ChemobrainGinkgo: Hilfe bei kognitiven Einbußen nach Chemotherapie?

Der Leidensdruck bei Chemobrain ist groß. Ginkgo scheint eine aussichtsreiche therapeutische Option, die bisherige Forschung ist aber noch nicht aussagekräftig.

Ginkgo: Zweig mit Blättern
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Ginkgo biloba.

Menschen, die im Rahmen einer Krebserkrankung mit einer Chemotherapie behandelt werden, berichten oft von kognitiven Einbußen. Es fallen ihnen die richtigen Worte im Gespräch nicht ein. Es fällt ihnen schwer sich zu konzentrieren oder sie sind vergesslich. Einfache Denkaufgaben überfordern sie plötzlich, das Lernen fällt ihnen schwer. 

Treten solche Einschränkungen im Zusammenhang mit einer Chemotherapie auf, spricht mach auch von Chemobrain. Sie sind den potenziell schädigenden Einflüssen von Chemotherapeutika auf Nervenzellen geschuldet. Die Beschwerden können vorübergehend auftreten, aber auch langanhaltend sein. Betroffene sind meist sehr verunsichert und in ihrer Lebensqualität eingeschränkt.

Vergleichbare Beschwerden müssen bei einer Krebserkrankung nicht durch eine Chemotherapie bedingt sein, auch andere Ursachen sind möglich. So können die Krebserkrankung begleitende Depressionen, Ängste, Erschöpfung oder Schlafmangel ebenfalls zu kognitiven Beeinträchtigungen führen.

Achtung! Jede Verringerung der kognitiven Leistung während einer Krebstherapie sollte in einem ärztlichen Gespräch erwähnt werden. In der Folge kann diagnostisch die Ursache ermittelt und eine zielgerichtete Therapie angestrebt werden. 

Ginkgo: Booster für das Gehirn

Bis heute gibt es keine evidenzbasierte Maßnahme, die vor Chemobrain schützt. Auch die Therapie ist schwierig. Die Naturheilkunde bietet ein paar Optionen, die helfen könnten. Eine davon stammt aus der Phytotherapie und ist eine Anwendung aus Zubereitungen des Ginkgobaums (Ginkgo biloba).

Ginkgo kann unsere mentale Leistung steigern, unter den Pflanzen mit diesem Wirkprofil ist er eine der bekanntesten. Seine Wirkstoffe zeigten in Studien eine Verbesserung der Durchblutung des Gehirns und der Versorgung der Nervenzellen mit Glukose.

Außerdem fördern Ginkgowirkstoffe, allen voran seine Flavonoide, Studien zufolge die Leistung von Nervenzellen unter Belastung, da sie freie Radikale abfangen. Eine Überlastung mit freien Radikalen kann zu Ermüdung und Konzentrationsschwierigkeiten führen. Das ist besonders bei der Chemotherapie von Belang, da diese Behandlungsmethode viele freie Radikale freisetzt.

Über 20 klinische Studien zeigen positive Effekte von Ginkgopräparaten bei unterschiedlichen Demenzerkrankungen [1]. Gingkopräparate können laut Monografien von ESCOP, Kommission E und HMPC zur Verbesserung altersbedingter kognitiver Einschränkungen und zur symptomatischen Behandlung von leichten bis mittelschweren Demenzen eingesetzt werden. Arzneimittel auf Ginkgobasis können in Deutschland bei leichter Demenz sogar von der Kasse erstattet werden. 

Ginkgo bei Chemobrain?

Auch bei kognitiven Einschränkungen von Krebspatient*innen wird der Einsatz von Ginkgo immer wieder getestet und diskutiert. Die 2024 überarbeitete S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften erwähnt zwar Ginkgo als Option bei kognitiven Beeinträchtigungen. Die Autor*innen der Leitlinie sehen aber noch keine ausreichende Studienlage für eine Empfehlung. Klinische Forschung liege zwar vor, sei aber noch nicht aussagekräftig genug. 

