Glutenfreie ErnährungErnährungstherapie bei Zöliakie

Zöliakie oder Glutenintoleranz? Dr. Daniela Oltersdorf erklärt, wie die Diagnose gestellt und welche Ernährungsbesonderheiten umgesetzt werden müssen.

Inhalt
Glutenfreie Muffins, Mandeln und Mandelmehl
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Bei Zöliakie muss lebenslang eine glutenfreie Ernährung beibehalten werden. Zum Kochen und Backen gibt es jedoch zahlreiche glutenfreie Alternativen.

Die Zöliakie zählt zu den entzündlichen Autoimmunerkrankungen. Beim Verzehr von glutenhaltigen Lebensmitteln kommt es zu einer Autoimmunreaktion des Organismus auf Gluten, die speziell den Dünndarm angreift. Folge sind entzündliche Veränderungen der Dünndarmschleimhaut und die Produktion zöliakie-typischer Antikörper.

Bei einer Glutenintoleranz reagiert der Darm mit ähnlichen Symptomen wie bei der Zöliakie auf Gluten. Allerdings ohne Veränderungen der Dünndarmschleimhaut.

Prävalenz der Zöliakie

Die Häufigkeit der Zöliakie wird auf 1% der Bevölkerung geschätzt. Viele Fälle werden sehr wahrscheinlich nicht diagnostiziert, da oft unspezifische oder keine Symptome auftreten. Daher leben betroffene Personen ohne oder mit anderen Diagnosen wie "Reizdarm". Besonders ausgeprägt ist die Empfindlichkeit bei Menschen nordeuropäischer Abstammung.

Zöliakie kann in jedem Alter auftreten, meist aber im 1. Lebensjahr oder im Alter zwischen 35 und 45 Jahren. Sie bleibt lebenslang bestehen. Die Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität ist verbreiteter und in Deutschland sind etwa 30 Prozent betroffen. Vermutlich sind neben Gluten auch andere Getreidebestandteile wie Amylase-Trypsin-Inhibitoren für die Symptome verantwortlich.

Ursachen

Die Zöliakie wird durch eine fehlerhafte Antwort des Immunsystems auf das Getreideprotein Gluten hervorgerufen. Gluten ist ein wichtiges Speicherprotein unserer heimischen Getreidearten, die wir gerne verzehren, nämlich Weizen, Dinkel, Gerste, Roggen und Grünkern.

Gluten enthält besonders viele Aminosäurensequenzen von Glutamin und Prolin. Unser Darm verfügt über kein Enzym, das diese Bindung spalten könnte. Die verbleibenden Glutenbruchstücke haben im Darm durch ihre Länge eine immunologische Wirkung. Sie werden im Darm durch die Schleimhaut aufgenommen und durch ein Gewebsenzym so verändert, dass sie bei Zöliakie-Patienten*innen eine Immunantwort auslösen. Wie bei einem Antigenkontakt, führt dies zu einer Ausschüttung von Entzündungsstoffen und zur Bildung von spezifischen Antikörpern. Diese Entzündungsstoffe schädigen die Darmschleimhaut, sodass es im Laufe der Zeit zu den zöliakie-typischen Schleimhautveränderungen kommt.

Dazu zählen:

  • Zottenabflachung
  • Vertiefung der Krypten
  • vermehrte Infiltration von Lymphozyten

Die Schleimhautveränderungen bei Zöliakie führen zu einer reduzierten Nährstoffaufnahme.

Um eine Zöliakie zu entwickeln, ist die genetische Veranlagung (HLA-DQ2 und /oder HLA-DQ8) nötig. Deshalb tritt sie familiär gehäuft. Obwohl über 98% der betroffenen Personen auf diese Merkmale getestet werden, kann von einem positiven Gentest noch kein Rückschluss auf die Erkrankung gezogen werden.  Fast 1/3 aller Personen in unserer Bevölkerung tragen eines der Merkmale, davon erkranken jedoch nur 2% an Zöliakie.

