grob gerechnet 24 Kalorien pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag angesetzt. Mit dem Grundumsatz wird der Kalorienbedarf bestimmt, den der Körper in Ruhe benötigt, also wenn man nur im Bett liegt und sonst nichts macht.

Aktivitätsumsatz berechnen

Um den Aktivitätsumsatz zu berechnen, wird der Grundumsatz mit dem eigenen Aktivitätslevel multipliziert. Das Ergebnis entspricht dem sogenannten PAL-Wert (Physical Activity Level). Der PAL-Wert ist abhängig von der alltäglichen Bewegung, der sportlichen Aktivität sowie der beruflichen Anstrengung.

Dazu gehört auch die Non Exercise Activity Thermogenesis (NEAT). Damit wird Bewegung im Alltag bezeichnet, bei der ohne bewusste sportliche Aktivität Kalorien verbraucht werden. Bewegen wir uns mehr, nehmen die Treppe, fahren mit dem Fahrrad oder gehen zum Sport, verbrauchen wir mehr Kalorien. Wir können dann mehr essen oder nehmen schneller ab. Daher lohnt sich Bewegung immer!

BASAROT-Tabelle nach Geschlecht, Alter, BMI

Ich empfehle unbedingt, zusätzlich zum Grund- und Aktivitätsumsatz die BASAROT-Tabelle zur Hand zu nehmen. Damit lässt sich der Energiebedarf individuell bestimmen, da hier auch Geschlecht, Alter und BMI einbezogen werden. Auch die Formel nach Harris und Benedict kann verwendet werden. Dieser persönliche Wert wird dann mit den Aktivitätsfaktor multipliziert.

Hat man seinen aktuellen Kalorienbedarf ermittelt und sich die BASAROT-Tabelle angesehen, wird man feststellen, dass er sich in den letzten 5 Jahren verändert hat. War man vor 5 Jahren noch in der Gruppe der 40- bis 49-Jährigen, ist man jetzt in die Gruppe der 50- bis 59-Jahrigen gerutscht - und braucht täglich gut 200 Kalorien weniger.

Das sind genau die 200 Kalorien täglich, die zu einer Gewichtzunahme von 1 Kilo im Monat führen und pro Jahr 12 Kilo mehr bedeuten können.

Energie in einem Kilo Körpermasse

1 kg Körpermasse entspricht 7000 kcal. Das bedeutet:

  • Spart man täglich 500 kcal ein, hat man nach 14 Tagen 1 kg abgenommen.
  • Bei täglich 233 kcal weniger schlägt 1 kg weniger nach 1 Monat zu Buche.

Manche Frauen berichten mir, dass sie innerhalb von 2 Tagen 2 kg zugenommen haben. Das wären 14.000 Kalorien zusätzlich zum Kalorienbedarf und ist nicht möglich! Diese Gewichtszunahme ist immer auf Wasser zurückzuführen und meist zyklusabhängig.

Gewicht verlieren oder halten in den Wechseljahren

Nach der Errechnung des aktuellen Kalorienbedarfs folgt nun die Anpassung der Lebensmittelauswahl und der Gerichte. Wir müssen sozusagen neu essen lernen.

Kalorienbedarf sinkt mit zunehmendem Alter

Der veränderte Kalorienbedarf mit zunehmendem Alter ist vielen Menschen nicht bewusst. Sie behalten ihre Ernährung unverändert bei. Auch das ist ein Grund, warum die deutsche Bevölkerung im Alter durchschnittlich alle 10 Jahre 6 bis 8 kg zunimmt.

Hinzu kommt: Ab dem 30. Lebensjahr verlieren wir jedes Jahr 1% unserer Muskulatur. Das sind in Summe 20 Prozent zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr!

Weniger Muskulatur bedeutet auch, dass der Kalorienbedarf sinkt. Es ist also besonders wichtig, in Bewegung zu kommen und die Muskulatur zu erhalten.

