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Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BFR) hat darauf hingewiesen, dass der Jodgehalt heimischer Agrarprodukte nicht ausreiche, um in Deutschland eine ausreichende Jodzufuhr mit der Nahrung sicherzustellen. Seit Mitte der 1980er-Jahre wird empfohlen, jodiertes Speisesalz in Lebensmittelindustrie und -handwerk sowie in Privathaushalten zu verwenden, wodurch die Jodversorgung verbessert wurde. Jodiertes Tierfutter und daraus resultierende höhere Jodgehalte in Milch und Milchprodukten konnten ebenso dazu beitragen. Aktuelle Daten zeigen laut BFR jedoch, dass die Jodversorgung der deutschen Bevölkerung noch immer nicht optimal ist, mit rückläufiger Tendenz [1].
Der Jodbedarf eines Menschen ist individuell verschieden und hängt u. a. von Umwelteinflüssen sowie von Ernährungsgewohnheiten ab, z. B. von Lebensmitteln, die jodhemmende Substanzen enthalten. Der folgende Artikel gibt eine Übersicht über Nahrungsmittel, die in den Jodstoffwechsel eingreifen können und so strumigen, d. h. kropfbildend, wirken.
Die Schilddrüsenhormone haben im Körper eine zentrale Funktion bei der Steuerung einer Vielzahl von Stoffwechselprozessen und sind u. a. für normales Wachstum, Knochenbildung, Entwicklung des Gehirns sowie den Energiestoffwechsel notwendig. Wird Jod über längere Zeit in Mengen unterhalb des Bedarfs aufgenommen, produziert die Schilddrüse zu wenig Hormone, wodurch es zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen kommen kann.
Zur Deckung des Jodbedarfs empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) e. V. altersabhängige tägliche Jodzufuhren von 40–80 µg bei Säuglingen, 100–200 µg bei Kindern unter 15 Jahren und 180–200 µg bei Jugendlichen und Erwachsenen. Schwangeren und Stillenden werden Tageszufuhren von 230 bzw. 260 µg empfohlen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hält bei Säuglingen (7.–11. Monat) eine tägliche Aufnahme von 70 µg, bei 1- bis 14-jährigen Kindern von 90–120 µg und bei Jugendlichen und Erwachsenen von 130–150 µg pro Tag für adäquat. Bei schwangeren und stillenden Frauen hält die EFSA eine Tageszufuhr von 200 µg für angemessen [2].
Jodversorgung in Deutschland
Die Jodaufnahme erfolgt in Deutschland zum größten Teil über jodiertes Speisesalz. Die zu Hause aufgenommenen Salzmengen tragen allerdings nur mäßig zur Gesamtjodversorgung bei, belegen die Daten der DEGS-Studie [3]. Zudem ernähren sich Kinder und Erwachsene zunehmend von Fertigprodukten oder essen außer Haus [3].
Der Jodversorgungsstatus der Bevölkerung lässt sich u. a. anhand der Jod-Urinausscheidung bestimmen. Da rund 85–90 % der mit der Nahrung aufgenommenen Jodmenge über den Urin ausgeschieden wird (die restlichen 10–15 % sind Jodverluste über Schweiß und Stuhl), kann anhand der täglichen Jodausscheidungsmenge die Jodzufuhr pro Tag geschätzt werden.
Repräsentative Daten zur Jod-Urinausscheidung für die deutsche Bevölkerung wurden im Rahmen der nationalen Gesundheitssurveys des Robert Koch-Instituts (RKI) erhoben: „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS-Studie, Erhebungszeitraum 2003–2006 sowie 2014–2017) [4] und „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS, Erhebungszeitraum 2008–2011) [3]. Die Daten zeigen, dass etwa 30 % der einbezogenen Erwachsenen und 44 % der einbezogenen Kinder und Jugendlichen eine Jodzufuhr unterhalb des geschätzten mittleren Bedarfs aufweisen. Das heißt, dass bei diesen Personen ein erhöhtes Risiko für eine Jodunterversorgung besteht. Bei Kindern und Jugendlichen sank die geschätzte tägliche Jodaufnahme seit der Basiserhebung (2003–2006) um 13 %.