Keine positiven Auswirkungen von Ginkgo auf Chemobrain verzeichnete eine 2012 veröffentlichte amerikanische Studie, an der 226 Krebspatientinnen mit Chemotherapie-bedingten kognitiven Einschränkungen teilnahmen. Die Hälfte davon bekam ein Ginkgo-Präparat, die anderen ein Placebo [3]. Die Autoren der Studie geben an, dass vielleicht eine höhere Dosierung des Ginkgo-Präparats andere Ergebnisse geliefert hätte. In der Studie erhielten die Probandinnen zweimal täglich 60 mg eines Ginkgo-Spezialextrakts.

Trotz dieses Ergebnisses sind die Hoffnungen weiterhin groß, dass Ginkgo Chemobrain und die Toxizität von Chemotherapien lindern könnte. Darauf verweisen Ergebnisse aus der Grundlagenforschung und eine kleine Pilotstudie mit 15 Probanden, in der Ginkgo die Nebenwirkungen eines Chemotherapeutikums reduzierte [4]. 

Vor der Anwendung unbedingt beachten!

Zu einer Empfehlung von Ginkgo bei Chemobrain liegen laut der oben zitierten Leitlinie zwar noch keine ausreichende Studiendaten vor. Trotzdem kannst Du den Einsatz von Ginkgo-Präparaten mit Deinem Arzt besprechen, wenn es im Rahmen einer Chemotherapie zu Symptomen eines Chemobrain kommt. Von einer Einnahme in Eigenregie rate ich dringend ab, besonders da bei einer Krebsbehandlung das komplexe Zusammenspiel verschiedener Therapieformen berücksichtigt werden muss.

Achtung! Von der Anwendung von Ginkgo-Blättern als Teedroge ist aufgrund möglicher toxischer Substanzen wie Methylpyridoxin abzuraten. Stattdessen sollten Ginkgo-extrakthaltige Arzneimittel zum Einsatz kommen – aber nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt!

Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind bis heute zwar nicht bekannt, diskutiert wird aber immer wieder eine mögliche Verstärkung von Arzneistoffen durch Ginkgo, die die Blutgerinnung hemmen. Ferner sollten Ärzte bei geplanten Operationen über die Einnahme von Ginkgo unterrichtet werden. 

Als Nebenwirkungen können unter einer Ginkgo-Anwendung sehr selten leichte Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen oder allergische Hautreaktionen auftreten.  

Und zum Schluss

Chemobrain ist eine ernsthafte Nebenwirkung der Krebstherapie, die die Lebensqualität von Betroffenen stark einschränken kann. Der Wunsch nach Abhilfe ist groß. Die Phytotherapie bietet einige mögliche pflanzliche Optionen, von denen Ginkgo die aussichtsreichste zu sein scheint. Eine bisherige Studie konnte leider keinen positiven Effekt zeigen. Es wäre daher wünschenswert, dass weitere Forschung untersucht, ob Ginkgo vielleicht in einer höheren Dosierung hilfreich sein könnte. 

Solltest Du an einem Chemobrain leiden, kannst Du den möglichen Einsatz von Ginkgo mit Deinem Arzt besprechen. Daneben solltest Du weitere ganzheitliche Optionen in Betracht ziehen, die in gemäß der oben erwähnten Leitlinie eine bessere Studienlage vorweisen. Dazu zählen Yoga, Akupunktur und Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction – MBSR) [2]. 

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

  1. Savaskan E, Mueller H, Hoerr R et al. Treatment effects of Ginkgo biloba extract EGb 761® on the spectrum of behavioral and psychological symptoms of dementia: meta-analysis of randomized controlled trials. Int Psychogeriatr 2018; 30: 285-293
  2. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen, Kurzversion 2.0, 2024, AWMF-Registernummer: 032-055OL https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/komplementaermedizin/;  Zugriff am 03.12.2024
  3. Barton DL, Burger K, Novotny PJ et al. The use of Ginkgo biloba for the prevention of chemotherapy-related cognitive dysfunction in women receiving adjuvant treatment for breast cancer, N00C9. Support Care Cancer 2013; 21: 1185-92. DOI: 10.1007/s00520-012-1647-9
  4. Dias MA, Sampaio AL, Venosa AR et al. The chemopreventive effect of Ginkgo biloba extract 761 against cisplatin ototoxicity: a pilot study. Int Tinnitus J. 2015; 19: 12-19. DOI: 10.5935/0946-5448.20150003

Heilpraktiker mit dem Therapieschwerpunkt Phytotherapie

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