Ein Blick auf die Ernährung mit Einsetzen der Wechseljahre lohnt auf jeden Fall. Auch für Frauen, die (noch) nicht an Gewicht zugenommen haben:

  • Frauen, die bisher kein oder nur wenig Gewicht zugenommen haben, sollten ihre Ernährungsgewohnheiten überprüfen und möglicherweise anpassen, damit zukünftig kein unnötiges Gewicht zugenommen wird. Ich empfehle auch zu schauen, ob ausreichend Bewegung im Leben vorhanden ist.
  • Frauen, die bereits Gewicht zugenommen haben, möchten meist abnehmen, ein neues Ernährungsverhalten etablieren und ihr Gewicht halten.

4 Bausteine für erfolgreiches Abnehmen

Ein erfolgreicher Gewichtsverlust ist abhängig von diesen 4 Bausteinen:

  • Ernährung
  • Bewegung
  • Verhalten
  • Individuelle Einflüsse und Stoffwechsel

Ernährungs-Tipps aus meiner Praxis

  • 400-500 kcal täglich einsparen. So lassen sich 2-2,5 kg pro Monat abnehmen.
  • Abnehm-Apps wie Yazio sind hilfreich zum Ermitteln der Mahlzeitenkalorien.
  • Nicht zu lange am Stück Diät halten: Der Grundumsatz sinkt reflektorisch, weil sich der Körper im "Hungerstress" befindet und vermehrt Cortisol und Wachstumshormone ausschüttet. Diese wiederum setzen Energie frei, zunächst den Speicherzucker Glykogen. Fettreserven bleiben erhalten. Unter Stress gibt es keine Lipolyse!
  • Ich empfehle z.B.: 4 Wochen Diät, 1 Woche normal essen. Oder 5 Tage unter der Woche reduzieren und am Wochenende normal essen. Aber natürlich nicht hochkalorisch. Achtung Binge Eating! 
  • Nicht zu streng mit sich ins Gericht gehen. Ein kleiner Ausrutscher macht nicht alles zunichte. Das, was wir täglich tun, hat Auswirkungen auf unsere Gesundheit und nicht das, was wir gelegentlich machen!
  • Haushaltszucker oder anderen Zucker rigoros streichen.
  • Auf eine gute Verdauung achten. Regelmäßiger Stuhlgang. Zu den Mahlzeiten nicht übermäßig trinken, vor allem nichts mit Kalorien, da diese nicht sättigen.
  • Gut kauen, langsam und in Ruhe essen. Nur so können sich die Signale zur Sättigung durchsetzen, bevor eine Mahlzeit zu Ende ist. Und diese dauert rund 20 Minuten! Essen wir zu schnell, kommt das Sättigungssignal erst an, wenn wir bereits zu viel gegessen haben. Schlingen und übermäßiges Essen führt zu einer Überdehnung der Magenwand. Essen wir dann „nur noch“ eine Portion, die in etwa der Menge von 2 nebeneinander liegenden Fäusten entspricht, fühlen wir uns ständig leer und haben das Gefühl, es muss noch was rein.
  • Die Dehnung der Magenwand als Informationssignal, dass wir genug gegessen haben, betrifft hauptsächlich Kohlenhydrate. Essen wir Proteine und fetthaltige Speisen, werden beim Kauen im Mund bereits Sättigungssignale ans Gehirn gesendet. Dadurch kommen zum Beispiel bei einer eiweißreichen Mahlzeit, wie einem mageren Putensteak mit Blattgemüse oder ein paar fett- und proteinreichen Nüssen, die Sättigungssignale wesentlich schneller im Gehirn an und wir essen dadurch weniger.
  • Auch im Darm werden bei einer eiweißreichen Mahlzeit länger sättigende Hormone ausgeschüttet als bei einem kohlenhydratreichen Gericht. Das Gefühl, nach einer Mahlzeit noch nicht richtig satt zu sein kommt oft durch fehlende Proteine.