Jodquellen
Meeresfisch ist eine gute natürliche Jodquelle, aber auch Milch und Milchprodukte, sofern die Kühe mit jodiertem Futter ernährt werden. Darüber hinaus wird Jod v. a. über jodiertes Speisesalz und damit hergestellte Lebensmittel aufgenommen. Bei Verwendung von Jodsalz in industriellen Lebensmitteln sind Fleisch, Wurst und Brot die Hauptquellen für Jod. Die mittlere tägliche Jodaufnahme ohne Berücksichtigung von jodiertem Speisesalz liegt bei Jugendlichen und Erwachsenen in Deutschland bei etwa 100 µg. Dies entspricht nur etwa der Hälfte der von der DGE empfohlenen Tageszufuhr von 180–200 µg. Die Jodzufuhrempfehlungen der DGE könnten im Durchschnitt nur erreicht werden, wenn etwa 50–80 % der verzehrten Lebensmittel mit Jodsalz hergestellt wären. Fleisch, Wurst und Brot wären dann die Hauptquellen für Jod.
Kropfbildung
Die Zahl der Kropfträger wird weltweit auf über 400 Mio. Menschen geschätzt. Die Hauptursache hierfür liegt in der zu geringen Jodzufuhr. Während bei Letzterem die Schilddrüse ohne Zweifel im Mittelpunkt der Pathogenese steht, ist dies für jenen nicht erwiesen. Während der sporadische Kropf überall vorkommt oder vorkommen kann, ist das Auftreten des endemischen Kropfs an bestimmte Gegenden, und zwar an Berg- und Hochländer, gebunden (Zentralalpen, Karpaten, Pyrenäen, auch deutsche Mittelgebirge).
Strumigene Nahrungsbestandteile
Nicht nur Jodmangel, sondern auch strumigene Nahrungsbestandteile können eine Kropfbildung auslösen.
Der regionale Jodmangel kann zudem durch Umweltbelastungen, Lebensgewohnheiten (Rauchen) und durch einseitige Ernährung mit strumigenen Nahrungsmitteln, sog. Goitrogenen, verursacht werden. Heute weiß man, dass zahlreiche Nahrungsbestandteile bzw. Chemikalien strumigen bzw. goitrogen wirken können. Neben Jodmangel wird der endemische Kropf zahlreicher Regionen unserer Welt auf besonders einseitige Ernährungsgewohnheiten zurückgeführt. Im Folgenden sollen die komplexen Interaktionen strumigen wirksamer Substanzen (Goitrogene) mit dem Schilddrüsenstoffwechsel näher untersucht werden.
Mechanismus der Kropfbildung
Ein sinkender Schilddrüsenhormonspiegel im Blut stimuliert die Thyreotropin(TSH)-Sekretion aus dem Hypophysenvorderlappen und steigert damit Produktion und Freisetzung von L-Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3). TSH intensiviert die Synthese organischer Jodverbindungen (einschließlich der Hormone) und die Thyreoglobulinbildung. Es regt die Freisetzung der Schilddrüsenhormone aus Thyreoglobulin und ihre Ausschüttung aus der Schilddrüse an. Nur sehr langsam nimmt dagegen unter TSH-Einfluss der Transport von Jodid in die Schilddrüsenepithelzellen zu. Dieser Transport ist daher der geschwindigkeitsbegrenzende Schritt der Hormonsynthese.
Die meisten TSH-Wirkungen sind nicht direkt, sondern indirekt durch cAMP vermittelt. Die Zellproliferation wird vermutlich nicht von TSH, sondern von Wachstumsfaktoren gesteuert. Die Wirkung dieser Wachstumsfaktoren kann durch organische Jodverbindungen antagonisiert werden. Jodmangel, behinderte Jodaufnahme in die Schilddrüse oder verstärkter TSH-Einfluss (häufig Folge der Einwirkung strumigener Substanzen) können den Jodgehalt der Schilddrüse senken. Dabei wird die Bremswirkung auf den Wachstumsfaktor reduziert. Die Folge ist die Proliferation der Schilddrüsenzellen (Hyperplasie). Ein niedriger Jodgehalt sensibilisiert die Schilddrüse gegenüber Wachstumsreizen.