Symptome

Bei vielen Betroffenen bestehen keine Symptome. Oder sie werden nur durch ein Screening diagnostiziert. Daher ist ein Ernährungsprotokoll sehr wichtig. So lassen sich die Bauchschmerzen auf Brötchen und Nudeln zurückführen, während ein Kartoffel- oder Reis-Gericht keine Beschwerden verursacht.

Bei einer Zöliakie zeigen sich Beschwerden wie Durchfall, Verstopfung, Blähungen, Bauchkrämpfe und gelegentlich sogar Darmblutungen. Sie wird, im Unterschied zur Glutensensitivität, zusätzlich von einer Veränderung der Darmzotten begleitet. Das kann eine Mangelernährung zur Folge haben. Daher tritt bei betroffenen Kindern eine Gedeihstörung ab dem Zeitpunkt der Zufütterung mit Getreidebreien auf.

Zudem werden allgemeine Symptome wie Kopfschmerzen, Unwohlsein, Müdigkeit und Nervosität beschrieben. Des Weiteren können erhöhte Leberwerte oder ein erniedrigter Eisenspiegel als einziges Symptom auf eine Zöliakie hinweisen.

Auch bei einer Glutensensitivität können Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Zusätzlich leiden die Betroffenen an Müdigkeit, Konzentrationsmangel, Kopfschmerzen, Hautreizungen sowie Muskel- und Gelenkbeschwerden.

Diagnostik

Die Diagnose einer Zöliakie wird unter einer regelmäßigen und ausreichenden Glutenzufuhr gestellt durch:

  • eine Anamnese (ein Ernährungsprotokoll kann sehr hilfreich sein)
  • einer klinischen Untersuchung
  • dem Nachweis von spezifischen Antikörpern (tTG-IgA-AK sowie EmA-IgA-AK)
  • sowie dem Nachweis von Dünndarmschädigungen mittels Biopsie bei einer Magen-Spiegelung
  • das Ansprechen auf eine glutenfreie Ernährung sichert schlussendlich die Diagnose

Wurde bereits eine glutenfreie Ernährung praktiziert, kann eine sichere Diagnose erst nach einer Glutenbelastung gestellt werden!

Ungeeignet zur Diagnostik sind Stuhl-, Speichel- und Schnelltests sowie eine Antikörperbestimmung gegen Gliadin oder Weizenkeim-Agglutinin. Bei Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre besteht bei einer sehr hohen zöliakie-spezifischenen Antikörperkonzentration die Möglichkeit, auf eine Biopsie zu verzichten.

Alle 6 Monate sollten ärztliche Verlaufskontrollen durchgeführt werden, bis sich die Antikörper normalisiert haben.

Ist die Diagnose einer Zöliakie nach leitliniengerechter Diagnostik gestellt, sollte auf eine glutenfreie Ernährung umgestellt werden. Wird kein Gluten mehr verzehrt, normalisiert sich die Darmschleimhaut.

Bei der Glutenintoleranz reagiert der Körper auf Gluten, indem er Botenstoffe für Entzündungsreaktionen ausschüttet auf die das Immunsystem mit der Ausschüttung von Entzündungsstoffen reagiert. Leidet das Gewebe, in diesem Fall der Dünndarm, können bei Glutenunverträglichkeit zusätzlich auch eine sekundäre Laktose- oder eine Fructosemalabsorption auftreten.

Therapie: Glutenfreie Ernährung

Die Therapie bei Zöliakie wie auch bei Glutensensitivität besteht darin, die unverträglichen Nahrungsmittel wegzulassen.

