Botanischer Steckbrief
Thymian ist ein Wildgewächs, zugleich eine Gewürz- und Arzneipflanze. Medizinisch genutzt werden Thymus vulgaris L. und Thymus zygis L., gelegentlich auch Mischungen aus beiden. Er gedeiht endemisch im Mittelmeerraum, wird aber in vielen weiteren Regionen kultiviert, etwa in Nigeria oder Südafrika. Blüten und Blätter werden für den medizinischen Gebrauch getrocknet, zerkleinert, dann meist mit Alkohol, Glycerin oder Wasser extrahiert [1]. Die gewonnene Trockensubstanz kann als Sirup oder Pastille eingenommen werden, häufig in Kombination mit anderen Arzneipflanzenauszügen z. B. aus Primelwurzel oder Efeublatt [2]. Thymianextrakte schmecken aromatisch scharf auf der Zunge. Der medizinische Gebrauch ist seit der Antike im Mediterraneum nachgewiesen, nördlich der Alpen erst seit dem Mittelalter.
Anwendung gemäß EMA-Monografie
Das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) veröffentlichte 2013 eine Monografie und Unterlagen zu Thymus vulgaris [3]. Die Ergebnisse wurden von der European Medicines Agency (EMA) zusammengefasst und 2016 dem Publikum vorgestellt [4]. Empfohlen wird in der Monografie die Behandlung von Patienten, wohl als Schleimlöser und Antiseptikum, bei produktivem Husten ab dem 12. Lebensjahr, für manche Zubereitungen bereits ab dem 4. Lebensjahr.
Indikation
Mukolytika (Schleimlöser) sind in der ersten, trockenen Krankheitsphase von Atemwegsinfekten (Anschoppung) nicht indiziert [5]. Da der Hustenreiz in dieser Phase besonders ausgeprägt sein kann, werden sie jedoch bereits gerne, aber fälschlicherweise, als „Hustenlöser“ eingenommen. Eigentlich können sie erst in der folgenden, produktiven (katharralischen) Phase wirken, wenn die Schleimbildung den Husten zusätzlich triggert – daher die o. a. Indikation „produktiver Husten“ des HMPC.
Dosierung und Nebenwirkungen
Die Monografie stützt sich auf 30 Jahre klinischer Erfahrung. Thymus ist hier im Sinne der EMA, entsprechend auch dem deutschen AMG, ein traditionelles Medikament. Je nach Darreichungsform werden 50–200 mg Extrakt mehrfach am Tag zur Einnahme empfohlen, für den Tee 1–2 g Blüten und Blätter auf 150 ml kochendes Wasser. Nebenwirkungen sind bei regulärer Dosierung nicht bekannt. Es liegen keine sicheren Belege für Genotoxizität oder Mutagenität vor [6]. Vom Gebrauch in Schwangerschaft und Stillzeit wird jedoch abgeraten [4].
Wirkungen
Thymianextrakte wirken nicht nur schleimlösend, sondern ausgeprägt antiphlogistisch sowie antimikrobiell gegen Bakterien, Viren und pathogene Pilze. Vor allem die Inhaltsstoffe Thymol und Carvacrol (Abb. 1) bzw. das ätherische Öl des Thymians sind hierfür ursächlich. In der „Multitarget“-Wirkung mag der besondere Wert von Thymianextrakten liegen, der auch noch antioxidative, tumorprophylaktische und wurmtötende Eigenschaften umfasst [1]. Wie die aktuellen Literaturstellen zeigen, besteht weiterhin ein lebhaftes wissenschaftliches Interesse an den pharmakologischen Eigenschaften des Thymians.
Anwendungsempfehlungen
Thymiantees und -sirupe können botanisch Interessierte selbst herstellen. Besser ist jedoch Ihre ärztliche Empfehlung, da Arzneimittel nach AMG einen hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandard bieten – nicht so Nahrungsergänzungsmittel mit Thymiangehalt oder Gartenmischungen. Greifen Sie für Ihre Patienten deshalb zum grünen Rezept! Für Kinder bis zum 12. Lebensjahr sind Thymianzubereitungen zu Lasten der Krankenkassen verordnungsfähig. Marktgängig sind in Deutschland sehr viele Thymian-Arzneispezialitäten. Sie sollten chemisch definierten Mucolytika wie Acetylcystein oder Ambroxol mindestens gleichwertig sein [7], [8].
Autor
Prof. Dr. med. Detmar Jobst
Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren
Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
- Patil MSh, Ramu R, Shirahatti PS, Shivamallu C. A systematic review on ethnopharmacology, phytochemistry and pharmacological aspects of Thymus vulgaris Linn. Heliyon 2021; 07 (05) e07054
- Kardos P, Bittner CB, Seibel J, Abramov-Sommariva D, Birring SS. Effectiveness and tolerability of the thyme/ivy herbal fluid extract BNO 1200 for the treatment of acute cough: An observational pharmacy-based study. Curr Med Res Opin 2021; 37 (10) 1837-1844
- European Medicines Agency. Thymi herba. Im Internet: Thymi herba | European Medicines Agency (europa.eu). Zugriff 16.01.2022
- European Medicines Agency. Community herbal monograph on Thymus vulgaris L. and Thymus zygis L., herba. Im Internet: Community herbal monograph on Thymus vulgaris L. and Thymus zygis L., herba (europa.eu). Zugriff 16.01.2022
- Krüger K, Gehrke-Beck S, Holzinger F, Heintze C.. DEGAM-Leitlinie S3: Akuter und chronischer Husten. AWMF-Register-Nr. 053-013, 2021. Im Internet. www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/053-013l_S3_akuter-und-chronischer-Husten_2021-06.pdf Zugriff 16.01.2022
- Oliveira JR, de Jesus Viegas D, Martins APR, Carvalho CAT, Soares CP. et al Thymus vulgaris L. extract has antimicrobial and anti-inflammatory effects in the absence of cytotoxicity and genotoxicity. Arch Oral Biol 2017; 82: 271-279
- Walther C, Döring K, Schmidtke M. Comparative in vitro analysis of inhibition of rhinovirus and influenza virus replication by mucoactive secretolytic agents and plant extracts. BMC Complement Med Ther 2020; 20 (01) 380
- Wagner L, Cramer H, Klose P, Romy Lauche R, Gass F. et al Herbal medicine for cough: A systematic review and meta-analysis. Forsch Komplementmed 2015; 22 (06) 359-368