ImmunsystemErnährung im frühen Leben prägt Darmimmunität

Eine ausgewogene Diät, die reich an Lipopolysacchariden ist, kann die Vielfalt des Antikörperrepertoires im Darm erhöhen, insbesondere in der frühen Lebensphase.

Illustration: Darm mit Bakterien
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Das Darmmikrobiom beherbergt Billionen von Bakterien.

Die Zusammensetzung unserer Nahrung in der frühen Lebensphase kann das Immunsystem stärken. Das fanden Forschende der Universität Bern, des Inselspitals, Universitätsspital Bern und der Charité – Universitätsmedizin Berlin heraus.

Am Mausmodell zeigten die Forschenden, dass bestimmte Nahrungsbestandteile die Produktion und Vielfalt der Antikörper im Darm erhöhen. Und zwar unabhängig von der bestehenden Darmflora. Die Ergebnisse könnten künftig die Prävention und Behandlung von Krankheiten grundlegend verbessern.

Darmmikrobiom für gesundes Immunsystem unerlässlich

Die Bakterien der Darmflora sind nicht nur für unsere Verdauung, sondern auch für ein gesundes Immunsystem unerlässlich. Die Erkenntnis, dass sich unsere Ernährung auf unser Immunsystem auswirkt, gewinnt sowohl in der Forschung als auch im öffentlichen Bewusstsein zunehmend an Bedeutung.

Bereits 2020 konnte in einer Studie gezeigt werden, dass die Mikroorganismen im Darm, die Darmmikrobiota, das Antikörperrepertoire im gesamten Körper beeinflussen kann. Insbesondere Antikörper des Typs Immunglobulin A (IgA) sind für die Immunität der Darmschleimhaut entscheidend: Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern, indem sie deren Eindringen und Vermehrung im Darm verhindern.

Lipopolysaccharide sind Bestandteile der bakteriellen Zellwand. Diese werden natürlicherweise von lebenden Darmbakterien gebildet, können aber auch in unserer Nahrung vorkommen. Sie kommen insbesondere in fermentierten und wenig prozessierten Lebensmitteln wie Joghurt, Obst und Gemüse vor.

Welchen Einfluss Lipopolysaccharid-Moleküle auf die Immunantwort im Darm haben, wurde in der vorliegenden Studie im Detail untersucht.

Studie: Auswirkungen verschiedener Diäten auf das Immunsystem

Um die Auswirkungen verschiedener Diäten auf das Immunsystem zu untersuchen, nutzten die Forschenden einerseits keimfreie Mäuse. Diese wachsen komplett ohne Mikroorganismen, einschliesslich Darmbakterien auf. Andererseits untersuchten sie Mäuse, deren Darm mit Bakterienkolonisiert waren.

Die Mäuse erhielten entweder eine Lipopolysaccharid-reiche, ausgewogene Standarddiät oder eine Lipopolysaccharid-arme, fett- und kohlenhydratreiche Diät. Letztere ähnelt einer typischen westlichen Ernährung mit hohem Fett- und Kohlenhydratanteil, wenig Ballaststoffen oder pflanzlichen Bestandteilen.

"Durch den Einsatz von keimfreien Mäusen konnten wir die direkte Wirkung der Ernährung und Nahrungsbestandteile auf das Immunsystem isoliert beobachten und so die Rolle von Lipopolysaccharid in der Immunmodulation klarer definieren", berichtet Prof. Dr. Francesca Ronchi von der Charité, eine der Erstautorinnen der Studie. "Um die Immunantwort im Detail zu analysieren, untersuchten wir die IgA-Produktion in darmassoziierten Lymphknoten und den Antikörperspiegel. Das Antikörperrepertoire wurde mittels modernen Sequenziertechniken charakterisiert."

Lipopolysaccharid-reiche Ernährung stärkt Darmimmunität

Die Studie zeigt: Eine Lipopolysaccharid-reiche, ausgewogene Ernährung regt die Produktion und Diversifizierung von Antikörpern des Typs Immunglobulin A (IgA) im Darm an. Das ist für die Abwehr von Krankheitserregern entscheidend.

"Wenig ausgewogene und wenig vielfältige Diäten enthalten geringere Mengen solcher bakteriellen Moleküle wie Lipopolysaccharid und stimulieren das mukosale Immunsystem schwächer" sagt Prof. Stephanie Ganal-Vonarburg. Besonders in der frühen Lebensphase ist der Einfluss der Ernährung entscheidend, da er zu einer langfristigen Förderung der Antikörperdiversität im Darm führt.

Zu ihrer Überraschung konnte das Team den nahrungsbedingten Effekt sowohl bei keimfreien als auch bei mit kolonisierten Mäusen beobachten. Ganal-Vonarburg hält fest: "Ernährung im frühen Leben prägt die Darmimmunität, selbst in Abwesenheit von Darmbakterien."

Die Studienergebnisse weisen zudem darauf hin, dass Lipopolysaccharid, je nachdem, ob es aus der Nahrung stammt oder von lebenden Darmbakterien gebildet wird, unterschiedliche immunologische Effekte haben kann. Diese Unterscheidung war bisher unzureichend beschrieben.

Fazit

Das Forscherteam konnte zeigen: Eine ausgewogene Diät, die reich an Lipopolysacchariden ist, kann die Vielfalt des Antikörperrepertoires im Darm der Maus erhöhen, insbesondere in der frühen Lebensphase.

Die Ergebnisse bieten neue Einblicke in die komplexen Mechanismen, durch die sich die Ernährung auf das Immunsystem auswirkt.

Die Forschenden untersuchen nun, ob und wie andere diätetische Komponenten das Immunsystem beeinflussen und ob sich auch Effekte beim Menschen beobachten lassen.

Die Erkenntnisse könnten zur Entwicklung neuer Ernährungsrichtlinien beitragen, die die Immunfunktion optimieren, sowie zur Entwicklung neuer Ansätze für die Prävention und Behandlung von Krankheiten.

Quelle: Universität Bern