  • Bei der Zöliakie können sich bei der Einhaltung einer glutenfreien Diät die Dünndarmveränderungen wieder zurückbilden. Diese Diät muss jedoch lebenslang praktiziert werden. Aber auch mit ihr ist eine vollwertige und abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl möglich! Da es manchmal zu einem Nährstoffmangel kommt, kann unter anderem eine Substitution von Eisen, Kalzium, Zink, Vitamin B12, Folat oder Vitamin D nötig sein.
  • Im Unterschied zur Zöliakie verändern sich bei der Glutensensitivität die Dünndarmzotten nicht. Der seltene Verzehr von Lebensmitteln mit Gluten bekommen dem Darm zwar nicht gut, sie verändern ihn jedoch nicht nachteilig.

Glutenfreie Ernährung bei Kindern und Jugendlichen

Je älter die Kinder werden, umso mehr interessieren sie sich für neue Speisen und Lebensmittel. Sie möchten etwas ausprobieren, insbesondere wenn sie mit Freunden zusammen sind. Das kann zu Ernährungsfehlern führen, die dann Beschwerden verursachen. Betroffene Kinder fühlen sich oft ausgeschlossen oder benachteiligt, wenn sie Dinge nicht essen dürfen, die der Rest der Familie oder Freunde verzehren. So kann es hilfreich sein, wenn die ganze Familie über eine glutenfreie Ernährung informiert ist.

Während der Pubertät nimmt die Sensibilität gegenüber Gluten oftmals ab, sodass Betroffene bei Diätfehlern nicht sofort Symptome entwickeln.

Worin steckt Gluten und sollte vermieden werden?

Gluten ist enthalten in:

  • Getreide (Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel, Grünkern, Emmer, Urkorn, Kamut, Triticale)
  • Getreideprodukten (Bulgur, Couscous, Grieß, Backwaren)
  • Hafer ist zwar glutenfrei, in Haferflocken kann aber verarbeitungstechnisch bedingt Gluten enthalten sein (z.B. neben dem Haferfeld wird Weizen angebaut).
  • Es steckt darüber hinaus in Brühwürfeln, Süßigkeiten, Saucen, Nahrungsergänzungen, "natürlichen" Aromen, Speisestärke, Cocktails, Stabilisatoren, Wurstwaren, Speiseeis, Suppen und Kosmetika.

Es muss ganz genau auf die Inhaltsangaben auf Lebensmitteln geachtet werden. Laut der europäischen Lebensmittel-Informationsverordnung müssen Zutaten, die häufig allergische oder andere Unverträglichkeitsreaktionen auslösen, gekennzeichnet werden.

Was ist erlaubt?

Glutenfreie Getreide oder Stärkelieferanten sind Amarant, Buchweizen, Chiamehl, Erdmandeln, glutenfreie Haferflocken, Hanfmehl, Hirse, Kartoffeln, Kokos, Mais, Maronen, Quinoa, Reis, Süßkartoffeln, Tapiokastärke, Teff sowie Mehle aus Nüssen wie Mandeln, Paranuss, Pistazien, Macadamia etc.

Außerdem erlaubt sind Obst, Gemüse, Milch, naturbelassene Milchprodukte wie Quark, Joghurt, Fleisch, Fisch, Eier, Nüsse, Pflanzenöle, Butter, Margarine und Zucker.

Bei einer Sensitivität sind Nudeln aus Hartweizengrieß oft besser verträglich als jene aus Weichweizengrieß.