Jodstoffwechsel bei normaler Schilddrüsenfunktion
Der Dünndarm resorbiert das in der Nahrung enthaltene Jod, soweit es in der ionogenen Form vorliegt. Organisch gebundenes Jod, z. B. in Seefischen, muss im alkalischen Milieu des Dünndarms erst in die resorbierbare Jodidform reduziert werden. Danach erfolgt die intravasale, extrazelluläre Verteilung. Die Nieren scheiden ca. 70 % des aufgenommenen Jods wieder aus. Den Rest speichert hauptsächlich die Schilddrüse in ihren Follikelzellen (Thyreozyten). Dieser Vorgang trägt die Bezeichnung Jodination. Durch den Einfluss des Enzyms Na+/K+-ATPase wird unter Energieaufwand das Jodidanion von der Basalmembran zur kolloidnahen apikalen Membran der Thyreozyten transportiert und vom Enzym Peroxidase zum elementaren Jod oxidiert (Jodisation). Aus jeweils 2 jodierten Thyrosinmolekülen entstehen unter Abspaltung der Aminosäure Alanin die Schilddrüsenhormone T3 und T4. Auf dem Weg der Pinozytose gelangen die Schilddrüsenhormone aus dem Kollodium, ihre Bildungsstätte und Depot, zurück zur Basalmembran, von wo aus sie ins Blut sezerniert werden. Dieses trägt T3 und T4 globulingebunden zu den peripheren Geweben, in denen sie ihre Stoffwechselwirkung entfalten [5].
Ernährungsgewohnheiten und endemische Kropfbildung
Jodmangel und die Vorliebe der Bevölkerung für Zwiebeln werden im Libanon für das Auftreten eines Kropfes verantwortlich gemacht. Zwiebeln enthalten das leicht flüchtige N-Propyldisulfid.
Bei Ratten hemmen bereits kleine Mengen dieses Stoffes die Schilddrüsenfunktion vergleichbar stark wie Propylthiouracil [6]. Der in Nigeria und Zaire häufige endemische Kropf wird auf den Verzehr von Cassava zurückgeführt [7]. Untersuchungen an Ratten zeigten, dass getrocknete, unfermentierte Cassava rasch zur Kropfbildung führt und die Jodvorräte der Schilddrüse rascher entleert werden als bei Jodmangel allein. Cassava (Manihot aesculenta) enthält das giftige Blausäureglykosid Phaseolunatin, das vor der Verwendung der Wurzelknolle als Nahrungsmittel entfernt werden muss [8]. Die strumigene Wirkung der Cassava erklärt sich dadurch, dass Cyanide über die weniger giftigen Thiocyanate mithilfe des Enzyms Thiosulfat-Sulfur-Transferase metabolisiert werden.
Strumigen wirkt ferner ein hoher Anteil von Sojabohnen in der Nahrung, beispielsweise in westafrikanischen Ländern. Rohe Sojabohnen enthalten eine strumigene Substanz, die durch Erhitzen nur teilweise inaktiviert wird [9], [10]. Sie hemmt die Resorption von Thyroxin aus dem Magen-Darm-Kanal. Da 25–30 % des körpereigenen Thyroxins über den enterohepatischen Kreislauf in den Darm gelangen, kommt es bei einseitiger Sojaernährung zu größeren Thyroxinverlusten [6].
Retrospektive Studien in den USA belegen, dass Jugendliche mit autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen im Säuglingsalter signifikant häufiger mit einer sojahaltigen Milch ernährt wurden als schilddrüsengesunde Kontrollpersonen [11].
Der regelmäßige Verzehr größerer Mengen Walnüsse wird für das gehäufte Auftreten eines Kropfes in Spanien verantwortlich gemacht. Bei Ratten war nach 75-tägiger Walnussfütterung die Aufnahme von Radiojod (J 131) in die Schilddrüse im Vergleich zu den Kontrolltieren verdoppelt. Histologisch boten die Schilddrüsen das Bild von stimulierten Drüsen wie nach Gabe von thyreotropem Hormon [6].
Auch eine regelmäßige Aufnahme von mehr als 2 mg Jod pro Tag blockiert die Freisetzung von Schilddrüsenhormonen und produziert damit Strumae. Auf Hokkaido (Japan) erzeugt der häufige Genuss von Seetang die endemische Küstenstruma. Neben Jodverbindungen spielen auch Phloroglucinpolymere, die reichhaltig in Laminariarten vorkommen, eine Rolle [7].
Erdnüsse wirken strumigen aufgrund von Phenolen, die mit Tyrosin als falsche Substrate konkurrieren. So enthält die rote Samenschale der Erdnuss ein Glykosid, das Arachidosid, aus dem Phenolderivate entstehen. Auch in der Samenschale der Cashewnüsse (Anacordium occidentale) wurde ein solches Glykosid gefunden [8].