  • Also gut kauen, langsam und in Ruhe essen, damit die Sättigungshormone ihren Dienst tun können. Zudem Kohlenhydrate reduzieren und Proteine erhöhen. Nicht auf Fett verzichten, sondern in Maßen verzehren und auf eine gute Fettverteilung achten.
  • Braucht man zwischendurch einen Snack, sollte dieser eher eiweiß- oder fettreich sein. Das sättigt länger und hebt den Insulinspiegel nicht an. Empfehlenswert sind: ein paar Nüsse oder Mandeln, ein kleines Stück Käse, ein Naturjoghurt oder Quark.
  • 2 Stück Obst am Tag, 3 Portionen Gemüse. Keine Säfte oder Smoothies, da sie keine Ballaststoffe enthalten und nur durchrauschen. Ein Stück Obst kann durch eine Portion Nüsse ausgetauscht werden.
  • Ballaststoffe auf 30 g pro Tag erhöhen. Ballaststoffe verlangsamen die Aufnahme von Glukose ins Blut und verlangsamen den Anstieg des Blutzuckerspiegels. Ballaststoffe sind in Schalen, fasrigem Gemüse und Vollkornprodukten enthalten. Verzehr von Vollkornbrot anstelle von Weißmehlbroten.
  • Gemüsereich essen: Vor allem grünes Blattgemüse enthält gesundheitsförderliche Bitterstoffe. Durch ihre Bitterstoffe empfindet man Süßes als noch süßer und bekommt darauf weniger Lust. Kann man seinen Zuckerkonsum zunächst nicht einschränken, empfehle ich die tägliche Aufnahme von Blattgemüse stark zu erhöhen! Manche meiner Patient*innen nehmen dafür gern Bittertropfen ein.
  • Eine Diät sollte eiweißreich, fettarm und kohlenhydratreduziert sein. Einfache Kohlenhydrate lassen den Blutzucker sehr schnell ansteigen. Daraus resultiert eine Insulinfreisetzung, die den Zucker in Leber und Muskelzellen einschleust, um ihn „wegzupacken“. Bei Fett- oder Eiweißaufnahme kommt es nicht zur Insulinausschüttung, das Zuckerhoch und anschließende Tief fallen weg.
  • Bei bestehenden Unverträglichkeiten die verdächtigen Lebensmittel 4 Wochen lang weglassen. Es gibt Lebensmittel, deren Bruchstücke (Teile vom Casein und Gluten) im Gehirn an Opioidrezeptoren andocken können, nach denen sind wir quasi „süchtig“ sind. Also Lebensmittel, bei den Sie das Gefühl haben, dass wir sie auf keinen Fall weglassen könnten. Und gerade diese sind oft problematisch!

Bewegung nicht vergessen!

Durch mehr Bewegung erhöhen sich der PAL-Wert und der Kalorienverbrauch. Bei einer Diät empfiehlt sich generell eine Sportart, die dem Abbau von Muskulatur entgegenwirkt. Unser Körper benötigt auch in "Hungerphasen" Kalorien. Sobald die Glykogenspeicher leer sind, baut der Körper zunächst Muskulatur ab, bevor er an die Fettreserven geht. Zudem lassen sich Aminosäuren leichter aus dem Muskel freisetzen als selbst herstellen. Daher sollte eine Diät zusätzlich eiweißreich sein.

Auch der Energieverbrauch durch alltägliche Bewegung, die nicht als Sport durchgeführt werden (NEAT), sollte im Auge behalten werden!

Lesen Sie in Teil 2 kommende Woche, wie Verhalten und Emotionen die Gewichtszunahme in den Wechseljahren fördern können und: Was Sie dagegen tun können.

Dr. med. Daniela Oltersdorf ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Ernährungsmedizinerin und Buchautorin. Sie ist in eigener Praxis in Calw mit dem Schwerpunkt Ernährungsmedizin niedergelassen.

www.ernaehrungsmedizinoltersdorf.de

Instagram: @fraudoktor_o