
Salbei (Salvia officinales) hat antioxidative Eigenschaften und könnte unsere kognitiven Leistungen fördern.
Kennst Du die Abenteuer des Odysseus? Dann erinnerst Du Dich vielleicht an Kirke. Die Magierin bewirtete ein paar der Männer des Odysseus mit einem reichlichen Mahl. Nur hatte sie dieses mit einem Pflanzengift gestreckt, woraufhin die Getäuschten Orientierung und Gedächtnis verloren. Sie vergaßen, wer sie waren, und tobten in ihrem Wahn als Schweine auf dem Anwesen von Kirke.
Im antiken Griechenland war es durchaus üblich, den Wein mit psychedelischen Kräutern aus der Familie der Nachtschattengewächse zu strecken. Davon gibt es in dieser Familie einige, zum Beispiel in den Gattungen der Stechäpfel (Datura), der Tollkirschen (Atropa), der Alraunen (Mandragora) oder der Bilsenkräuter (Hyoscyamus). Deren Alkaloide haben vergleichbare Wirkungen. Sie wirken anticholinerg, das heißt: Sie hemmen im zentralen Nervensystem die Wirkung des Acetylcholins, eines unserer wichtigsten Botenstoffe. Acetylcholin sorgt dafür, dass Du aufmerksam und konzentriert diesen Beitrag lesen und Dich später an Einzelheiten erinnern kannst.
Aufgrund der in der Odyssee – dem Buch über die Irrfahrten des Odysseus – geschilderten Symptome liegt es nahe, dass auch Kirke zu Nachtschattengewächsen griff [1]. Sie hatte wohl keine besonders guten Motive, um die Männer zu vergiften. Anders sieht es bei heutigen Wissenschaftlern aus. Diese geben Tieren Nachtschattenalkaloide, um dann die Wirksamkeit von Alzheimer-Medikamenten zu testen.
Salbei in der Alzheimer-Forschung
Anticholinerge Wirkstoffe sorgen für eine vorübergehende Demenz, nicht nur bei den Männern der Odyssee, sondern auch bei Tieren. Dies macht man sich in der Alzheimer-Forschung zunutze. Versuchstiere büßen in Studien durch anticholinerge Nachtschattenalkaloide wie Scopolamin ihr Gedächtnis ein. Danach wird getestet, welche Substanz diesen Gedächtnisverlust bessert. Besonders aussichtsreiche Substanzen werden dann in der Alzheimer-Forschung weiter untersucht. Bei der Alzheimer-Erkrankung könnten nämlich Stoffe, die die Wirkung des Acetylcholins fördern, hilfreich sein und dem Gedächtnisverlust entgegenwirken. Auch das Erinnerungsvermögen von Gesunden könnte von einer Stärkung des Acetylcholin-Stoffwechsels profitieren.
Auch viele Naturstoffe und Arzneipflanzen werden an durch Nachtschattenalkaloide dementen Labortieren getestet. Darunter auch viele Salbeiarten, schließlich zählen sie seit der Antike als probate Mittel für ein leistungsstarkes Gedächtnis. Von den Salbeiarten schnitt in Studien der Echte Salbei (Salvia officinalis) am besten ab. Seine Rosmarinsäure hemmte das Acetylcholin-abbauende Enzym Acetylcholinesterase [2]. Dessen Hemmung sorgt dafür, dass mehr freies Acetylcholin im zentralen Nervensystem verfügbar ist. Das wiederum kann der temporären Demenz von Labortieren entgegenwirken und könnte auch uns beim Erinnern und Konzentrieren helfen.
Auch die antioxidativen Eigenschaften des Salbeis dürften unsere kognitiven Leistungen fördern, seine Bestandteile wie Carnosol oder Kaffeesäure binden freie Radikale im zentralen Nervensystem [3]. Freie Radikale entstehen dort, wenn wir uns intensiv geistig beschäftigen, zum Beispiel bei längerer Arbeit am Bildschirm. Sie stören die Funktion von Nervenzellen, was dazu führt, dass wir ermüden und uns geistig nicht mehr fit fühlen. Auch unser Erinnerungsvermögen kann unter der Belastung durch freie Radikale leiden.
So könnte Salbei zur Gedächtnisstärkung helfen
Alle oben erwähnten Bestandteile des Salbeis – Carnosol, Kaffeesäure und Rosmarinsäure – haben etwas gemeinsam: Sie sind gut wasserlöslich. Das heißt, sie können gut bei einer Teezubereitung gelöst werden. Salbeitee könnte deshalb zum Beispiel bei intensivem geistigem Arbeiten oder beim Lernen von Vorteil sein.
Salbei-Tee
Den Salbeitee bereitest Du folgendermaßen zu:
- 1 EL getrocknetes Salbeikraut (Salviae herba) mit ¼ Liter siedendem Wasser übergießen.
- Zugedeckt 15 Minuten ziehen lassen.
- Im Anschluss trinken.
Diesen Tee kannst Du Dir 3 x täglich zubereiten.
Monografien zu Salbei
Die offiziellen Monografien von ESCOP, Kommission E und HMPC empfehlen Salbei zur Stärkung der Verdauung und bei vermehrter Schweißsekretion. Die gedächtnisstärkende Wirkung wird in ihnen bisher nicht aufgeführt. Eine Anwendung von Salbei zur Gedächtnisstärkung fußt daher auf den Erkenntnissen der Erfahrungsheilkunde.
Bitte auch beachten: Auch wenn Salbei positive Wirkungen in der Grundlagenforschung zeigte, eine positive Wirkung bei der Alzheimer-Erkrankung ist bis heute noch nicht ausreichend belegt.
Kontraindikationen?
Wechselwirkungen, Nebenwirkungen und Gegenanzeigen, die bei einer Anwendung von Salbei zu berücksichtigen wären, sind heute keine bekannt. Da Salbei die Produktion der Muttermilch hemmen könnte, rate ich jedoch von einer Anwendung während der Stillzeit ab.
Und zum Schluss
Wer lange geistig tätig ist, fühlt sich manchmal wie ausgewechselt. Konzentrieren fällt dann schwer, das Gedächtnis lässt nach. Worte fallen uns nicht ein, Gelerntes scheint irgendwo in den Tiefen des Gehirns verschollen. Vielleicht erinnern wir uns dann noch an den Salbei, denn der könnte uns in solchen Situationen helfen. Seine Acetylcholinesterase-hemmenden und antioxidativen Wirkungen unterstützen unsere kognitiven Leistungen und könnten dafür sorgen, dass wir besser konzentrieren und erinnern können. Ich mache mich auf jeden Fall mal auf den Weg in die Küche und bereite mir einen Salbeitee zu.
Wichtiger Hinweis!
Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.
Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.
Literatur
- Plaitakis A, Duvoisin RC. Homer's moly identified as Galanthus nivalis L.: physiologic antidote to stramonium poisoning. Clin Neuropharmacol 1983; 6(1): 1–5. DOI: 10.1097/00002826-198303000-00001
- Mervić M, Bival Štefan M, Kindl M et al. Comparative Antioxidant, Anti-Acetylcholinesterase and Anti-α-Glucosidase Activities of Mediterranean Salvia Species. Plants 2022; 11(5): 625. DOI: 10.3390/plants11050625
- Matsingou TC, Petrakis N, Kapsokefalou M et al. Antioxidant activity of organic extracts from aqueous infusions of sage. J Agric Food Chem 2003; 51(23): 6696–701. DOI: 10.1021/jf034516o
Sebastian Vigl
Heilpraktiker mit dem Therapieschwerpunkt Phytotherapie