Die Pearl-Hirse (Pennisetum millet) ist für die häufige Kropfbildung in ländlichen Bezirken im Sudan verantwortlich, wo bis zu 74 % der täglichen Energieaufnahme durch Hirse gedeckt ist [7]. Die strumigene Wirkung beruht vermutlich auf C-Glykosylflavonen. Die thyreostatische Wirkung wird den Abbauprodukten zugeschrieben. Hirse dient weltweit in erster Linie als Futtermittel, wird aber in unterentwickelten Ländern als primäre Brotgetreideart angebaut. Viele Hirsearten beinhalten Dhurrin, ein cyanogenes Glykosid, das im menschlichen Organismus zu Thiocyanat metabolisiert wird, das ebenfalls goitrogen wirkt.
Cyanogene Glykoside kommen ferner in bitteren Mandeln, Aprikosen- und Pfirsichkernen sowie in Äpfeln, in der Limabohne und in Leinsamen vor. Das Kropfrisiko ist sehr hoch, wenn nach Aufnahme cyanogener Glykoside ein Verhältnis von Jodid (in µg) zu Thiocyanat (in mg) unter 3 im 24-Stunden-Harn vorliegt. So niedrige Quotienten treten in erster Linie in Jodmangelgebieten auf.
Die wilde Tamarinde enthält ein toxisches Alkaloid, das zu 3,4-Dihydroxypyridin metabolisiert wird. Dihydroxypyridine und 3-Hydroxypyridin hemmen die Tyrosin-Peroxidase etwa so stark wie Propylthiouracil [7].
Brassica-Faktoren
Schon seit 1928 ist bekannt, dass verschiedene Kohlarten nach Langzeitfütterung an Kaninchen einen Kropf hervorrufen und den Grundumsatz senken können [12]. Hervorzuheben sind dabei besonders
- Brassica oleracea (Kohlrabi, Wirsing, Weißkohl, Blumenkohl, Rosenkohl),
- Brassica campestris (Rübe),
- Brassica napus (Sommerraps),
- Brassica sativus (Rettich),
- Brassica nigra (Schwarzer Senf),
- Sinapsi alba (Weißer Senf),
- Brassica carinata (Äthiopischer Raps) und
- Brassica juncea (Indischer und brauner Senf).
Die Brassica-Faktoren bestehen in ihrem chemischen Aufbau aus 2 verschiedenen Substanzgruppen, den Thiocyanaten und den Oxazolidin-2-thionen. Thiocyanate finden sich in der Pflanze nicht frei, sondern werden beim Zerkleinern aus Thioglykosiden (Glucosinolaten) hydrolytisch gebildet. Die Glucosinolate ([ Tab. 1 ]) sind die Vorstufen der Aromastoffe, die den jeweils typischen Geschmack oder Geruch dieser Pflanzen bestimmen. Die flüchtigen Aromastoffe, die enzymatisch aus Glucosinolaten hervorgehen, werden als ätherische Senföle bezeichnet [13]. Thiocyanate werden v. a. bei der Hydrolyse von Glucobrassicin, aber auch von Sinalbin und anderen Indolmethylglucosinolaten gebildet. Sie wirken nicht nur thyreostatisch, sondern auch immunstimulierend, antihypertensiv und antimikrobiell [14]. Inzwischen sind mehr als 120 verschiedene Glucosinolate bekannt [15]. Neue Untersuchungen beschreiben antikanzerogene Effekte, die Induktion von Enzymen der Phase-II-Detoxifizierung, die Induktion der Apoptose und die Regulation von Redoxprozessen [16], [17], [18], [19].
Glucosinolat | Vorkommen |
Glucocapparin | Kaperngewächse |
Sinigrin | Schwarzer Senf, Kohlarten |
Gluconapin | Raps, Kohlarten |
Glucoerucin | Ölrauke, Kohlarten |
Glucoiberin | Kohlarten |
Progoitrin | Raps, Kohlarten |
Glucotropaeolin | Große Kapuzinerkresse |
Glucosinalbin | Weißer Senf |
Glucobrassicin | Kohlarten |
Sowohl Thiocyanate als auch ihre Vorstufen wie Goitrin und Isothiocyanate haben eine potente Wirkung auf die Antithyroid-Peroxidase-Aktivität [20]. Sie interagieren ferner mit dem Jodmetabolismus durch Hemmung der Jod-Resorption, Erhöhung der Jodausscheidung und durch Ersetzen von Jod im Schilddrüsengewebe [21].