Praxistipps: Glutenfrei backen und kochen

  • Saucen können Sie mit Kartoffel- oder Maisstärke binden und eine Mehlschwitze lässt sich mit Reismehl herstellen.
  • Grießspeisen schmecken auch aus Hirse oder Reis köstlich.
  • Für Panaden bieten sich Cornflakes, Mandelblättchen, Kokosraspel oder Maismehl an.
  • Für Pfannkuchen und Waffeln können glutenfreie Mehlmischungen verwendet werden (z.B. aus 200 g Reismehl, 200 g Hirsemehl, 100 g Kartoffel- oder Tapiokastärke und 5 g Xanthan oder Ei zum Binden).
  • Für herzhaftes Brot und Brötchen lässt sich ein Teig aus 200 g Buchweizenmehl, 200 g Reismehl, 100 g Hirsemehl und 5 g Xanthan herstellen.
  • Speziell für das glutenfreie Backen eignen sich Reis-, Kartoffel-, Buchweizen-, Hanf-, Teff-, Lupinen- und Maronenmehl.
  • Beim glutenfreien Backen braucht man einen Kleber oder ein geeignetes Bindemittel. Es können Eier verwendet werden oder Kleber wie Xanthan, Guarkernmehl oder Johannisbrotkernmehl. Man kann auch versuchen, mit Flohsamenschalen, Chia-Samen oder Leinsamen den Teig zu binden.
  • Weitere verträgliche Stärkelieferanten sind: Hirse, Erdmandel und Quinoa.
  • Reis und glutenfreie Haferflocken sind sehr bekömmlich und auch hier gibt es viele verschiedene Sorten! Alles gibt es als Korn, schon gemahlen, als Flakes oder teilweise gepufft und bieten so Abwechslung und auch Müslis sind damit möglich.

Auf Kontamination im Alltag achten

Um Kontaminationsmöglichkeiten im Alltag zu vermeiden, müssen glutenhaltige Speisen von glutenfreien getrennt zubereitet werden. Arbeitsgeräte, Arbeitsflächen oder Küchenutensilien müssen gründlich gereinigt werden oder sind doppelt anzuschaffen. So zum Beispiel Toaster, Brotdose, Schneidebretter.

Ergibt 1 Schüssel

Zubereitungszeit 15 Min. + Kochzeit 20 Min.

Zutaten
  • 1 kg festkochende Kartoffeln
  • 250 ml Gemüse- oder Rinderbrühe (am besten selbst gemacht)
  • 2 EL Apfelessig
  • 5 EL Rapsöl
  • 2 TL Senf
  • 1 weiße Zwiebel
  • ½ Bund Schnittlauch
  • Salz, Pfeffer
Zubereitung
  • Die Kartoffeln waschen und in einem Topf 20 Min. garen. Die Kartoffeln pellen, etwas abkühlen lassen und in 5 mm breite Scheiben schneiden.
  • Die Brühe erhitzen, mit Essig, 4 EL Öl, Senf, Salz und Pfeffer verrühren und über die Kartoffeln gießen.
  • Die Zwiebeln schälen, fein würfeln und in einer Pfanne mit 1 EL Öl andünsten. Zum Salat geben und gut durchmischen.
  • Den Schnittlauch waschen, in feine Röllchen schneiden und zum Salat geben.

Tipp: Den Kartoffelsalat vorbereiten und erst 4-6 Std. später essen. So entwickelt sich in den Kartoffeln resistente Stärke, die unseren Darmbakterien als Futter dient.

  1. Bischoff SC. Zöliakie. In: Biesalski HK, Bischoff SC, Pirlich M et al. Ernährungsmedizin. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018: 865-867
  2. Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Infothek "Essen und Trinken bei Zöliakie". DGE 2024
  3. Deutsche Zöliakie-Gesellschaft: DZG Medizin. 6. Aufl. 2019
  4. Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Hrsg. DGE Beratungsstandards. Bonn: DGE; 2023
  5. Hauner H, Beyer-Reiners E, Bischoff G et al. Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKuP). Aktuel Ernährungsmed 2019; 44: 384-419
  6. www.zoeliakie.or.at
  7. www.zoliakie.ch
  8. www.zöliakie-verstehen.de

Dr. med. Daniela Oltersdorf ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Ernährungsmedizinerin und Buchautorin. Sie ist in eigener Praxis in Calw mit dem Schwerpunkt Ernährungsmedizin niedergelassen.

www.ernaehrungsmedizinoltersdorf.de

Instagram: @dr.danielaoltersdorf