
In der Phytotherapie spielt Aconitum napellus wegen möglicher Intoxikationserscheinungen im therapeutischen Bereich keine Rolle mehr.
Die Gattung Aconitum gilt als giftigste Pflanzengattung Europas [1]. Eine dieser Aconitum-Arten, A. napellus, der Blaue Eisenhut oder Sturmhut, kommt in Gebüschen, auf Schutthalden und auf feuchten, humosen Weiden und an Bachläufen vor. Der Blaue Eisenhut wird bis zu 1,5 m hoch, hat ein schwarzes, fleischiges und rübenartiges Rhizom. Charakteristisch sind die 3- bis 7-teiligen handförmigen Blätter und die 5 violetten Kronblätter, wobei der sog. „Helm“, das oberste Blütenblatt, wie ein Sturmhut 2 langgestreckte Honigblätter umschließt [4], [6]. Aconitum war bereits in der Antike bekannt. Im 16. Jahrhundert wurde Aconitum als tödliches Gift betrachtet. So berichtet Matthiolus (1501–1577) von der Giftigkeit, während Lonicerus (1528–1586) und Bock in ihren Kräuterbüchern die Samen aufgrund einer speicheltreibenden und emetischen Wirkung sowie die Wurzel und das Kraut nur äußerlich bei faulem Zahnfleisch und in einer Läusesalbe anwenden. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde Aconitum bei Lepra, Wechselfieber und Augenschmerzen eingesetzt, erst etwas später folgte auch die Anwendung bei neuralgischen und rheumatischen Schmerzen [6]. Im 19. bis hinein in das 20. Jahrhundert erfolgte die Anwendung bei Rheuma, Gicht, Migräne und Trigeminusneuralgien [4] [6]. Arzneilich fanden die Wurzelknolle, Tubera Aconiti, und die Blätter, Folia Aconiti, Verwendung. Daraus wurden verschiedene Zubereitungen (u.a. Aconitinum, ein Extrakt, ein Liniment und ein Sirup) hergestellt. Allerdings wurde immer vor tödlichen Vergiftungen bei innerlicher Anwendung aufgrund der Verschiedenheit der Präparate gewarnt [4].
A. napellus war bis zur 5. Ausgabe des DAB, erschienen 1910 und gültig bis 1926, mit 2 Monografien vertreten: mit den Tubera Aconiti (Eisenhutknollen) und der Tinctura Aconiti (Eisenhuttinktur), bereitet aus 1 Teil gepulverter Droge und 10 Teilen verdünntem Weingeist [2].
Inhaltsstoffe in allen Teilen des Eisenhuts sind Diterpenalkaloide, die für die pharmakologischen und toxikologischen Wirkungen verantwortlich sind: So sind Nor-Diterpenalkaloide (z. B. Aconitin, Benzoylaconitin, N-Desethylaconitin, Meaconitin) sowie echte Diterpenalkaloide enthalten [1]. Erste Anzeichen einer Vergiftung nach oraler Aufnahme geringer Mengen treten nach wenigen Minuten auf und erreichen je nach Zufuhrmenge unterschiedliche Ausprägungen, im Extremfall auch den Tod [1]. Die letale Dosis beträgt 3–6 mg Aconitin, die bereits mit wenigen Gramm des Pflanzenmaterials erreicht werden [3]. Aconitin bindet an spannungsabhängige Natriumkanäle von erregbaren Membranen, was deren Inaktivierung hemmt. An Nervenzellen führt das zu Lähmungen [1]. Vergiftungsfälle von Kindern mit Aconitum-Pflanzen treten heute immer wieder auf, im Zeitraum von 1998–2004 gab es in Deutschland 86 Vergiftungsfälle [1].
Die Kommission E erstellte 1987 eine Negativmonografie zu Aconiti tuber und Aconiti herba. Beanspruchte Indikationen waren Schmerzen, Fazialislähmung, Gelenkerkrankungen, Rheuma, Gicht, rheumatische Beschwerden, Pleuritis, Pericarditis sicca, Fieber, Haut- und Schleimhauterkrankungen sowie die Anwendung zur Desinfektion und Wundbehandlung. Die Kommission E verwies auf die geringe therapeutische Breite, sodass Intoxikationserscheinungen bereits im therapeutischen Dosisbereich auftreten könnten, u.a. Parästhesien, Erbrechen, Schwindel, Muskelkrämpfe, Hypothermie, Bradykardie und Herzrhythmusstörungen und zentrale Atemlähmung. Daher sei die Anwendung aufgrund dieser Risiken nicht zu vertreten [5].
Autor
Dr. Klaus Peter Latté
Apotheker
Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
- BfR – Bundesinstitut für Risikobewertung. Risikobewertung von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitungen. Klenow S, Latté KP, Wegewitz U, Dusemund B, Pöting A, Appel KE, Großklaus R, Schumann R, Lampen A, Hrsg. BfR Wissenschaft 01/ 2012, Kap. 10: Aconitum spp. (Eisenhut-Arten). Seiten 205–211
- DAB. 5. Monographien „Tinctura Aconiti. – Eisenhuttinktur.“ (S. 517) und „Tubera Aconiti. – Eisenhutknollen.“ (S. 547). Berlin: R. v. Deckers Verlag; 1910
- Frohne D, Pfänder HJ. Giftpflanzen. 5. Aufl. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2004. Monographie Aconitum
- Köhler FE. Köhler’s Medizinal-Pflanzen in naturgetreuen Abbildungen mit kurz erläuterndem Texte. Verlag Gera-Untermhaus 1887, Band 1, 72, Monographie „Aconitum Napellus L.“ und Band 2, 90, Monographie „Inula Helenium L.“
- Kommission E. Monographie „Aconitum napellus (Blauer Eisenhut)“ mit „Aconiti tuber, blaue Eisenhutknollen“ und „Aconiti herba, blaues Eisenhutkraut“. Bundesanzeiger vom 15.10.1987, Nr.193
- Madaus G. Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Leipzig: Georg Thieme; 1938. Band 1: Monographie „Aconitum napellus. Eisenhut, Ranunculaceae“ S. 388-400