In der internationalen medizinischen Literatur wird berichtet, dass die Entwicklung eines Kropfes nicht von der Aufnahme großer Mengen Thiocyanat-Präcursoren abhängt, sondern die Balance zwischen täglicher Aufnahme von Jodid und Thiocyanat der kritische Faktor ist. Die tägliche Aufnahme von Jodid und Thiocyanat (SCN) wird bestimmt durch die Ausscheidung der Jodid-Thiocyanat-Relation im Urin. Unter normalen Bedingungen beträgt der Wert für die Aufnahme eine Relation > 7; der kritische Wert ist erreicht, wenn die Relation ca. 3 beträgt. In einer Studie mit 1286 Kindern zwischen 6 und 12 Jahren im indischen Imphal District in Manipur, einem Landstrich, in dem die Kropfhäufigkeit trotz Jodsalz-Supplementierung konstant blieb, wurde nach den Ursachen gefahndet. Die Lösung des Rätsels war, dass pflanzliche Grundnahrungsmittel in diesem Distrikt hohe Konzentrationen an Thiocyanat und dessen Präkursoren aufwiesen, die mit der Schilddrüsenhormon-Biosynthese interagierten und zu einer vermehrten Ausscheidung von Jod führten [21].
Cyanogene Glykoside, Glukosinolate und Thiocyanate, die sowohl in gekochtem als auch in ungekochtem Zustand in relativ hohen Konzentrationen in Bambussprossen vorkommen, werden für die Entstehung von morphologischem wie funktionellem Hypothyreodismus verantwortlich gemacht. Eine Jod-Supplementierung verzögerte den antithyreodalen Effekt von Bambussprossen, konnte ihn aber nicht aufheben [23].
Im Rosenkohl beispielsweise, der reich an Glucosinolaten ist, können sich goitrogene Substanzen, insbesondere das Goitrin und Thiocyanat bilden. Der Einfluss einer Rosenkohldiät (4 Wochen lang täglich 150 g) auf die Schilddrüsenfunktion war Gegenstand einer Studie an 10 Probanden in London. Es konnte belegt werden, dass gekochter Rosenkohl keine Wirkung auf die Schilddrüsenfunktion ausübt. Vermutlich wird durch das Kochen die Myrosinase inaktiviert, sodass keine goitrogenen Substanzen entstehen [24].
In anderen Untersuchungen wurde jedoch beobachtet, dass Glucosinolate selbst bei Denaturierung der Myrosinase gespalten werden können. An dieser Spaltung dürften bakterielle Enzyme im Magen-Darm-Trakt beteiligt sein.
Thiocyanate besitzen für den Menschen kaum toxikologische Bedeutung. Erst 200–1000 mg Thiocyanat hemmen die Radiojodaufnahme beim Menschen [13]. So wird in der Literatur nur selten von Kropfbildungen, bedingt durch Brassica-Arten berichtet. Nur durch sehr einseitige Ernährung mit Kohl, wie in Zeiten von Hungersnöten, Armut oder in Kriegsgefangenenlagern, sowie durch Jodmangel können strumigene Rhodanidkonzentrationen entstehen.
Fazit
5 % der Weltbevölkerung leiden an Kropfbildung, und die damit assoziierten Schilddrüsenerkrankungen sind von erheblicher Bedeutung. Daher sollte goitrogenen Substanzen, sowohl Nahrungsbestandteilen als auch Verunreinigungen von Luft und Wasser, eine größere Aufmerksamkeit bei der Ätiologie von Schilddrüsenerkrankungen geschenkt werden. Deutschland hat sich in den letzten Jahren von einem Jodmangelgebiet zu einem Land mit niedrig normaler Jodversorgung gewandelt. Um diese Entwicklung zu stabilisieren, ist die Verwendung von jodiertem Speisesalz nachhaltig zu fordern und der Anteil von aktuell ca. 30 % bei derzeit sinkender Tendenz zu erhöhen. Der Nitratgehalt in Trinkwasser und Nahrungsmitteln sollte in Zukunft sorgfältig beobachtet werden.
Autor
Jens Bielenberg
Apotheker
Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
- Bundesinstitut für Risikobewertung. Jodversorgung in Deutschland wieder rückläufig – Tipps für eine gute Jodversorgung. 2020 www.bfr.bund.de/de/jodversorgung_in_deutschland_wieder_ruecklaeufig___tipps_fuer_eine_gute_jodversorgung-128626.html Stand: 12.10.2020
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